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06/18 personalmagazin
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Vielmehr ist ein undurchschaubares
System von allgemeinverbindlichen
Mindestlohn-Tarifverträgen zu be
achten. Anders als beim gesetzlichen
Mindestlohn kann es beim tariflichen
in vielerlei Hinsicht Überraschungen
geben, welcher Eurobetrag tatsächlich
zu zahlen ist. Praktiker wünschen sich
daher eine amtliche Datenbank, die bei
entsprechender Anmeldung idealerwei
se über Veränderungen in der Mindest
lohnhöhe per E-Mail informiert.
Praxisproblem 2: Der Phantomlohn
als eigentliche Kontrollinstanz
Mindestlohnverstöße werden bei ent
sprechenden Kontrollen durch die Zoll
behörden sanktioniert und können er
hebliche Bußgeldzahlungen zur Folge
haben. Diese Rechtsfolge dürfte nicht
wirklich zu kritisieren sein – gerade im
Hinblick darauf, dass nur ein vorsätz
licher Verstoß eine solche Bestrafung
auslöst. Was geschieht jedoch bei einer
„nur“ fahrlässigen Fehleinschätzung,
einem Verstoß gegen das Mindestlohn
gesetz also, bei dem auch ein penibler
Zollbeamte einräumen muss, dass die
ser „mal passieren“ kann? Schließlich
sind die Beispiele zahlreich, bei denen
man sich über die Frage eines Mindest
lohnverstoßes trefflich streiten kann,
angefangen bei der Frage, welche Lohn
bestandteile anzurechnen sind über
Probleme von mindestlohnfreien Prakti
Als arbeitsrechtliches Gesetz sollte eigentlich das BAG die letzte Instanz für Antwor-
ten auf entsprechende rechtliche Auslegungsfragen des Mindestlohngesetzes sein.
Praktisch spielt jedoch die Sozialversicherung eine zentrale Rolle. Ein Bereich, der
jedoch auch andere Lösungen als das Arbeitsrecht bieten kann.
Während der der Laufzeit des Mindestlohngesetzes hat sich eine Fülle an Detailfragen
angesammelt. Wenn zu deren Beantwortung auf die mittlerweile reichhaltige Recht-
sprechung der Arbeitsgerichte zurückgegriffen wird, ist dies akademisch gesehen sicher-
lich der richtige Weg. Als arbeitsrechtliches Gesetz gilt auch beim Mindestlohngesetz
letztendlich das, was mit der Meinung des Bundesarbeitsgerichts am besten in Einklang
zu bringen ist. Im Streit mit dem Arbeitnehmer um Mindestlohnprobleme führen also
Verweise auf die BAG-Rechtsprechung nicht selten zum vorzeitigen Streitende. Anders
liegt der Fall beim Betriebsprüfer der Sozialversicherung: Im Regelfall gibt dieser nur
selten eine einmal gefasste Rechtsauffassung auf. Ein Vorlegen von aktuellen arbeitsge-
richtlichen Entscheidungen bringt ihn also selten von der Absicht ab, für angeblich nicht
eingehaltene Mindestlohnzahlungen einen Phantomlohn anzusetzen.
Gleichwohl bestehen im Bereich der Sozialversicherung – im Vergleich zum Arbeitsrecht
– ungleich bessere Chancen, Fehler zu vermeiden. Der Grund hierfür ist vielfach unbe-
kannt, obwohl er von Gerichten immer wieder auf einem Silbertablett serviert wird,
wie beispielsweise in einer Mindestlohnentscheidung des LSG München (Beschluss vom
14.11.2017, Az. L 7 R 5146/17 B ER). Hier weisen die Sozialrichter auf die Möglichkeit
hin, eine Rechtsmeinung durch vorherige Auskunft bei der Einzugsstelle prüfen zu las-
sen und stellen lapidar fest: „Soweit der Beschwerdeführer eine andere Rechtsmeinung
hierzu vertreten wollte, hätte er nach § 28h Abs. 2 SGB IV eine verbindliche Auskunft
der zuständigen Einzugsstelle einholen müssen“
Anders als im Arbeitsrecht ist es also im Bereich der Sozialversicherung möglich, unklare
Rechtsfragen vorab zu klären. Bleibt die Frage: Warum machen Unternehmen nicht häu-
figer davon Gebrauch, eine unsichere Mindestlohnfrage außerhalb einer angespannten
Betriebsprüfungssituation von der zuständigen Einzugsstelle vorab klären zu lassen?
Das Phantomlohnrisiko ausschalten
SOZIALVERSICHERUNG
Lohnuntergrenze in
der Elektroindustrie:
Betriebe müssen dabei
beachten, dass ein
allgemeinverbindlicher
Mindestlohn-Tarifver-
trag besteht.
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