wirtschaftlich sinnvolle Investition“, so Scheller. Je kleiner und
unbekannter ein Unternehmen sei, umso stärker könne es mög-
licherweise von einem Siegel profitieren. Wobei der Profit in der
Regel darin liege, überhaupt ein Siegel zu haben.
Auch das gibt es:
Ungefragt zum Siegelträger geworden
Dabei kann so manches Unternehmen dem Siegel offenbar nicht
einmal entgehen. So prangen in den Unternehmensprofilen der
Burda-Tochter Xing oftmals die Focus-, Kununu- oder Xing-Sie-
gel. Bei Daimler sind es gleich sechs Auszeichnungen, bei Luft-
hansa fünf goldene Focus-Siegel.
Grundsätzlich sei er ein Befürworter von Siegeln, wenn sie auf
Grundlagen basieren, mit der sich die eigene Leistung überprü-
fen und vergleichen lässt, sagt Marcel Rütten, HR-Manager bei
der Kindernothilfe in Duisburg. Seitdem man Top-Praktikan-
tengeber sei, merke man schon, dass sich mehr Praktikanten
bewerben. Erschreckend findet er es jedoch, wenn in den Listen
Unternehmen genannt werden, von denen man noch nie gehört
hat. „Nur weil ich ein Siegel gekauft habe, bin ich doch kein
guter Arbeitgeber“, kritisiert der HR-Manager und warnt: „Die
Qualität, die ich verkaufe, muss ich auch liefern, sonst gehen
die Mitarbeiter schnell wieder.“
Bewerber haben keinen Durchblick
im Siegel-Dschungel
Und was ist mit den Bewerbern, für die die Siegel eigentlich
gedacht sind? „Die haben keine Ahnung“, sagt Berater Heitzig.
Er habe mal 200 Studenten befragt, fast 80 Prozent hatten
überhaupt keine Vorstellung, was hinter den ihnen bekannten
Siegeln steckt (siehe auch die Studienergebnisse auf den folgen-
den Seiten). „Das ist das Dilemma für Unternehmen, die in teure
Siegel investieren“, so der Berater. „Ein minderwertiges Siegel
wird dann oftmals als gleichwertig wahrgenommen – liefert aber
eben keine vergleichbare Analysetiefe.“
Beim Bewerber spiele so ein Siegel aus seiner Erfahrung maxi-
mal eine mittlere Rolle, erklärt Beiersdorf-Personaler Fellinger.
In 15 Jahren habe ihn kein einziger Bewerber nach einem Siegel
gefragt. Stattdessen bekomme er konkrete Nachfragen etwa zur
Vereinbarkeit von Beruf und Familie.
Personalblogger Knabenreich wundert sich indes, dass selbst
Unternehmen, die eine mit einem hohen Aufwand verbundene
Auszeichnung bekommen, die Ergebnisse nicht richtig nutzen.
„Da wird dann nur auf die Pressemeldung verlinkt“, so Knaben-
reich. „Keiner schreibt, warum er ein toller Arbeitgeber ist.“ Er
rät den Firmen, das Geld für das Siegel lieber in ein Foto- oder
Videoshooting zu stecken und auf der Website die Mitarbeiter
selbst zu Wort kommen zu lassen. „Das wirkt doch viel glaub-
würdiger als jedes Siegel.“
Die Not mancher
Unternehmen
in Sachen Fach
kräftemangel
ist groß. Oftmals
herrscht blinder
Aktionismus und
die Siegelanbieter
locken mit einer
schnellen Lösung.
JOCHEN SCHIEVINK ist freier Illustrator in Hamburg.
BÄRBEL SCHWERTFEGER ist freie Journalistin in München.
Sie hat einen sechsten Sinn für schwarze Schafe am Markt.
24
personalmagazin 08.18
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