autonom agieren können, im Gegensatz zum rein reaktiven und
vorprogrammierten Verhalten, das wir heute kennen. Wir sind
gerade mal bei der zweiten Revolution angekommen, obwohl
viele sogenannte Experten und Medienvertreter behaupten, die
Herrschaft der Roboter sei nah.
Roboter können es noch nicht mit Menschen aufnehmen?
Wir sind noch sehr weit von einer menschlichen Leistungsfähig-
keit der Roboter entfernt und hypen gerade die künstliche Intel-
ligenz. Dabei benötigen Roboter eine physikalische Intelligenz,
die es ihnen ermöglicht, mit der Umwelt zu interagieren und für
Menschen einen Mehrwert im Alltag zu schaffen. Roboter und ihre
Rechenhirne können heute jeden Schachgroßmeister schlagen,
aber ein Schachspiel aufbauen, können sie nicht.
Ihre Branche steht unter einem hohen Innovationsdruck.
Wie schaffen Sie es, innovativ genug zu sein?
Gute Lösungen entstehen im Team. Das Team ist dabei längst
nicht mehr ein aus disziplinarisch-organisatorischen Gründen
erforderliches Konstrukt, sondern ein flexibles Instrument, um
projekt-, produkt- oder technologieorientiert zusammenzuarbei-
ten. Gerade an der Grenze zwischen Technologiefeldern wie
Mechatronik und Kognition entstehen die Innovationen, die
wir für Produkte und Lösungen von morgen benötigen. Teams
ergeben sich in der Forschung jenseits von Firmenstrukturen.
Wir bauen auf firmenübergreifende Zusammenarbeit entlang
der Wertschöpfungskette – von der Forschung über den Techno-
logielieferanten bis zum Systemintegrator und Endanwender.
Wir sind offen für Input von allen Seiten, insbesondere auch
von außen.
Inwiefern unterscheidet sich diese Herangehensweise in der
Konzernforschung von der Produktentwicklung?
In der Produktentwicklung organisieren wir uns natürlich
auch in Teams, entwickeln aber viel stärker prozessorientiert.
Entwicklungen bedürfen formaler Anforderungs- und Realisie-
rungsspezifikationen und müssen auch stärker dokumentiert
und getestet werden als in der Konzernforschung. In der Pro-
duktentwicklung arbeiten wir schon lange agil. Während sich in
der Softwareentwicklung zunehmend Scrum etabliert, adaptie-
ren wir agile Methoden für die Entwicklung von Mechanik. Sie
lässt sich immer noch nicht so schnell ändern und anpassen wie
Software, auch wenn Simulation und 3D-Druck hier Geschwin-
digkeit hineinbringen. In der Mechanikentwicklung gehen wir
phasenorientiert vor und arbeiten in interdisziplinären Teams,
die sich je nach Phase anders zusammensetzen. Bei all der Agili-
tät in der Entwicklung darf man die Gesamtarchitektur nicht ver-
gessen. Auch diese lässt sich mit Scrum entwickeln. Allerdings
braucht man jemanden, der am Ende ein besonderes Augenmerk
darauf hat, dass all die Ergebnisse der vielen agil arbeitenden
Entwickler zusammenfließen und zusammenpassen.
In der Produktentwicklung arbeiten Sie also in zwei verschie-
denen Geschwindigkeiten und unterschiedlich stark agil?
Ja, denn die Architektur entsteht über viele Monate oder sogar
Jahre, während einzelne Features in einem oder wenigen Sprints
entwickelt werden können. Bei einer agilen Entwicklung kann
die Gefahr bestehen, dass man immer nur auf den nächsten
Sprint guckt und das, was man in drei Wochen fertig haben muss.
Wir haben viele erfahrene Architekten, die dafür Sorge tragen,
dass einzelne Entwickler keine Entscheidungen treffen, die sich
negativ auf die Grundfunktionen des Gesamtsystems auswirken.
Zum Beispiel dann, wenn es um Strukturen, Schnittstellen oder
Sicherheit geht. Das funktioniert nicht allein mit agilen Me-
thoden. Gerade wenn Mensch und Roboter zusammenarbeiten
sollen, müssen wir in der Entwicklung sicherstellen, dass dem
Menschen nichts passieren kann.
Ob Teamwork oder agiles Arbeiten mit Scrum – dabei kön-
nenMitarbeiter in der Regel starkmitentschieden. Brauchen
Sie da noch Führung?
Wir können auf keinen Fall auf Führung verzichten. Viele
Mitarbeiter wollen wissen, was sie zu tun haben und nicht völlig
freischwebend sein. Führung gibt Guidelines vor, die Richtung,
in die wir unser Unternehmen ausrichten und welche Produkte
wir benötigen. Bei der Entwicklung von Produktfeatures und
neuen Technologiefeldern können Entwickler selbst entschei-
den, welchen Weg sie zum Ziel verfolgen wollen, zum Beispiel
welche Algorithmen und Verfahren dafür besonders geeignet
sind. Der Freiraum in der Konzernforschung ist hier sicher
Dr. Rainer Bischoff ist Vizepräsident des europäischen Robotik-
verbandes Eurobotics AISBL und Leiter der Kuka-Konzernfor-
schung. Kuka ist ein international tätiger Automatisierungskon-
zern mit einem Umsatz von rund 3,5 Milliarden Euro und etwa
14.200 Mitarbeitern. Als einer der weltweit führenden Anbieter
von intelligenten Automatisierungslösungen bietet Kuka den
Kunden alles aus einer Hand, von der Komponente über die Zelle
bis hin zur vollautomatisierten Anlage – für die Automobil-, die
Elektronik-, die Konsumgüter- und die Metallindustrie sowie für
die Logistik, E-Commerce, die Gesundheitswirtschaft und die
Servicerobotik. Hauptsitz des Konzerns ist Augsburg.
personalmagazin 09.18
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Strategie & Führung