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ORGANISATION
_ JOBSHARING
personalmagazin 03/18
stellation nicht nur Sinn, wenn zwei
qualifizierte MitarbeiterInnen reduziert
arbeiten wollen, sondern auch, wenn
sich die Position selbst verändert hat,
zum Beispiel hin zu einer größeren Füh-
rungsspanne oder erweiterter inhaltli-
cher Verantwortung.
Im Falle einer Führungsposition heißt
die Lösung häufig noch: Ein wachsender
Bereich wird aufgeteilt in zwei Unterbe-
reiche mit jeweils einer Führungskraft.
Damit wäre ein neues Silo geschaffen –
und das Teamwomöglich zerrissen. Unter
der Überschrift „Agile Leadership“ begin-
nen daher erste Unternehmen, auch mit
Vollzeit-Topsharing-Varianten zu experi-
mentieren. Wie zum Beispiel der Bereich
Software-Entwicklung in der Konzern-IT
bei Volkswagen. Mit vielversprechenden
ersten Erfahrungen, wie dessen Leiter
Frank Loydl uns in einem Interview für
unseren Blog berichtete: „Das sieht erst
mal nach Luxus oder Verschwendung
aus, ermöglicht uns in der Realität aber
dramatisch mehr Flexibilität und Leis­
tungsfähigkeit.“ Die Leitungsteams, die
Jobsharing in Vollzeit anwendeten, seien
extrem schnell und könnten gefühlt an
zwei Orten gleichzeitig sein.
Jobsharing über die klassische Auftei-
lung 50/50 oder 60/60 hinaus ist also vor
allem mit Blick auf Stellen interessant,
deren Anforderungen sich stark diver-
sifiziert oder im Volumen erhöht haben.
So entsteht eine Win-win-Situation für
Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Und das
aus gleich zwei Gründen: Erstens wird
der entsprechende Anstieg der Aufga-
ben über 100 Prozent hinaus nicht durch
Überstunden (mit sämtlichen gesund-
heitlichen und kulturellen Begleiteffek-
ten), sondern durch eine weitere Person
abgedeckt. Und zweitens bringen zwei
Mitarbeiter ein entsprechend vielfältiges
Kompetenzportfolio mit, das in einer Per-
son alleine nur schwer zu finden ist.
Es liegt am Ende an Ihnen, unter wel-
cher alternativen Überschrift Sie Job-
sharing einführen: Agile Leadership,
Succession Planning, Direkteinstieg für
Young Professionals, Cross-functional
Cooperation oder Wissensmanagement.
Denn Ihr Business kennen Sie selbst am
besten.
Anforderungen an ein Tandem
Ein gängiger Irrtum über die Arbeit im
Jobsharing ist die Vorstellung, dass die
Arbeit einer Stelle in Arbeitspakete für
zwei Mitarbeiter aufgesplittet wird und
so zwei Teilzeitkräfte praktisch nebenei-
nander arbeiten. Die daraus resultieren-
de Annahme: So wird es für das Umfeld
schwieriger einzuordnen, wer nun aus
dem Tandem für welche Themen verant-
wortlich ist. Das Gegenteil ist aber bei
„high performing Tandems“ der Fall.
Die oberste Prämisse eines echten
Jobsharings: Das Tandem funktioniert
hochgradig selbstgesteuert und erzeugt
keinerlei zusätzliche Komplexität in
seinem Umfeld. Im Gegenteil: Optimal
ein- und aufgestellte Tandems entziehen
ihrem Umfeld Komplexität durch ihre
Agilität im Zweierteam. High performing
personalmagazin:
Warum haben Sie bei
Volskwagen Jobsharing für Führungs-
kräfte – also in Form von Topsharing –
eingeführt?
Arne Meiswinkel:
Jobsharing im Tarif ha-
ben wir schon sehr lange bei uns im Un-
ternehmen. Aber auch Führungskräfte
wünschen und brauchen in bestimmten
Phasen ihres Arbeitslebens mehr Flexi-
bilität bei der Gestaltung ihrer Arbeit.
Volkswagen möchte Jobsharing aus
verschiedenen Gründen unterstützen,
einer davon ist, dass insbesondere Job-
sharing interessante Möglichkeiten der
Einarbeitung bietet, zum Beispiel in ein
neues Thema, in eine neue Kultur et ce-
tera. Auch ist es eine Möglichkeit des
Ausstiegs oder der gegenseitigen Ergän-
zung zweier Fach- und Führungskräfte.
Wir sehen hier viel Potenzial.
personalmagazin:
Wie ist das Projekt
aufgesetzt?
Meiswinkel:
Im 2. Quartal 2018 werden
wir ein etwa einjähriges Pilotprojekt
zum Thema „Flexibilität in Führung“
aufsetzen. In diesem Projekt werden wir
15 Führungskräften über zwölf Monate
die Möglichkeit geben, in Abstimmung
mit ihrem relevanten Umfeld flexibles
Arbeiten in Führung zu testen. Füh-
rungskräfte, die speziell Interesse am
Jobsharing haben, bringen für das Pilot-
projekt idealerweise ihren Tandempart-
ner mit. Während dieser Projektphase
wird beim Jobsharing gefragt: Welche
besonderen Anforderungen an Führung
ergeben sich für die Vorgesetzten des
Jobsharing-Tandems? Wer führt die jähr-
lichen Mitarbeitergespräche? Ziel des
Projekts ist es, die Akzeptanz für indivi-
Beispiel Volkswagen AG
INTERVIEW
The Job Sharing Hub begleitet VW bei den ersten Tandempiloten. Der Autobauer will auf
diese Weise die Arbeitszeit flexibilisieren – vor allem in Führungspositionen.
Das Interview führte
Svenja Christen.
dualisierte Arbeitsmodelle in Führungs-
positionen grundsätzlich zu erhöhen.
personalmagazin:
Welche Rolle spielt das
professionelle Coaching der Tandems?
Meiswinkel:
Gerade zu Beginn der Zu-
sammenarbeit kann es sehr hilfreich
sein, sich über offene Fragen Klarheit
zu verschaffen, sodass ein Tandemcoa-
ching zum Gelingen beitragen kann. Für
uns gilt der Grundsatz: „Im Jobsharing
ist kein Platz für Eitelkeiten.“ Die per-
sönlichen Herausforderungen, in einem
Jobsharingmodell in Führung zu arbei-
ten, sind vielfältig. Teamfähigkeit, Ko-
operation und Kommunikation sind nur
einige Eigenschaften, die bei Jobsharern
besonders ausgeprägt sein sollten.
ARNE MEISWINKEL
ist
Leiter Personalstrategie
und -standards bei der
Volkswagen AG.
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