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            RECHT
          
        
        
          _KÜNDIGUNG
        
        
          personalmagazin  11/16
        
        
          kungen auf die vertraglichen Beziehun-
        
        
          gen der Arbeitsvertragsparteien besitzt.
        
        
          Eine solche betriebliche Relevanz sa-
        
        
          hen die Düsseldorfer Richter hier nicht
        
        
          nur in dem gezeigten Verhalten, son-
        
        
          dern auch im Hinblick auf den Ruf des
        
        
          Autohauses an. Sie führten dazu aus:
        
        
          „Das Verhalten des Klägers ist auch
        
        
          deshalb nicht als rein außerdienstlich
        
        
          zu bewerten, da die Einschätzung der
        
        
          Beklagten zutrifft, dass es geeignet ist,
        
        
          dem Ruf und Ansehen der Beklagten zu
        
        
          schaden. Es ist nachvollziehbar, dass
        
        
          die Beklagte nicht in Presseberichten
        
        
          genannt werden möchte, die über eine
        
        
          Verfolgungsjagd berichten, bei der ein
        
        
          alkoholisierter Verkäufer der Beklagten
        
        
          beteiligt war und eine Vielzahl von Ver-
        
        
          kehrsverstößen begangen hat.“
        
        
          Was aber ist mit der abenteuerlichen
        
        
          Diebstahlsgeschichte die dem Gericht
        
        
          aufgetischt wurde? Man mag vermuten,
        
        
          dass die Arbeitsrichter kaum von der
        
        
          Wahrheit der Aussage überzeugt gewe-
        
        
          sen waren, sondern vielleicht eher deren
        
        
          Bewertung in die Richtung gegangen ist,
        
        
          die dem unbefangenen Leser unterstellt
        
        
          werden kann, nämlich dass der Kläger
        
        
          hier wohl „das Blaue vom Himmel“ gelo-
        
        
          gen hat. Dann aber, so könnte man mei-
        
        
          nen, müsste man doch im Urteil dazu
        
        
          etwas zur Bewertung der Beweisaufnah-
        
        
          me finden.
        
        
          Tut man aber nicht, was jedoch kein
        
        
          Rechtsfehler, sondern ein Zeichen rich-
        
        
          terlicher Souveränität ist. Selbst wenn
        
        
          die Diebstahlsgeschichte stimmen wür-
        
        
          de, so ist im Urteil zu lesen, stelle die-
        
        
          ses Verhalten „ungeachtet des zugrunde
        
        
          liegenden Motivs (Verfolgungsjagd eines
        
        
          Diebs oder illegales Autorennen) einen
        
        
          Sachverhalt dar, der grundsätzlich ge-
        
        
          eignet ist, die Kündigung des als Sport-
        
        
          wagenverkäufer beschäftigten Klägers
        
        
          zu rechtfertigen“. Auch bezüglich der
        
        
          Rufschädigung brauche man dem Wahr-
        
        
          heitsgehalt der Diebstahlsstory nicht
        
        
          nachgehen, denn – unabhängig von der
        
        
          Tatsache, ob es sich um ein illegales Stra-
        
        
          ßenrennen oder eine Verfolgungsjagd
        
        
          eines Diebs handele – widerspreche dies
        
        
          dem Ruf eines seriösen Autohauses.
        
        
          Muss die Abmahnung einer
        
        
          Kündigung vorausgehen?
        
        
          Auch ein letzter Griff in die juristi-
        
        
          sche Trickkiste nutzte dem Rennfahrer
        
        
          nichts. Wenn es denn eine verhaltens-
        
        
          bedingte Kündigung gewesen sei, dann
        
        
          hätte man prüfen müssen, ob bei ihm
        
        
          nicht eine Abmahnung als Sanktion
        
        
          ausgereicht hätte.
        
        
          „Wir machen Sie darauf aufmerksam,
        
        
          dass Ihnen gekündigt werden kann,
        
        
          wenn Sie sich noch einmal betrunken
        
        
          auf ein Quad setzen und sich mit einem
        
        
          Sportwagen ein Rennen liefern“. Diesen
        
        
          Satz wollten die Düsseldorfer Arbeits-
        
        
          richter dem Autohaus erkennbar nicht
        
        
          zumuten und machten – wiederum un-
        
        
          ter der Annahme, dass dies auch für
        
        
          den unwahrscheinlichen Fall der Dieb-
        
        
          stahlsvariante zutreffen würde – den
        
        
          „Deckel“ mit folgenden Erwägungen
        
        
          zu: „Der Kläger konnte aufgrund der
        
        
          Schwere des Vorwurfs, der ihm zu ma-
        
        
          chen ist, insbesondere wegen der erheb-
        
        
          lichen Gefährdung dritter Personen und
        
        
          fremder Sachen nicht annehmen, dass
        
        
          die Beklagte es beim Ausspruch einer
        
        
          Abmahnung zur Wiederherstellung des
        
        
          Vertrauens belassen würde.
        
        
          
            THOMAS MUSCHIOL
          
        
        
          ist
        
        
          Fachautor und Rechtsanwalt
        
        
          mit Schwerpunkt im Arbeits-
        
        
          und betrieblichen Sozialversi-
        
        
          cherungsrecht in Freiburg.
        
        
          Mit einer abenteuerlichen Geschichte versuchte ein gekündigter Autoverkäufer die
        
        
          Erklärungen seines Arbeitgebers zu widerlegen: Es habe kein illegales Autorennen
        
        
          stattgefunden, vielmehr habe er tatsächlich einen Dieb verfolgt.
        
        
          Die Geschichte des Autoverkäufers liest sich – in Auszügen aus dem Urteil – folgenderma-
        
        
          ßen: „Man habe entschieden, dass es sinnvoll sei, wenn die Lebensgefährtin des Klägers
        
        
          mit dem Sportwagen des Klägers am I.-Hotel vorführe, da dort aufgrund der Veran-
        
        
          staltung viele potenzielle Lamborghini-Käufer anwesend seien und das repräsentative
        
        
          Fahrzeug des Klägers entsprechende Aufmerksamkeit und Interesse wecken könne. Man
        
        
          habe sich daher mit dem Taxi zu einer Halle auf befriedetem Gelände am anderen Ende
        
        
          der Stadt begeben, in welchem der Lamborghini abgestellt gewesen sei. Die Lebensge-
        
        
          fährtin des Klägers habe den Lamborghini aus der Halle heraus auf den Hof gefahren.
        
        
          Der Kläger habe die Halle zusperren wollen und habe noch das dortige WC benutzt. Er sei
        
        
          dann verwundert und erschrocken gewesen, als plötzlich der Motor des Lamborghini laut
        
        
          aufgeheult habe. Er sei aus dem WC geeilt und habe dann zu seiner Verwunderung ge-
        
        
          sehen, dass seine Lebensgefährtin ebenfalls geschockt von dem Lärm aus der Halle eilte.
        
        
          Wie sich herausstellte habe sie den Motor im Standgas laufen lassen, damit dieser Be-
        
        
          triebstemperatur erreichen konnte, während sie ebenfalls noch einmal das WC aufsuchen
        
        
          wollte. Dem Kläger sowie seiner Lebensgefährtin sei dann sofort klar gewesen, dass ein
        
        
          Dritter sich des Fahrzeugs bemächtigt haben musste, das anscheinend gestohlen werden
        
        
          sollte. Beide seien aus der Halle geeilt und hätten gesehen, dass das Fahrzeug in diesem
        
        
          Moment von einer unbekannten Person durch die enge Einfahrt des Hofs unkontrolliert
        
        
          und mit zu hoher Geschwindigkeit gesteuert worden sei. Im Schockzustand und unter
        
        
          Alkoholeinfluss habe der Kläger die falsche Entscheidung getroffen und sich entschieden,
        
        
          das ebenfalls in der Halle befindliche Quad zur Verfolgung des Diebs zu benutzen. Der
        
        
          Kläger habe sich somit mit niemandem ein Rennen geliefert. Sein Verhalten sei nicht
        
        
          das eines Rowdys, sondern das einer Person, die aus berechtigtem Interesse handelt,
        
        
          nämlich sein geschätztes Eigentum zu schützen.“
        
        
          Hätten Sie‘s geglaubt?
        
        
          
            URTEIL
          
        
        
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