personalmagazin 9/2018 - page 21

New Work
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Mit Frithjof Bergmann fing alles an. Der US-amerikani-
sche Philosoph mit österreichischen Wurzeln gründete in
den 1980er-Jahren das erste „Zentrum für Neue Arbeit“. Als
grundlegende Werte der „Neuen Arbeit“ definierte Bergmann
Selbstständigkeit, Freiheit und Teilhabe an der Gemeinschaft.
Erwerbsarbeit solle stark verkürzt werden und in etwa zu glei-
chen Teilen mit smarter Selbstversorgung und „Arbeit, die man
wirklich, wirklich will“ die Teilhabe an der Gemeinschaft aus-
machen. Welche Arbeit den eigenen Wünschen, Hoffnungen
und Begabungen entspricht, sollten die Menschen gemeinsam
mit Mentoren in den „Zentren für neue Arbeit“ herausfinden
(siehe das exklusive Interview mit Bergmann in dieser Ausgabe).
New Work darf nicht auf Tools und
Prozesse reduziert werden
Seit seinen Anfängen entwickelt sich der New-Work-Begriff
laufend weiter und wird heute ganz unterschiedlich interpre-
tiert. Häufig werden moderne Arbeitsformen und Methoden wie
Scrum oder Design Thinking in den Mittelpunkt der Diskussion
gestellt – eine rein technische Sicht auf New Work, die der Psy-
chologe Markus Väth kritisiert: In erster Linie gehe es bei New
Work um eine kulturelle Revolution, die auf den drei Ebenen
Mensch, Organisation und Gesellschaft stattfinde. „Für mich
bedeutet New Work, dass man diese drei Ziele bearbeitet und
gleich gewichtet. Aber die heutige Situation sieht so aus: Den
Menschen hat man vergessen, die Gesellschaft auch und jetzt
stürzt man sich auf die Organisation“, so Väth. Sein Hauptkritik-
punkt lautet: „Wir diskutieren New Work momentan in einer Art
leicht verdaulicher Managementvariante.“
Als Beispiel nennt er das Thema Agilität, das weiterhin stark
promotet wird: „Teams sollen sich selbst organisieren, Organisa-
tionen sollen agiler werden. Aber die Unternehmen arbeiten nur
an Werkzeugen und Prozessen“, so Markus Väth. Die Einstellung
der Menschen sei dieselbe geblieben. Deshalb komme es immer
häufiger zu Burn-out-Fällen, weil die Menschen aus ihrer alten
Rolle geworfen werden und weil der individuelle Anspruch
steigt. „Das werfe ich der New-Work-Bewegung vor, sagt Väth.
„Sie reduziert alles auf Werkzeuge und Prozesse.“
Das Trendthema New Work hat sich zu einem Sammelsurium
verschiedener Interpretationen und Maßnahmen entwickelt,
die in manchen Unternehmen ohne Plan und Ziel eingeführt
werden und dann nicht zum gewünschten Erfolg führen. Aber
es gibt auch zahlreiche positive Errungenschaften. „New Work
hat erreicht, dass wir unsere unternehmerischen Entscheidungs-
systeme, die zum großen Teil noch aus der Zeit des Kaiserreichs
stammen, grundlegend hinterfragen und an vielen Stellen ge-
zwungen sind, sie auszutauschen“, sagt Sabine Kluge, die für das
Thema „Selbstorganisation in der Fertigung“ den Xing New Work
Award 2018 erhielt. Damals arbeitete sie bei Siemens, heute ist
sie geschäftsführende Gesellschafterin von Kluge Consulting.
Als positive Beispiele führt Sabine Kluge die Firmen auf, in
denen sich Menschen zusammenfinden, um ohne Auftrag, ohne
Budget und Erlaubnis ihr Unternehmen mitzugestalten. Bei Sie-
mens gebe es beispielsweise die Grains, ein interdisziplinäres,
selbstorganisiertes Team von Enthusiasten aus verschiedenen
Divisionen und Funktionen, die das Unternehmen jenseits der
Konzernstrategie weiterentwickeln wollen – mit Fokus auf den
Menschen, auf Zukunftsfähigkeit, Sinn und Sachorientierung.
Ähnlich selbstorganisiert arbeite bei BMW der Connected Cul-
ture Club, auch eine Bewegung aus Reihen der Mitarbeiter.
Darüber hinaus habe sich über die Dax-Konzerne hinweg eine
starke Bewegung formiert, bei der Menschen von- und miteinan-
der lernen, wie sie Bewegung ins eigene Unternehmen bringen.
„Siemens, Deutsche Bahn, DHL und viele weitere zusammen
in einem Raum. Das ist fantastisch und eine unglaublich starke
Aufbruchstimmung“, sagt sie.
New Work ist kein Selbstzweck
Ähnlich sind die Wahrnehmungen von Sven Franke, Preisträger
des New Work Awards 2017: „Die ersten Erfolge der Debatte sehe
ich darin, dass in den Unternehmen ein Veränderungsbewusst-
sein entstanden ist und sich immer mehr Firmen tatsächlich
auf den Weg der Veränderung begeben. Aber ich möchte nicht
unterschlagen, dass auch weitere Aspekte wie Digitalisierung
und Kundenerwartungen darauf einzahlen“, sagt der geschäfts-
führende Gesellschafter der Unternehmensbegleitung CO:X.
Mit seinen Filmen „Augenhöhe“ und „Augenhöhe-Wege“ hat
er in über 500 Dialog-Veranstaltungen Inspirationen für den
Wandel gegeben. Dieser sei mittlerweile an vielen Stellen sicht-
bar. So gebe es immer mehr Netzwerke, die sich intensiv mit
der Thematik beschäftigen. Auch den Tarifabschluss der Deut-
schen Bahn mit dem individuellen Wahlrecht der Mitarbeiter
Was wollen New Worker erreichen und was haben
sie bisher erreicht? Wie kommt New Work außerhalb
der Start-up-Szene überhaupt an? Und was können
Konzernlenker mit den New-Work-Überzeugungen
anfangen? Eine Zwischenbilanz.
Von Daniela Furkel
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