personalmagazin 3/2018 - page 38

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ORGANISATION
_ JOBSHARING
personalmagazin 03/18
B
eginnen Sie diesen Artikel
doch bitte mit einer kurzen
Übung: Gehen Sie im Geiste
Ihre ersten Assoziationen zum
Thema Jobsharing durch. Unter welchem
übergeordneten Thema verbuchen Sie
das Arbeitsmodell? Und wie sieht ein
typisches Tandem für Sie aus?
Wenn Ihre erste Assoziation Work-Life-
Balance, Frauenförderung oder Familien-
freundlichkeit ist und Ihr imaginiertes
Tandem aus zwei berufstätigen Müttern
besteht, geht es Ihnen wie den meisten.
Und sie ist auch mitnichten falsch. Nach
unserer eigenen Erfahrung mit Jobsha-
ring im Konzern und im Start-up und
der nachfolgenden Gründung unserer
Jobsharing-Beratung ziehen wir hierzu
jedoch ein klares Fazit: Genau diese Per-
spektive schadet dem Modell oft mehr.
Denn so wird Jobsharing leider schnell
als ein nettes HR-Teilzeit-Goodie ver-
bucht – statt es als businessorientiertes,
strategisches Instrument anzuerkennen.
Jobsharing ist bisher Insellösung
Tatsächlich ist unverkennbar, dass der
Bedarf an Jobsharing für Teilzeit arbei-
tende Mütter dringlich besteht und ge-
sehen werden muss. Startet das Thema
Jobsharing jedoch unter der Überschrift
„Frauenförderung“, wird es schnell zu
einem „Mutti-Modell“ degradiert und
trägt damit automatisch zu einer Re­
plizierung bestehender Rollenklischees
bei. Ein Startpunkt, der es für das Busi-
ness, also in persona das oft männliche
Management, nicht sonderlich akut
Von
Svenja Christen
und
Yannic Franken
oder attraktiv erscheinen lässt. Einzige,
aber seltene Ausnahme: Eine geschätz-
te Mitarbeiterin verlässt ansonsten das
Schiff und plädiert mit Nachdruck und
komplett eigeninitiativ für das Modell.
Und so entsteht genau das, was die
Unternehmenslandschaft in puncto
Jobsharing aktuell überwiegend abbil-
det: einzelne Inseltandems – fast aus-
schließlich besetzt und durchgesetzt
von proaktiven Mitarbeiterinnen. An
dieser Stelle ein ausdrückliches Lob an
das Engagement jener Frauen. Sie be-
weisen Mut, Biss und eine großartige
Lösungsorientierung. Strategisch gese-
hen macht dieser Startpunkt das Modell
jedoch automatsch weniger attraktiv für
Männer und andere Zielgruppen, die
zwar ihre Arbeitszeit reduzieren wollen,
für die die Assoziation „Jobsharing als
Sonderlocke für berufstätige Mütter“ je-
doch eine umso größere kulturelle Hür-
de darstellt.
Einige unbeachtete Zielgruppen
Doch der Bedarf, auch bei Männern, be-
steht. Und Absolventen und Talenten der
Generation Y sind fachliche Vielfalt, zum
Beispiel durch reduzierte, aber unter-
schiedliche Jobs, und eine ausgewogene
Work-Life-Balance häufig wichtiger als
eine hohe Vergütung, zeigt die Absolven-
tenstudie aus dem Jahr 2017 des Kien-
baum Institut @ ISM für Leadership &
Transformation. Hinzu kommen der Top-
manager, der seine kranke Mutter pflegt,
der Fachexperte, der sich gerne ehren-
amtlich engagieren möchte, oder die Pro-
jektmanagerin, die gerne mehr Zeit hät-
te, um ihr Golf-Handicap zu verbessern.
Sie alle haben eines gemeinsam: Sie
sind extrem gut qualifiziert und haben
Lust auf berufliche Verantwortung – aber
nicht in Vollzeit. Die Zielgruppe für Job-
sharing ist also groß, aber bislang noch
unerschlossen. Das liegt weniger amMo-
dell als mehr an der allgemeinen Wahr-
nehmung, wem so ein Modell überhaupt
zusteht, wie Professor Jutta Rump vom
Institut für Beschäftigung und Employa-
bility der Hochschule Ludwigshafen in
einem Interview für unseren Blog sagt:
„Wir sollten das Bedürfnis von Mitarbei-
tern, zeitlich flexibel zu sein, eigentlich
frei bewerten. Das fällt aber schwer.“
Von den „Business Needs“ ausgehen
Sollten die Themen Frauenförderung,
Familienfreundlichkeit oder Work-Life-
Balance beim Thema Jobsharing also gar
keine Rolle spielen? Doch, absolut – aber
als Nebeneffekt statt als Startpunkt, vor
allem, wenn das Business noch nicht
überzeugt ist und der kulturelle Unter-
bau wackelt. Richten Sie den Blickwin-
kel auf den Bedarf des Business, damit
Jobsharing zu einem ernsthaften stra-
tegischen Instrument mit messbaren
unternehmensrelevanten Mehrwerten
wird. Nehmen Sie also zuerst Ihre aktu-
ellen Stellen und deren perspektivische
Entwicklung unter die Lupe:
Welche Schlüsselpositionen sind
schwer zu besetzen und treiben die
Recruiting-Kosten in die Höhe?
Wo besteht eine hohe Fluktuation
oder/und Krankheitsquote?
Welche Stellen benötigen eine beson-
ders sichere Abdeckung, weil ein Aus-
fall zu hohen Verlusten führt?
Der Trend zum Teilen – im Job
PRAXIS.
Die einen halten Jobsharing für ein überhyptes New-Work-Thema, die ande-
ren für ein Mutti-Modell. Dabei kann man es als handfestes HR-Instrument einsetzen.
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