New Work
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es ist nichts Merkwürdiges dabei. Ein Unternehmen „profitiert“
ebenso davon wie die Mitarbeiter – und ich benutze den Aus-
druck jetzt bewusst etwas zwiespältig. Denn es spielt eine große
Rolle, dass wir gemeinsam mit dem Betrieb an etwas Besserem
arbeiten.
Viele Unternehmen nähern sich New Work nicht, weil sie
dabei zuerst an den Menschen denken, sondern weil sie
merken, dass das die Organisation produktiver, innovati-
ver und agiler macht. Stört Sie das als Kapitalismuskritiker
nicht, dass die Unternehmen einen anderen Hintergedanken
haben und es ihnen nicht vorrangig um die Entfaltung des
Individuums geht?
Es freut mich sehr, wenn Menschen erkennen, dass in dem
Ganzen eine Kritik des Kapitalismus begraben liegt. Die meisten
Unternehmen versuchen – wie Sie das auch beschreiben – New
Work in einer Art und Weise einzubauen, wie sie die Dinge schon
immer gemacht haben. Im Grunde sind viele nicht bereit, ein-
schneidende Änderungen hineinzubringen.
Sie haben mehrfach betont, dass Sie die klassische Lohnar-
beit abschaffenmöchten undMenschen stattdessen Selbst-
versorgung und Hightech-Selfproviding betreiben sollten…
Es wird immer mehr Lohnarbeit wegfallen und meine Antwort
darauf ist, dass wir uns selber versorgen. Das ist ein wunder
Punkt bei New Work, weil das einfach in der Vorstellung in
Unternehmen fehlt. Oder können die Menschen dort alles selbst
machen, was sie brauchen? Das kommt selten vor. Aber das
wird immer wichtiger, weil wir zunehmend Technologien zur
Verfügung haben, mit denen wir das, was wir brauchen, selbst
herstellen können. Wir beschäftigen uns zu wenig mit Techno-
logie. Das war das, was ich mit Hightech-Selfproviding meinte
und was ich heute lieber als neues Bauerntum bezeichne.
Man könnte also sagen, dass Ihnen die Lohnarbeit gar nicht
so unsympathisch ist. Vielmehr versuchen Sie vor allem,
die Lohnarbeit, die sowieso über kurz oder lang wegfällt,
zu ersetzen?
Beides. Die Lohnarbeit ist mir unsympathisch in dem Sinn,
dass sie abhängig macht und einen von Selbstständigkeit weg-
führt. Das ist eine Art Nachgeben, eine Zähmung. Was die Lohn-
arbeit aus Menschen macht, kommt mir schrecklich vor. Das
gängige Jobsystem, in dem wir nur für den Lohn arbeiten, führt
dazu, dass Menschen verkümmern. Sie bringt die Armut der
Begierde hervor: Bei Menschen wird abgetötet, was sie wirklich,
wirklich wollen.
Es gibt Menschen, die sagen, sie wollen nur Geld verdienen
und den Sinn ihres Lebens in der Freizeit suchen. Ist die
Neue Arbeit für wirklich jeden etwas?
Dieses Bedürfnis der Selbstentfaltung ist oft viel kräftiger da,
als man sich das vorstellt. Vielleicht will das nicht jeder. Aber
es liegt schon sehr vielen Menschen daran, sich ernst zu fragen,
was sie auf dieser Erde machen möchten. Ich habe jetzt die Worte
ein wenig geändert und damit etwas Religiöses angesprochen.
Und das ist nicht aus der Luft gegriffen. In vielen Erlebnissen
hat sich mir der Gedanke bewiesen.
Was ist dabei genau der Unterschied zur Selbstverwirkli-
chung?
Selbstverwirklichung ist ein Gefühl von „das bin ich und das
werde ich versuchen zu realisieren“. Es ist ein Streben nach dem,
was ich schon bin. Das kommt mir nicht wie ein ernsthaftes
Suchen vor. Herauszukriegen, was ich wirklich, wirklich will, ist
eine sehr schwierige Aufgabe und bedarf großer Anstrengung.
Jeder sollte sich dabei täglich oder zumindest sehr oft hinter-
fragen. Die Antwort ist immer anders.