Schwerpunkt
personalmagazin 09.18
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überschneiden. Wenn Mitarbeiter etwas machen, was sie wirklich
im Ernst wollen, anstatt die Dinge mit einer gewissen Lässigkeit
und Müdigkeit zu tun, liegt es doch auf der Hand, dass sie ein
höheres Niveau mit einer größeren Intensität erreichen. Das ist
besser für den Betrieb und für die Menschen – und somit ein
Fortschritt für alle.
Die Aneignung von NewWork lässt sich also aus Ihrer Sicht
nicht so schwarz-weiß malen...
Es gibt natürlich Unternehmen, die die Idee ausnützen und als
Marketing-Trick verstehen – aber immer weniger. Das setzt sich
nicht durch, im Gegenteil. Es ist nicht verwunderlich, sondern
eigentlich beinahe zu banal, dass New Work besser für den Be-
trieb ist als Arbeit unter Zwang, bei der irgendein Vorgesetzter
den Mitarbeitern Dinge vorschreibt. Viele kluge Unternehmer
wehren sich zunächst gegen diesen einfachen Gedanken. Aber
Könnten Siemal ein Beispiel geben, wie Sie an dieses Heraus-
kriegen herangehen?
Das Ganze passiert in vielen kleinen Schritten. Die Leute mit
großen Kulleraugen anzuschauen und zu fragen, was man wirk-
lich, wirklich will, bewirkt gar nichts. Nur eine peinliche Stille.
Wir sagen oft: „Nimm die letzte Woche und versuche dich hart-
näckig zu fragen, ob da irgendetwas in diesen Tagen war, das
dir eine unerwartete Freude bereitet hat.“ Manchmal gelingt
das. Einmal kam eine Frau zu uns ins Zentrum für Neue Arbeit,
die blass und schüchtern war. Sie hat sinngemäß gesagt: „Ich
bin eine Maus. Ich will etwas ganz Kleines und Bescheidenes
machen.“ Zu meiner Überraschung meinte sie eines Tages, dass
sie eine große Freude empfand, als sie einem Taxifahrer laut
schreiend die Meinung sagte. Das war ein großer Schritt, weil sie
erkannt hatte, sie ist keine Maus, sondern sollte vielleicht eher
Managerin werden. Sie hat das von sich selbst gar nicht erwartet.
Das verdeutlicht dieses Schürfen, Graben, neu Ansetzen. New
Work heißt, dass man Arbeit ganz anders erleben und empfinden
kann als bisher und dass man sich auf diese grundsätzliche An-
dersartigkeit vorbereiten muss. Das ist ein radikal neues Denken.
Ärgern Sie sich nicht darüber, wenn Ihre Idee nun durch den
Kapitalismus verwässert wird?
Ich ärgere mich nicht nur ein bisschen, sondern ich ärgere
mich sehr, sehr tüchtig. Dafür habe ich schon fast ein geflügeltes
Wort geprägt: Lohnarbeit im Minirock. Für viele ist New Work
etwas, was die Arbeit ein bisschen reizvoller macht. Und das ist
absolut nicht genug. Aber andererseits gibt es heute viele Leute,
die sich mit der Neuen Arbeit befassen und ich bin auch ein nicht
unbescheidener Mensch. Es ist mir sympathisch, dass die Neue
Arbeit jetzt bekannt geworden ist – auch wenn sie sehr weit weg
ist von dem, was ich mir dabei gedacht habe.
Manche Unternehmen fördern Selbstverantwortung anstelle
von Fremdbestimmung in klassischen Hierarchien. Men-
schen sollen zumBeispiel selbst für Leistungs- und Lernziele
verantwortlich sein. Ist das NewWork?
Wenn Selbstverantwortung allein schon New Work sein soll,
dann ist es das nicht. Es braucht alles Mögliche und so wäre es
zu verwässert. Das ist nicht radikal genug.
Viele Unternehmen betonen eine hohe Flexibilität von Ar-
beitszeit und Arbeitsort, die Abkehr von Anreizsystemen
über Boni, Transparenz als Grundlage der Kommunikation
oder die Verbreitung der Mosaikkarriere. Diese einzelnen As-
pekte herauszupicken, genügt Ihnen also prinzipiell nicht?
Ja, das ist der springende Punkt. New Work kann ein Betrieb
nicht leicht über einzelne Dinge erreichen. Neue Arbeit ist nicht
nur mosaikhaft. Man kann nicht aus kleinen Stücken ein Arbeits-
leben zusammenkleistern. Da sehe ich immer noch die Gefahr,
dass Arbeit als eine milde Krankheit empfunden wird.
Unternehmen haben ja per se den Sinn, Profit zu machen.
Inwiefern ist aus Ihrer Sicht innerhalb dieser Logik Neue
Arbeit überhaupt möglich und inwiefern gibt es Platz für
die persönliche Entwicklung?
Das eine schließt das andere nicht aus! Ich habe sehr viele
unterschiedliche Unternehmen erlebt, in denen sich die Gedan-
ken vom wirklich Wollen absolut mit den Unternehmenszielen
„Es ist mir
sympathisch,
dass die Neue
Arbeit jetzt
bekannt ist –
auch wenn sie
weit weg ist
von dem, was
ich mir dabei
gedacht habe.“