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03/18 personalmagazin
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
Tandems treten daher kohärent, offen,
selbst- und verantwortungsbewusst auf.
Sie agieren für ihr Umfeld als „eine Per-
son“. Ganz praktisch bedeutet das: Egal
ob Kunden, Vorgesetzte oder eigene Mit-
arbeiter – im Fokus steht die Anforderung
an die Stelle. An welchen Tandempartner
sie gerichtet wird, darf keinen Unter-
schied machen.
Das weiß auch das erfolgreiche Topsha-
ring-Tandem Birgit Schmidt und Andrea
Morgan-Schönwetter der deutschen Tele-
kom zu berichten. In unserem Blog er-
klärte Andrea: „[Unser Chef] fragte uns
zum Beispiel: Wen von euch soll ich denn
jetzt anrufen? Unsere Antwort: ‚Egal!‘“
Ein hoher Anspruch an ein Tandem, bei
dem zwei Qualifikationen essenziell sind:
eine klare, gemeinsame Haltung und
gelebtes Lean Management. Letzteres
bedeutet beispielsweise sauberes Repor-
ting von Kunden-, Mitarbeiter- und Vorge-
setztengesprächen ebenso wie schlankes
und effizientes Aufgabenmanagement
statt fünf verschiedener To-do-Listen an
fünf verschiedenen Ablageorten. Hier
unterstützen verschiedene digitale Tools,
die durch Jobsharing Nutzungsrelevanz
gewinnen und so digitale Workflows
nachhaltig zum Leben erwecken. Ebenso
wichtig sind gemeinsame, messbare und
transparente Ziele, anstatt nur mal vor
sich hin zu probieren.
Das Modell Jobsharing erweckt also
Arbeitsweisen zum Leben, die sich jedes
moderneUnternehmenvon seinenMitar-
beitern wünscht, die aber in der Realität
selten sind – schlichtweg, weil im gän-
gigen Ein-Personen-Vollzeitmodell der
konkrete Anreiz und gefühlte Mehrwert
einer konsequenten Aufgabentranspa-
renz im operativen Tagesgeschäft fehlt.
Um auf dieses hohe Leistungsniveau
zu kommen, benötigt ein Tandem im
Schnitt vier bis sechs Monate. Innerhalb
dieses Zeitraums sind permanente Feed-
back-Schleifen, ehrliche Reflexionsräu-
me und eine proaktive Fehlerkultur bei
den Tandempartnern und ihrem Umfeld
essenziell. Verkürzt und sichergestellt
werden kann diese Entwicklung durch
ein professionelles Tandemcoaching, an
dem auch die Führungskraft und das
Team des Tandems teilnehmen.
Kosten von Jobsharing
Wer Jobsharing einführen will, stößt
früher oder später auf diesen Einwand:
„Aber die Kosten!“ Und dieser Einwand
kommt zu Recht. Wer behauptet, solche
Mehrwerte ließen sich quasi zum Nullta-
rif generieren, redet unnötig schön. Und
auch das schadet dem Modell. Vielmehr
muss die Notwendigkeit einer Investi-
tionsberechnung in der Planungsphase
rechtzeitig adressiert werden. Harte Da-
ten wie weniger Ausfallzeiten, weiche Da-
ten wie kreative Kooperation und solche,
die je nach Informationsstand qualitativ
oder quantitativ eingeordnet werden,
wie Wissenserhalt oder Employer-Bran-
ding-Effekte, sollten in eine vernünftige
Kosten-Nutzen-Berechnung einbezogen
und so genau wie möglich taxiert wer-
den. Gegengerechnet werden die höhe-
ren Personalkosten, die je nach Modell
zwischen fünf und etwa 25 Prozent lie-
gen können. Da das Modell derzeit noch
zu punktuell eingesetzt wird, gibt es bis
dato keine wissenschaftlichen Daten zur
Leistungs- oder sogar Umsatzsteigerung
in Bereichen, in denen Jobsharing ein-
gesetzt wird, jedoch Erfahrungsberichte,
die in eben diese Richtung deuten.
Die häufige Annahme, dass durch
Reibungsverluste sogar Nachteile ent-
stehen, wird in einer aktuellen Studie
von Inken Tönnies klar widerlegt: Diese
Annahme ist vor allem in Unternehmen
vertreten, die keine Erfahrung mit Job-
sharing haben. Gegenteilig äußern sich
Unternehmen, bei denen das anders ist.
Eine von der Telekom in der Zeitschrift
„Wirtschaftspsychologie aktuell“ dar-
gestellte Berechnung lässt sich unserer
Erfahrung nach jedoch auf viele Unter-
nehmen übertragen: Eine 130-Prozent-
Full-Time-Equivalent-Stelle rechnet sich
zumeist; bei Topsharing sind sogar 140
Prozent darstellbar – oder eben mehr.
Abschließend kommt oft die Fra-
ge nach doppelten Benefits, wie zum
Beispiel einem Firmenwagen. Unsere
Antwort hierauf fällt eindeutig und
simpel aus: Auf den Verhandlungstisch
damit! Uns ist kein Tandem bekannt,
das an dieser oder einer ähnlichen Fra-
ge gescheitert wäre. Denn natürlich ist
Jobsharing keine Einbahnstraße. Auch
interessierte Mitarbeiter sollten bei die-
sen Fragen Verhandlungsbereitschaft
und eigene Ideen mit an den Tisch
bringen. Das ist schließlich ein erster
Indikator dafür, dass sie sich mit dem
Modell wirklich auseinandergesetzt
haben.
Mut zum Jobsharing
Zurück zur Anfangsübung: Sehen Sie Job-
sharing jetzt aus einer anderen Perspek-
tive? Aber erahnen Sie die Hindernisse
bereits? Nur Mut – probieren, praktizie-
ren, pilotieren Sie. Das bedarf übrigens
auch keiner Software-Lösung. Wie Lena
Hipp vom Wissenschaftszentrum Ber-
lin uns kürzlich bestätigte: „[Es ist] viel
Überzeugungsarbeit nötig. Funktionale
Arbeitsteilung ist ja eigentlich nichts
Neues, darauf kann man innerhalb von
Unternehmen auch gut aufbauen. Jobsha-
ring ist dann einfach der nächste Schritt.“
Egal, für welche Modelle oder Modell-
kombinationen Sie sich entscheiden,
eines bleibt allen gemeinsam: Immer
kommt im Jobsharing ein Wissenstrans-
fer „on the job“ zustande. Immer ist die
Stelle auch bei Urlaub, Krankheit oder
Kündigung eines Tandempartners vali-
der abgedeckt als bei einer Vollzeitstel-
le. Und immer tun Sie Ihrem Employer
Branding etwas Gutes. Und, „last but not
least“: Ihren Mitarbeitern.
YANNIC FRANKEN
ist
Geschäftsführer, Schwerpunkt
Business Strategy, bei The
Jobsharing Hub.
SVENJA CHRISTEN
ist
Geschäftsführerin, Schwer-
punkt HR Strategy, bei The
Jobsharing Hub.
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