personalmagazin 9/2018 - page 29

New Work
29
insbesondere folgende Faktoren einen großen Einfluss auf den
Sinngehalt der Arbeit ausüben: Je eher die Tätigkeit indivi-
duelle Entwicklungsperspektiven eröffnet und je positiver die
Beziehungen zu Kollegen und Vorgesetzten sowie die Gestal-
tungsmöglichkeiten eingeschätzt werden, umso höher ist der
Sinngehalt der Arbeit.
Betriebswirtschaftliche Effekte
sinnvoller Arbeit sind durchaus messbar
Jenseits der dargestellten Verbindungen zwischen Arbeitsplatz-
ausgestaltung und dem subjektiv empfundenen Sinngehalt der
Arbeit hat sinnvolle Arbeit positive Auswirkungen auf betriebs-
wirtschaftliche Erfolgsgrößen. Empirische Studien, die auf Be-
fragungen basieren, zeigen unter anderem einen klaren Zusam-
menhang zwischen Sinnempfinden und Engagement. Mithilfe
der Daten aus dem DGB-Index „Gute Arbeit“ lässt sich zeigen,
dass ein positives Sinnempfinden mit einer Senkung der Kündi-
gungsneigung verbunden ist. Querschnittsdaten erlauben in der
Regel jedoch keine Aussagen über Ursache-Wirkungsbeziehun-
gen. Zuletzt konnten jedoch zahlreiche Experimente belegen,
dass Sinnempfinden auch kausal positiv auf die Produktivität
wirkt. Dabei erhalten Probanden in Feld- oder Laborsituationen
Informationen über die Wirkung ihrer Arbeit. Zum Beispiel
finden Adam M. Grant mit Kollegen bei der Untersuchung von
Mitarbeitern im Fundraising einen großen Produktivitätssprung,
wenn diese mit Begünstigten in direkten Kontakt kommen.
Umgekehrt zeigen andere Experimente eine nachhaltige Pro-
duktivitätssenkung, wenn Probanden mit der offensichtlichen
Sinnlosigkeit ihrer Arbeit konfrontiert werden, beispielsweise
wenn ihre Ergebnisse nicht weiterverwendet werden.
Vermutlich haben diese betriebswirtschaftlichen Effekte dazu
geführt, dass Unternehmen aktuell versuchen, Sinnangebote
unter ihren Arbeitnehmern zu verbreiten. Die Befunde zeigen,
dass daraus positive Effekte für Beschäftigte und Unternehmen
resultieren können. Da Beschäftigte offensichtlich für Sinnange-
bote empfänglich sind und mögliche Sinnkrisen mit negativen
individuellen Konsequenzen verbunden sein können, ergibt
sich allerdings eine hohe Verantwortung der Arbeitgeber. In
einzelnen Fällen ist die Tendenz zu beobachten, auch banale
Tätigkeiten bezüglich ihres gesamtgesellschaftlichen Beitrags
intellektuell zu überhöhen. Dies ist weder langfristig förderlich
noch notwendig. Konkrete Verbesserungen in den Bereichen
Zusammenarbeit, Führung und individuelle Entwicklungsmög-
lichkeiten sind ehrlicher, nachhaltiger und ebenso effektiv.
Der Sinngehalt der Arbeit ist
personalpolitisch gestaltbar
Subjektiv sinnvolle Arbeit ist nicht nur im Kontext der Huma-
nisierung der Arbeitswelt wünschenswert. Vielmehr zeigt die
empirische Personalforschung den positiven Effekt auf personal-
wirtschaftliche Ergebnisgrößen wie Engagement, Produktivität
und Mitarbeiterbindung. Das Empfinden sinnvoller oder sinn-
loser Arbeit wird tendenziell subjektiv konstruiert und hängt
weniger von den feststehenden Tätigkeitseigenschaften als von
der unternehmensspezifischen Ausgestaltung der Arbeit ab.
Insbesondere wenn die Arbeit Möglichkeiten zur individuellen
Entwicklung liefert und einen positiven sozialen Austausch mit
PROF. DR. HEIKO WECKMÜLLER hat seit
dem Sommersemester 2018 die Pro-
fessur „Human Resources“ am Rhein-
Ahr-Campus Remagen der Hochschule
Koblenz inne. Er hat Volkswirtschaft
sowie Philosophie studiert und im Fach
Betriebswirtschaftslehre promoviert. Zu-
dem besitzt er Erfahrungen sowohl aus
der Praxis der Unternehmensberatung
als auch aus der Personalarbeit in einem
Großunternehmen. Die Themen „New
Work“ und „Sinn der Arbeit“ gehören zu
seinen Forschungsschwerpunkten.
Kollegen ermöglicht, steigt der empfundene Sinngehalt der
Arbeit. Für Unternehmen ergibt sich daraus die Möglichkeit, das
Sinnempfinden aktiv zu fördern. Bedingung für ein gezieltes
Management ist, dass der Sinngehalt als eigene Kategorie akzep-
tiert und in Mitarbeiterbefragungen erfasst wird. Dass sich New
Worker den Sinn der Arbeit aktuell auf die Fahnen geschrieben
haben, hat also durchaus nicht nur individuelle, sondern auch
unternehmensweit positive Effekte. Oder anders gesagt: Den
Sinn der Arbeit zu unterstützen, ergibt durchaus Sinn.
Ein Bett am Arbeitsplatz? Das ist wohl
nur gewünscht, wenn Mitarbeiter ihre
Arbeit als sehr sinnstiftend empfinden.
1...,19,20,21,22,23,24,25,26,27,28 30,31,32,33,34,35,36,37,38,39,...108
Powered by FlippingBook