Personalmagazin 8/2018 - page 29

sondern über die aufgeführten drei Bewertungskanäle“, erläutert
Silke Giesler, bei Statista für Industrieanalysen verantwortlich.
Mit einer geringeren Gewichtung flossen außerdem die Urteile
aus dem Vorjahr ein, also alte Daten. So verliert die beeindru-
ckende Zahl 127.000 viel von ihrem Glanz. Die Quelle Kununu
dürfte selbst bei topplatzierten Firmen wenig ergiebig sein: Zu
Diringer & Scheidel mit allen Tochtergesellschaften gibt es aktuell
27 Beurteilungen, zu Busch-Jaeger 26, zu Witzenmann 41.
Immerhin hat Statista auf Nachfrage die Karten auf den Tisch
gelegt, was im Rankinggeschäft nicht häufig vorkommt. Intrans-
parenz sei die Crux amMarkt für Arbeitgebersiegel, sagt Ansgar
Heitzig, Partner der Unternehmensberatung Heitzig & Heitzig,
Düsseldorf. Der Berater sieht im Siegel-Dschungel bereits ein
neues Geschäft. Auf seiner Website Zert-O-mat.de kann jede
Institution, die ein Arbeitgebersiegel beziehungsweise eine
Zertifizierung anbietet, sich unentgeltlich mit einem kurzen
Text vorstellen. Wer zusätzlich Einblick in seine Methodik ge-
währt, erhält den Status „Von Redaktion validiert“. Da hier die
Antworten von den Anbietern einfach übernommen werden, ist
dies zwar keine Qualitätskontrolle, aber es dient dem Überblick
auf dem Markt.
Auf der Gegenseite können sich Arbeitgeber, die eine Zerti-
fizierung anstreben, vom Zert-O-Mat für eine Gebühr ab 1.495
Euro bei der Auswahl eines passenden Siegels unterstützen las-
sen. Ein Katalog aus 130 Fragen zu Themen, die – wie etwa Inter-
nationalität – für das Unternehmen wichtig sind, führt zu einer
Sortierung der Siegelanbieter. „Wir sind keine Jury, wir begleiten
nur die Auswahl“, betont Heitzig. Die Nachfrage wachse. „Immer
mehr Unternehmen setzen sich ernsthaft mit dem Arbeitsmarkt
auseinander, das heißt, sie wollen nicht nur ein schickes Label,
sondern sie wollen ihre HR-Arbeit strategisch weiterentwickeln.“
Das Anbieterverzeichnis des Zert-O-Mat umfasst rund 60 Ins-
titutionen, die oft mehrere Siegel vergeben. „Insgesamt gibt es
etwa 200 Siegel in Deutschland“, schätzt Heitzig.
Die Platzhirsche auf dem Siegelmarkt
Ein Dutzend Anbieter – darunter Focus/Kununu/Statista, das
Top Employers Institute mit dem Siegel „Top Employer“, die
Beratung Zeag mit „Top Job“, das Trendence Institut mit „Top
100 Arbeitgeber Deutschland“ und Great Place to Work mit
„Deutschlands Beste Arbeitgeber“ – teilen sich den Markt auf.
„Diese Anbieter versammeln die meisten Unternehmen auf
sich“, so Heitzig. Die Unterschiede in der Methodik seien aber
gigantisch: von der Mitarbeiterbefragung über die Bewertung
von Leitbildern bis zu Imageumfragen unter Studenten.
Die kommerziellen Anbieter verfolgen in der Regel eines von
zwei Geschäftsmodellen: Sie erstellen, auf welchem Weg auch
immer, ein Ranking und verkaufen den gelisteten Unterneh-
men dann die Nutzung einer Wort-Bild-Marke. Die Lizenzgebühr
beträgt wenige Hundert bis einige Tausend Euro. Im „Premi-
um-Segment“ des Markts, wie Heitzig es nennt, bewegten sich
Forschungs- und Beratungsinstitute, die Arbeitgeber über mehrere
Monate mit verschiedenen Instrumenten wie Mitarbeiterbefra-
gung und HR-Audit unter die Lupe nehmen. Hier gehe es eher
um strategische Managementberatung als um Imagepflege. Ent-
sprechend teuer ist diese Leistung – Heitzig kalkuliert 50.000 bis
100.000 Euro allein für die Zertifizierung. „Und das ist nicht alles“,
sagt er. „Unternehmen, die diesen Weg einschlagen, müssen sich
Golden glänzt das Siegel „Top Nationaler Arbeitgeber 2018“,
das die Zeitschrift Focus und die Bewertungsplattform Kununu
„in der größten Untersuchung dieser Art“ verleihen. Wobei der
Begriff „top“ eine Auswahl beschreibt, die eher breit als spitz
ist – schließlich dürfen sich 1.000 Unternehmen dazurechnen.
Auf Platz eins Adidas, auf Platz zwei Google, gefolgt von Bayer,
BMW, Daimler, SAP – übliche Verdächtige in Arbeitgeberran-
kings. Dann wird es interessant: Einen hervorragenden zehn-
ten Platz schafft das mittelständische Mannheimer Bauunter­
nehmen Diringer & Scheidel. Noch unter den ersten 30 finden
sich Unternehmen wie Busch-Jaeger, ein in Lüdenscheid ansäs-
siger Hersteller von Schaltern, oder die Witzenmann-Gruppe,
ein metallverarbeitender Betrieb aus Pforzheim.
Die Datengrundlage: oft geringer als gedacht
Das Ranking beruht auf „mehr als 127.000 Arbeitgeberbeurtei-
lungen“, wie Focus stolz verkündet. Die Zahl macht Eindruck,
der sich aber angesichts von 1.000 prämierten Unternehmen ein
wenig relativiert – rein rechnerisch entfallen auf jedes von ihnen
durchschnittlich nur 127 Beurteilungen. Konkret hat das von
Focus und Kununu beauftragte Marktforschungsinstitut Statista
drei Datenquellen angezapft: eine Onlinebefragung unter 21.000
repräsentativ ausgewählten Arbeitnehmern, eine Onlinebefra-
gung von knapp 10.000 Xing-Mitgliedern im Erhebungszeitraum
27. Juni bis 5. August 2017 sowie die Kununu-Gesamturteile aus
dem Zeitraum 1. Juli 2016 bis 30. Juni 2017. „Wichtig für die
gesamte Rankingerstellung ist, dass die Arbeitnehmer unabhän-
gig von ihrem Arbeitgeber befragt werden, das heißt, dass die
Arbeitnehmer nicht über ihren Arbeitgeber kontaktiert werden,
Der Markt für Arbeitgebersiegel
ist schwer überschaubar. Die
Auszeichnungen werden in zahl­
reichen Kategorien, nach höchst
unterschiedlichen Methoden,
für kleines, großes oder kein Geld
vergeben. Einige Siegel dienen
hauptsächlich dem Image,
andere sind der Schlusspunkt in
einem aufwendigen Prozess der
strategischen Personalarbeit.
Ein Marktüberblick.
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Arbeitgebersiegel
Von Christoph Stehr
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