personalmagazin 9/2018 - page 50

Schwerpunkt
personalmagazin 09.18
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Positionen und Rechte hörbar zu machen. Mit dem Verlust einer
klaren Definition des Betriebs infolge von Dezentralisierung der
erbrachten Arbeit oder von Agilität der Organisationen können
auch Arbeitnehmer-Schutzrechte verloren gehen. Jedenfalls be-
steht die Gefahr, dass diese kaum durchsetzbar sind. Die Mitge-
staltung von Arbeit und Arbeitsbedingungen bleibt somit einer
„agilen Struktur“ überlassen, die dem Arbeitsrecht unbekannt ist.
Lösen neue Formen der Partizipation die
traditionelle Mitbestimmung ab?
Als Ersatz und zur Schaffung einer irgendwie gearteten Klarheit
– und derartige Entwicklungen sind in der Praxis zunehmend
zu erkennen – entwickeln sich neue Formen der Partizipation
von Arbeitnehmern an unternehmerischen Entscheidungen.
Spontane Arbeitsgruppen werden eingerichtet, die zum Beispiel
neue Arbeitsformen mit beeinflussen oder innovative Formen
der Zusammenarbeit gemeinsam mit dem Arbeitgeber gestal-
ten. Zwar erscheinen diese Entwicklungen auf den ersten Blick
für Arbeitnehmer positiv. Ihnen fehlt jedoch ein rechtliches
Gerüst, das durchsetzbare Ansprüche erst ermöglicht. Auch ist
mangels personeller Kontinuität dieser Arbeitsgruppen nicht
gewährleistet, dass diese Form der Beteiligung eine rechtliche
Legitimation erhält. Diese würde es jedoch erst ermöglichen, für
den Arbeitgeber verbindlich zu werden.
Ohne Zweifel darf man vor diesen Entwicklungen die Augen
nicht verschließen. Es bleibt dem Arbeitgeber überlassen, sich
entsprechend zu verpflichten, dass informelle Absprachen ein-
gehalten und umgesetzt werden. Letztlich geht es dabei auch
darum, die Zufriedenheit der Arbeitnehmer nicht zu riskieren. Ob
jedoch die traditionelle Mitbestimmung – mit dem Ziel, betrieb-
liche, für den Arbeitgeber verbindliche Normen zu erstellen – im
Zusammenhang mit New Work vollständig ausgedient hat, bleibt
indes zweifelhaft. Denn schließlich gibt es Regelungsbereiche, wie
beispielsweise Vereinbarungen zu Bonuszahlungen, die erst durch
eine erfolgreiche – traditionelle – Mitbestimmung entsprechende
Akzeptanz erreicht und den betrieblichen Frieden bewahrt haben.
Wie jedoch diese unterschiedlichen Formen der Kooperation ge-
schaffen werden können, muss die Praxis erst noch zeigen.
Unternehmen müssen dringend die
Veränderung des Arbeitsrechts anstoßen
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die New Work zu-
geordneten Methoden, die unsere Arbeitswelt verändern, in
vielen Branchen unumkehrbar sind. Sie haben Gutes für sich:
Transparenz, Arbeitnehmerzufriedenheit und Flexibilität bei der
Erbringung von Arbeit werden gefördert. Dies kann die Produk-
tivität der Unternehmen verbessern und steigern. Die Leitlinien
des Arbeitsrechts dürfen jedoch nicht verlassen werden, möch-
ten Unternehmen ihre Arbeitnehmer rechtskonform führen.
Die Politik hat diese Veränderungen erkannt. Insbesondere in
der Regelung der Arbeitszeit liegen erste Vorschläge für eine
höhere Flexibilität vor. Indes scheinen auch diese Diskussionen
nicht weit genug vom „Pfad“ des bestehenden arbeitsrechtlichen
Ordnungssystems abzuweichen, um den neuen Bedürfnissen
vieler Betriebe zu genügen. Hierzu bedarf es mannigfacher
Veränderungen. Andernfalls könnten wesentliche unternehme-
rische Entscheidungen nicht oder zumindest nicht rechtssicher
getroffen werden.
Es wird an den Unternehmen selbst liegen, entsprechende
Forderungen zur Veränderung des Arbeitsrechtssystems an
politische Entscheider zu stellen – nicht zuletzt, um im inter-
nationalen Vergleich wettbewerbsfähig zu bleiben. Dabei kann
von den Erfahrungen stark international geprägter Betriebe
gelernt und anschließend die Herausforderungen an das deut-
sche Arbeitsrechtssystem erfasst werden. Eine rechtliche Dis-
kussion mit dem Ziel, diese Herausforderungen aufzugreifen
und zu lösen, ist von erheblicher Bedeutung.
MANTEO EISENLOHR ist Rechtsanwalt
und Partner bei der Kanzlei Altenburg in
Berlin.
JAN PETERS ist Rechtsanwalt bei der
Kanzlei Altenburg in Berlin.
In Verbindung
mit New Work hat
die traditionelle
Mitbestimmung,
mit dem Ziel,
betriebliche
Normen verbindlich
zu erstellen,
nicht komplett
ausgedient.
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