können weit höher liegen. Tatsächlich
sind unsichtbare Kosten in der Regel mit
höheren Verbindlichkeiten verbunden
als sichtbare Kosten. Sie sind überhaupt
nur langfristig annähernd bezifferbar. Zu
diesen Kosten zählen:
• verminderte Produktivität von Mitar-
beitern, die in ihrem Unternehmen er-
leben, dass Fälle sexueller Belästigung
ungeahndet bleiben und somit indirekt
Diskriminierung gefördert wird
• höhere Fluktuation von Fachkräften,
die Opfer von sexueller Belästigung
wurden, sowohl auf der Ebene der Mit-
arbeiter als auch der Führungskräfte
• Fehlzeiten der Opfer
• Gesundheitskosten durch Burnout und
damit verbundenen Krankheiten
• schlechte Arbeitsmoral im gesamten
Arbeitsumfeld
• Reputationsschaden, sobald die Vor-
würfe öffentlich werden
• Schäden oder Ausfallkosten, weil sich
das Management nicht um seine ei-
gentlichen Aufgaben kümmern kann,
während es sich um die Verteidigung
des Unternehmens gegen Belästigungs-
vorwürfe kümmern muss
• eventuell Strafzahlungen, wenn das
Unternehmen dadurch bei laufenden
Projekten zeitlich in Rückstand gerät
Akademische Untersuchungen in den
USA haben ergeben, dass die indirekten
Kosten dort von jährlich 6,7 Millionen
Dollar 1989 auf 14 Millionen im Jahr 2017
gestiegen sind. Grund genug für HR-Ver-
antwortliche, sich des Themas anzuneh-
men.
Klare Definition: Was ist
akzeptabel, was nicht?
Unternehmen, die sexuelle Belästigung
aus ihrer Unternehmenskultur verbannen
wollen, müssen zunächst klar definieren,
welche Verhaltensweisen akzeptabel sind
und welche nicht. Nur so können sich
die Angestellten verlässlich orientieren.
Was also gilt tatsächlich als sexuelle Be-
lästigung? Wie kann die Definition von
Belästigung so formuliert werden, dass
nur Verhaltensweisen darin vorkommen,
die gesellschaftlich inakzeptabel sind?
Oft ist der Einwand zu hören, dass
entsprechende Richtlinien nicht nur se-
xueller Belästigung vorbeugen, sondern
auch jeglichen Spaß und informellen
Austausch zwischen Kollegen ersticken
würden. Befürworter halten dem entge-
gen, dass eine klare Trennung zwischen
dem, was angemessen ist und was nicht,
lediglich verhindert, dass Spaß in Diskri-
minierung umschlägt.
Unsere Gesellschaft steht hier vor ei-
ner komplexen Herausforderung. Schon
nationale Gesetzgeber, die sich mit se-
xueller Belästigung befassen, stoßen bei
der Suche nach einer richtigen Defini-
tion auf erhebliche Schwierigkeiten. In
den Vereinigten Staaten beispielsweise
definierte die Equal Employment Op-
portunity Commission (EEOC) sexuelle
Belästigung als „unerwünschte sexuelle
Annäherungsversuche“, die die Arbeits-
leistung des Opfers beeinträchtigen oder
ein „einschüchterndes, feindseliges oder
beleidigendes Arbeitsumfeld“ schaffen.
Foto: picture alliance/Everett Collection
Patricia Douglas, hier in einer Aufnahme von 2007, gilt als Vorreiterin der #MeToo-Bewegung.
Sie war 1937 (siehe Aufmacherfoto Seite 34/35) die erste Frau, die sich gegen sexuelle Belästi-
gung am Arbeitsplatz zur Wehr setzte – ihre Klage blieb ohne Erfolg.
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Strategie & Führung
personalmagazin 08.18