Personalmagazin 11/2016 - page 74

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RECHT
_KÜNDIGUNG
personalmagazin 11/16
kungen auf die vertraglichen Beziehun-
gen der Arbeitsvertragsparteien besitzt.
Eine solche betriebliche Relevanz sa-
hen die Düsseldorfer Richter hier nicht
nur in dem gezeigten Verhalten, son-
dern auch im Hinblick auf den Ruf des
Autohauses an. Sie führten dazu aus:
„Das Verhalten des Klägers ist auch
deshalb nicht als rein außerdienstlich
zu bewerten, da die Einschätzung der
Beklagten zutrifft, dass es geeignet ist,
dem Ruf und Ansehen der Beklagten zu
schaden. Es ist nachvollziehbar, dass
die Beklagte nicht in Presseberichten
genannt werden möchte, die über eine
Verfolgungsjagd berichten, bei der ein
alkoholisierter Verkäufer der Beklagten
beteiligt war und eine Vielzahl von Ver-
kehrsverstößen begangen hat.“
Was aber ist mit der abenteuerlichen
Diebstahlsgeschichte die dem Gericht
aufgetischt wurde? Man mag vermuten,
dass die Arbeitsrichter kaum von der
Wahrheit der Aussage überzeugt gewe-
sen waren, sondern vielleicht eher deren
Bewertung in die Richtung gegangen ist,
die dem unbefangenen Leser unterstellt
werden kann, nämlich dass der Kläger
hier wohl „das Blaue vom Himmel“ gelo-
gen hat. Dann aber, so könnte man mei-
nen, müsste man doch im Urteil dazu
etwas zur Bewertung der Beweisaufnah-
me finden.
Tut man aber nicht, was jedoch kein
Rechtsfehler, sondern ein Zeichen rich-
terlicher Souveränität ist. Selbst wenn
die Diebstahlsgeschichte stimmen wür-
de, so ist im Urteil zu lesen, stelle die-
ses Verhalten „ungeachtet des zugrunde
liegenden Motivs (Verfolgungsjagd eines
Diebs oder illegales Autorennen) einen
Sachverhalt dar, der grundsätzlich ge-
eignet ist, die Kündigung des als Sport-
wagenverkäufer beschäftigten Klägers
zu rechtfertigen“. Auch bezüglich der
Rufschädigung brauche man dem Wahr-
heitsgehalt der Diebstahlsstory nicht
nachgehen, denn – unabhängig von der
Tatsache, ob es sich um ein illegales Stra-
ßenrennen oder eine Verfolgungsjagd
eines Diebs handele – widerspreche dies
dem Ruf eines seriösen Autohauses.
Muss die Abmahnung einer
Kündigung vorausgehen?
Auch ein letzter Griff in die juristi-
sche Trickkiste nutzte dem Rennfahrer
nichts. Wenn es denn eine verhaltens-
bedingte Kündigung gewesen sei, dann
hätte man prüfen müssen, ob bei ihm
nicht eine Abmahnung als Sanktion
ausgereicht hätte.
„Wir machen Sie darauf aufmerksam,
dass Ihnen gekündigt werden kann,
wenn Sie sich noch einmal betrunken
auf ein Quad setzen und sich mit einem
Sportwagen ein Rennen liefern“. Diesen
Satz wollten die Düsseldorfer Arbeits-
richter dem Autohaus erkennbar nicht
zumuten und machten – wiederum un-
ter der Annahme, dass dies auch für
den unwahrscheinlichen Fall der Dieb-
stahlsvariante zutreffen würde – den
„Deckel“ mit folgenden Erwägungen
zu: „Der Kläger konnte aufgrund der
Schwere des Vorwurfs, der ihm zu ma-
chen ist, insbesondere wegen der erheb-
lichen Gefährdung dritter Personen und
fremder Sachen nicht annehmen, dass
die Beklagte es beim Ausspruch einer
Abmahnung zur Wiederherstellung des
Vertrauens belassen würde.
THOMAS MUSCHIOL
ist
Fachautor und Rechtsanwalt
mit Schwerpunkt im Arbeits-
und betrieblichen Sozialversi-
cherungsrecht in Freiburg.
Mit einer abenteuerlichen Geschichte versuchte ein gekündigter Autoverkäufer die
Erklärungen seines Arbeitgebers zu widerlegen: Es habe kein illegales Autorennen
stattgefunden, vielmehr habe er tatsächlich einen Dieb verfolgt.
Die Geschichte des Autoverkäufers liest sich – in Auszügen aus dem Urteil – folgenderma-
ßen: „Man habe entschieden, dass es sinnvoll sei, wenn die Lebensgefährtin des Klägers
mit dem Sportwagen des Klägers am I.-Hotel vorführe, da dort aufgrund der Veran-
staltung viele potenzielle Lamborghini-Käufer anwesend seien und das repräsentative
Fahrzeug des Klägers entsprechende Aufmerksamkeit und Interesse wecken könne. Man
habe sich daher mit dem Taxi zu einer Halle auf befriedetem Gelände am anderen Ende
der Stadt begeben, in welchem der Lamborghini abgestellt gewesen sei. Die Lebensge-
fährtin des Klägers habe den Lamborghini aus der Halle heraus auf den Hof gefahren.
Der Kläger habe die Halle zusperren wollen und habe noch das dortige WC benutzt. Er sei
dann verwundert und erschrocken gewesen, als plötzlich der Motor des Lamborghini laut
aufgeheult habe. Er sei aus dem WC geeilt und habe dann zu seiner Verwunderung ge-
sehen, dass seine Lebensgefährtin ebenfalls geschockt von dem Lärm aus der Halle eilte.
Wie sich herausstellte habe sie den Motor im Standgas laufen lassen, damit dieser Be-
triebstemperatur erreichen konnte, während sie ebenfalls noch einmal das WC aufsuchen
wollte. Dem Kläger sowie seiner Lebensgefährtin sei dann sofort klar gewesen, dass ein
Dritter sich des Fahrzeugs bemächtigt haben musste, das anscheinend gestohlen werden
sollte. Beide seien aus der Halle geeilt und hätten gesehen, dass das Fahrzeug in diesem
Moment von einer unbekannten Person durch die enge Einfahrt des Hofs unkontrolliert
und mit zu hoher Geschwindigkeit gesteuert worden sei. Im Schockzustand und unter
Alkoholeinfluss habe der Kläger die falsche Entscheidung getroffen und sich entschieden,
das ebenfalls in der Halle befindliche Quad zur Verfolgung des Diebs zu benutzen. Der
Kläger habe sich somit mit niemandem ein Rennen geliefert. Sein Verhalten sei nicht
das eines Rowdys, sondern das einer Person, die aus berechtigtem Interesse handelt,
nämlich sein geschätztes Eigentum zu schützen.“
Hätten Sie‘s geglaubt?
URTEIL
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
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