Personalmagazin 8/2018 - page 30

sich die Studenten bewerben wollen. Das Unternehmen mit den
meisten Stimmen landet auf Platz eins.“
Mit schöner Regelmäßigkeit fahren die großen Automarken,
deren Arbeitgeberimage vom Produktimage lebt, auf die obers-
ten Ränge vor. Insofern sagt das Absolventenbarometer wenig
über die Realität in den Unternehmen aus, sondern folgt mehr
dem Mainstream. Das mag ein Grund sein, warum Konzerne
wie BMW, die sich ohnehin nicht vor Bewerbern retten können,
das Trendence-Siegel „Top 100 Arbeitgeber Deutschland“ kaum
im Hochschulmarketing einsetzen – sie haben es schlicht nicht
nötig. Interessanter ist der Titel für Arbeitgeber in der zweiten
Reihe. Sie drucken das Siegel zum Beispiel in Broschüren ab und
zahlen dafür 2.490 Euro. Für Trendence-Kunden, die individuelle
Marktforschungen oder sonstige Employer-Branding-Leistungen
buchen, ist das Siegel im Beratungshonorar inbegriffen.
Zu den Pionieren der Arbeitgeberzertifizierung gehört das 1991
von demUS-Journalisten Robert Levering gegründete Great Place
to Work Institute (GPTW). Ursprünglich hatte er nur ein Buch
über die besten 100 Arbeitgeber in den USA schreiben wollen,
dann aber festgestellt, dass das Thema einschlug und regelmä-
darüber imKlaren sein, dass sie zusätzlichen personellen Aufwand
haben. Da kann ein Mitarbeiter der Personalabteilung ein halbes
Jahr vollauf damit beschäftigt sein, Unterlagen für ein HR-Audit
zusammenzutragen oder mit dem Betriebsrat eine Vereinbarung
über eine Mitarbeiterbefragung auszuhandeln.“
Beide Geschäftsmodelle können sich überschneiden. Von
einigen Anbietern erhalten Unternehmen für kleines Geld ein
Siegel, das als Türöffner für weitere Leistungen rund um Emplo-
yer Branding dient. So entstehen häufig dauerhafte Geschäfts-
beziehungen – und der Eindruck, das Unternehmen habe die
jährliche Auszeichnung abonniert. Ein drittes „Geschäftsmo-
dell“, das eigentlich keines ist, weil es nicht um Kommerz geht,
vereint Institutionen wie Ministerien, Verbände oder Medien. Sie
veranstalten Wettbewerbe oder verleihen unentgeltlich Arbeit-
gebersiegel. Der Aufwand für Unternehmen ist auch hier höchst
unterschiedlich. Er reicht vom einfachen Unterzeichnen einer
Selbstverpflichtung bis zum mehrstufigen Auswahlverfahren.
Big Data lässt grüßen
Aus der Gruppe der kommerziellen Anbieter sticht Kununu her-
vor, weil es seine Daten sowohl für Rankings wie „Top Nationaler
Arbeitgeber 2018“ bereitstellt als auch die Eigenmarken „Open
Company“ und „Top Company“ bewirbt. Ein Unternehmen,
das mindestens sechs Mitarbeiterbewertungen vorweisen kann
und dabei durchschnittlich wenigstens drei von fünf Punkten
erreicht, ist „Top Company“ und darf das Siegel in Stellenan-
zeigen oder Mail-Signaturen verwenden. Wer zusätzlich seine
Mitarbeiter zur Bewertung auf Kununu animiert, selber Kom-
mentare einstellt oder ein Firmenprofil, einen kostenpflichtigen
Werbeauftritt bei Kununu und dessen Muttergesellschaft Xing,
schaltet, darf sich „Open Company“ nennen. Die Kununu-Daten
tauchen auch noch bei dem neuen Siegel „Leading Employers“
auf, für das Untersuchungen anderer Marktforschungsinstitute
ausgewertet werden (siehe Artikel „Blinder Aktionismus“). So
recycelt sich die Branche immer wieder neu.
Big Data hat das Zeug zum Trend amMarkt der Arbeitgebersie-
gel. Das wirft die umso dringlichere Frage nach der Datenqualität
auf, die zum großen Teil im Internet generiert werden – anonym
und ungeprüft. Arbeitnehmer, die ihr Unternehmen bewerten,
müssen nur eine nachverfolgbare Mail-Adresse angeben. Ob sie
tatsächlich bei dem Unternehmen beschäftigt sind, ob sie ihrem
Chef einen Gefallen tun wollen oder ob sie sich einfach einen
Spaß erlauben, weiß niemand. Kununu legt 13 Bewertungskri-
terien an, von Arbeitsbedingungen über Gehalt bis Vorgesetz-
tenverhalten, was in der Gretchenfrage der Weiterempfehlung
gipfelt. So entsteht ein leidlich differenziertes Bild. Die Auswahl
der Befragungsteilnehmer bleibt aber dem Zufall überlassen.
Gezielter geht das Trendence Institut vor, das für die aktuelle
Ausgabe seines „Absolventenbarometers“ – es gibt auch ein
„Schülerbarometer“ sowie etliche Sonderauswertungen – 55.000
Studierende der Fächer Wirtschaft, Ingenieurwesen, Informatik
und Naturwissenschaften befragt hat. Trendence arbeitet mit
Befragungspartnern wie Studenteninitiativen zusammen, die die
Fragebögen online verbreiten. Individualisierte Links verhindern,
dass Studierende mehrfach teilnehmen oder jemand anderen ant-
worten lassen. „Unser Fragebogen ist sehr umfangreich“, erläutert
Annekatrin Buhl von Trendence, „aber für das Ranking selbst ist
nur eine Frage entscheidend, nämlich bei welchem Arbeitgeber
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