Personalmagazin 11/2016 - page 65

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Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
Arbeitsverträgen künftig neu formuliert
werden sollten.
Das kollektivrechtliche Pendant zu
den arbeitsvertraglichen sind die tarif-
lichen Verfallklauseln. Auf diese soll in
diesem Beitrag nicht näher eingegangen
werden. Nur so viel sei gesagt: Diese
unterliegen keiner AGB-Kontrolle. Die
strengen Grenzen und Anforderungen
an wirksame Verfallklauseln, wie sie bei
arbeitsvertraglichen Regelungen gelten,
sind also bei tariflichen Ausschlussklau-
seln nicht zu berücksichtigen. Regelmä-
ßig wird man daher von der Wirksamkeit
tariflicher Ausschlussklauseln ausgehen
können.
Varianten bei Verfallklauseln
Bei arbeitsvertraglichen Ausschluss-
klauseln wird im Wesentlichen zwi-
schen den sogenannten einstufigen und
den zweistufigen Verfallklauseln diffe-
renziert.
Einstufige Verfallklauseln sehen ledig-
lich vor, dass Ansprüche verfallen, wenn
sie nicht innerhalb einer vereinbarten
Frist gegenüber der jeweils anderen
Vertragspartei geltend gemacht werden.
Regelungen zur gerichtlichen Geltend-
machung enthalten einstufige Verfall-
klauseln hingegen nicht, sodass eine
Klage zur Durchsetzung außergerichtlich
geltend gemachter Ansprüche grundsätz-
lich an keine Frist gebunden ist. Sofern
Ansprüche nicht verjährt sind oder un-
ter besonderen Umständen Verwirkung
eingetreten ist, können solche Ansprüche
auch erst nach erheblichem Zeitablauf im
Gerichtswege durchgesetzt werden.
Auch zweistufige Verfallklauseln
sehen vor, dass Ansprüche zunächst
außergerichtlich innerhalb einer ver-
einbarten Frist gegenüber der anderen
Vertragspartei formwirksam geltend zu
machen sind (erste Stufe). Lehnt diese
den Anspruch ab oder äußert sie sich
hierzu nicht, verfallen Ansprüche jedoch
auch dann, wenn sie nicht innerhalb ei-
ner weiteren Frist gerichtlich geltend
gemacht werden (zweite Stufe). Bei
zweistufigen Verfallklauseln ist damit
frühzeitig ein arbeitsgerichtliches Ver-
fahren einzuleiten, um den Verfall von
Ansprüchen zu verhindern.
Kriterien für eine AGB-Prüfung
Da arbeitsvertragliche Verfallklauseln
regelmäßig einer Prüfung nach den
AGB-Bestimmungen gemäß §§ 305 ff.
BGB unterliegen, sind sie nur unter be-
stimmten Voraussetzungen wirksam. Im
Wesentlichen sollten bei der Vertragsge-
staltung nachfolgende Aspekte berück-
sichtigt werden. Verfallklauseln sind für
einen Arbeitnehmer überraschend und
für diesen nicht bindend, wenn sie im
Arbeitsvertrag an ungewöhnlicher Stel-
le oder unter einer missverständlichen
Überschrift wie zum Beispiel „Son-
stiges“ oder „Schlussbestimmungen“
aufgenommen wurden. Verfallklauseln
sind daher an üblicher Stelle in den Ar-
beitsvertrag aufzunehmen und mit einer
eindeutigen Überschrift zu versehen.
Die vertragliche Bestimmung zum
Ausschluss von Ansprüchen, die die
Vertragsparteien nicht innerhalb einer
bestimmten Frist geltend gemacht ha-
ben, ist ebenfalls unwirksam, wenn die-
se nur einseitig für den Arbeitnehmer
gelten sollen. Vielmehr sind derartige
Das BAG hat zuletzt für die Pflegebranche entschieden, inwieweit Mindestlohnan-
sprüche bei Verfallklauseln ausgenommen werden müssen. Trotz besonderer Umstän-
de bleibt die Frage, wie sich das Urteil auf den gesetzlichen Mindestlohn auswirkt.
Die Klägerin dieses Rechtsstreits war bei dem beklagten ambulanten Pflegedienst vom
15. Juli bis 15. Dezember 2013 als Pflegehilfskraft beschäftigt. Der Arbeitsvertrag der
Klägerin sah eine Verfallklausel vor, wonach alle beiderseitigen Ansprüche aus dem
Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen,
verfallen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten nach der Fälligkeit gegenüber der
anderen Vertragspartei schriftlich erhoben werden. Lehnt die Gegenpartei den Anspruch
ab oder erklärt sie sich nicht innerhalb von zwei Wochen nach der Geltendmachung
des Anspruchs, so soll der Anspruch nach dieser Klausel auch dann verfallen, wenn er
nicht innerhalb von drei Monaten nach der Ablehnung oder dem Fristablauf gerichtlich
geltend gemacht wird.
In dem Verfahren stritten die Parteien über Entgeltfortzahlungsansprüche im Krank-
heitsfalle nach § 3 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG). Die Klägerin verlangte zunächst
außergerichtlich die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle und erhob Klage, nachdem
trotz Aufforderung entsprechende Zahlungen ausblieben. Nach dem Wortlaut der ver-
einbarten Verfallklausel wären diese Ansprüche jedoch bereits verfallen.
Nach Auffassung des BAG (Urteil vom 24.8.2016, Az. 5 AZR 703/15, bislang erst als
Pressemitteilung vorliegend) ist die vereinbarte Verfallklausel wegen Verstoßes gegen
das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB insgesamt unwirksam. Eine im
Arbeitsvertrag vorgesehene Ausschlussfristenregelung, die auch den Anspruch auf das
Mindestentgelt nach § 2 der am 1. August 2010 in Kraft getretenen Verordnung über
zwingende Arbeitsbedingungen für die Pflegebranche (PflegeArbbV) erfasst, verstoße
nach Ansicht des BAG im Anwendungsbereich dieser Verordnung gegen § 9 Satz 3 in
Verbindung mit § 13 Arbeitnehmerentsendegesetz (AEntG) und sei deshalb unwirksam.
Damit sei der Anspruch auf das Mindestentgelt nach § 2 PflegeArbbV nicht wegen der
Versäumung der vertraglichen Ausschlussfrist erloschen. Die Verfallklausel könne nach
Ansicht des BAG auch nicht für andere Ansprüche aufrechterhalten werden, da dem das
Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB entgegenstehe. Im Ergebnis konnte die
Klägerin daher den Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall gem. § 3 Abs. 1
EFZG gerichtlich durchsetzen.
Sonderfall in der Pflegebranche
URTEIL
1...,55,56,57,58,59,60,61,62,63,64 66,67,68,69,70,71,72,73,74,75,...84
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