personalmagazin 9/2018 - page 36

Schwerpunkt
personalmagazin 09.18
36
Foto: Robyn Twomey/Redux/laif
These 2: Autoritäre Führung
führt zu Unzufriedenheit bei
den Mitarbeitern.
Die Unterteilung in autoritäre und demokratische Führung geht
auf Kurt Lewin zurück und wird in dieser Form in der modernen
Führungsforschung nur noch selten verwendet. Die Metaanalyse
von Rob Foels und Kollegen aus dem Jahr 2000, die auf der Meta-
analyse von John Castil aus dem Jahr 1994 aufbaut, beinhaltet
deshalb auch viele ältere Studien. Intuitiv erscheint es nahezu
selbstverständlich, dass demokratische Führung im Vergleich
zur autoritären zu einer höheren Arbeitszufriedenheit beiträgt.
Tatsächlich lässt sich dieser Effekt auch nachweisen, er ist aber
erstaunlich gering: Im Durchschnitt wirkt autoritäre Führung
nur schwach negativ auf die Zufriedenheit (Korrelation von
r=-0,14). Zudem zeigt sich eine große Spannbreite der Ergebnisse
in den Einzelstudien, wobei die dort durchgeführten weiter-
gehenden Untersuchungen allerdings nur wenige objektive An-
haltspunkte darüber liefern, welche Umfeldfaktoren für diese
Unterschiede verantwortlich sind. Mit der Gruppengröße steigt
die Unzufriedenheit mit autoritärer Führung, während der Ein-
fluss des Geschlechts der Teammitglieder auf die Unzufrieden-
heit mit autoritärer Führung komplexer zu sein scheint. Einen
Eindruck über die aktuelle Einschätzung der Führungsstile
liefert das „Agilitätsbarometer 2017“, das auf repräsentativen An-
gaben von etwa 1.800 Beschäftigten im deutschsprachigen Raum
basiert. Auf einer Skala von eins bis fünf erzielt der demokrati-
sche Führungsstil des direkten Vorgesetzten einen Zufrieden-
heitswert von 3,8 und der autoritäre einen Wert von 3,1. Im Detail
ergibt sich der Wert von 3,1 durch 28 Prozent (sehr) Unzufriedene,
32 Prozent antworten mit „teils/teils“ und 39 Prozent sind mit
einer autoritären Führung zufrieden oder sehr zufrieden.
These 2 ist tendenziell korrekt.
These 3: Mitarbeiter
lassen sich durch Boni
nicht motivieren.
Der Produktivitätseffekt von Anreizlöhnen und Bonuszahlungen
lässt sich am besten experimentell untersuchen. Wegweisend für
die Personalforschung ist eine Studie in der US-Automobilzulie-
ferindustrie aus den 1990er-Jahren. Die Beschäftigten erhielten
statt des bislang üblichen fixen Gehalts eine am individuellen
Output orientierte Vergütung. Die Produktivität stieg daraufhin
bei gleichbleibender Qualität um 44 Prozent, wobei sich diese
Steigerung sowohl auf einen Motivationseffekt als auch auf einen
Selektionseffekt zurückführen lässt: Produktivere Beschäftigte
wählten dieses Unternehmen, weniger produktive verließen das
Unternehmen. In jüngerer Vergangenheit entschied sich eine
Bäckereikette zur Untersuchung der Effekte von Teamboni auf
den Umsatz unter wissenschaftlicher Begleitung. In Filialen mit
Teambonus konnte der Umsatz gesteigert werden.
Der durchschnittlich positive Produktivitätseffekt von Bo-
nuszahlungen ist jenseits dieser Einzelbefunde auch metaana-
lytisch abgesichert. Die Stärke der Wirkung ist dabei abhängig
von den Einstellungen der Beschäftigten, der Ausgestaltung
des Vergütungsprogramms und der Art der Tätigkeit. Häufig
wird im Zusammenhang mit Boni auf „Crowding out“-Effekte,
das heißt die Verdrängung der intrinsischen Motivation durch
finanzielle Anreize, und die entsprechenden empirischen Be-
funde aus der Psychologie hingewiesen. Diese stammen jedoch
überwiegend aus nichtökonomischen Zusammenhängen und
sind nicht einfach auf reale Beschäftigungsverhältnisse über-
tragbar beziehungsweise lassen sich in der betrieblichen Realität
leicht vermeiden. Der hochgradig intrinsisch motivierte und
autonom arbeitende Mitarbeiter, der durch Bonuszahlungen
und die damit einhergehende kleinteilige Überwachung durch
Vorgesetzte korrumpiert wird, ist ein Zerrbild realer Beschäfti-
gungsverhältnisse. Neuere Untersuchungen zeigen zudem, dass
extrinsische und intrinsische Motivationsmaßnahmen keine
Gegensätze sind. Vielmehr sollten in einem integrierten Ansatz
die Vorteile beider Ansätze situationsspezifisch genutzt werden.
These 3 ist falsch.
Sie wollen es genauer wissen?
In der Personalmagazin-App finden
Sie die grundlegende Literatur zu
den einzelnen angeführten Thesen.
Richtig und wichtig – oder
ab in den Müll? Nur drei
der sechs untersuchten
New-Work-Thesen können
der wissenschaftlichen
Überprüfung standhalten.
1...,26,27,28,29,30,31,32,33,34,35 37,38,39,40,41,42,43,44,45,46,...108
Powered by FlippingBook