personalmagazin 06/2015 - page 75

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06/15 personalmagazin
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
Das Interview führte
Michael Miller.
arbeitgebertypischen Weisungen des
Bestellers unterworfen werden.
personalmagazin:
Herr Gerlitzki, was sind
rechtlich gesehen die Vorteile, wenn
Unternehmen IT-ler über Zeitarbeit und
nicht als Freelancer vorübergehend
einsetzen?
Gerlitzki:
Zeitarbeitnehmer werden in
den Entleihbetrieb eingegliedert und
unterliegen hinsichtlich der Ausfüh-
rung der Tätigkeiten dem Weisungs-
und Direktionsrecht der Kundenbe-
triebe. Sie bleiben aber weiterhin
Arbeitnehmer des Personaldienstleis-
ters. Alle Arbeitgeberpflichten oder
der administrative Aufwand verbleiben
beim Zeitarbeitsunternehmen. Die von
Herrn Bissels geschilderten Risiken der
Scheinselbstständigkeit können sich
bei der Arbeitnehmerüberlassung nicht
realisieren. Grundsätzlich kann sich
kein Zeitarbeitnehmer beim Kundenun-
ternehmen einklagen. Jedwedes diesbe-
zügliches Risiko – also etwa auch Ab-
findungszahlungen im Streitfall – trägt
der Arbeitgeber, also das Zeitarbeitsun-
ternehmen.
personalmagazin:
Und wie reduzieren Sie
die Schwierigkeiten bei Werkverträgen?
Gerlitzki:
Werkverträge schließen wir vor
dem Hintergrund der genannten Risi-
ken grundsätzlich nicht ab. Dies gilt
insbesondere für die Überlassung gan-
zer Teams auf werkvertraglicher Basis
und hierbei vor allem, wenn die einge-
setzten Mitarbeiter klassische Aufgaben
des Tagesgeschäfts übernehmen sollen.
Ganz klar – ein solcher Einsatz ist auch
rechtssicher über Werkverträge abbild-
bar. Der administrative Aufwand und
die mannigfachen Risiken lassen uns
aber davon absehen. Auch in solchen
Fällen ist die Arbeitnehmerüberlassung
die bevorzugte Dienstleistung.
personalmagazin:
Und bei Dienstverträgen?
Gerlitzki:
Wenn Kunden unsere Dienst-
leistung des Interim Managements für
spezielle Projektarbeiten im IT-Bereich
nutzen wollen, muss es sich auch um
Projekte und nicht um weisungsgebun-
dene tagesgeschäftliche Tätigkeiten
handeln. Hier verschaffen wir unseren
KundenRechtssicherheit durch ein Prüf-
und Statusverfahren. Jedes Projekt wird
von unseren Juristen vor dem Start ge-
prüft und es muss freigegeben werden.
Auch unsere Vertriebskollegen sind in
diesen sensiblen Themen geschult und
bieten daher die jeweils rechtssichere
Dienstleistung an. Hierbei können wir
sicherlich auch nicht aus Wasser Wein
machen. Auch wir sind definitiv nicht
in der Lage, einen im Schichtdienst ar-
beitenden, selbstständigen „First Level
Supporter“ rechtssicher bei einem un-
serer Kunden auf selbstständiger Basis
einzusetzen. In diesem Fall ist nur die
Arbeitnehmerüberlassung rechtssicher.
personalmagazin:
Welche Rolle spielt der
Betriebsrat beim Einsatz von Zeitarbeit
oder Freelancern, Herr Bissels?
Bissels:
Hierbei ist zu differenzieren, um
welche Art des Fremdpersonaleinsatzes
es geht. Sollten Zeitarbeitnehmer ein-
gesetzt werden, muss der Betriebsrat
nach § 99 Betriebsverfassungsgesetz
diesen personellen Maßnahme im Vor-
feld zustimmen. Er kann der geplanten
Überlassung nach Ansicht des Bun-
desarbeitsgerichts insbesondere dann
widersprechen, wenn der Einsatz – an-
ders, als es § 1 Abs. 1 Satz 2 Arbeitneh-
merüberlassungsgesetz vorsieht – nicht
mehr vorübergehend erfolgen soll. Dar-
auf kann der Kunde wiederum mit vor-
läufigen personellen Maßnahmen nach
§ 100 BetrVG reagieren, wenn er an dem
geplanten Einsatz der Zeitarbeitnehmer
festhalten möchte.
Soll Fremdpersonal dagegen auf
Grundlage eines echten Dienst- oder
Werkvertrags für den Auftraggeber tä-
tig werden, fehlt es in der Regel an einer
Eingliederung in den Betrieb, sodass der
Betriebsrat dem Einsatz nicht zustimmen
muss. Der Auftraggeber kann insoweit
frei entscheiden. Allerdings ist dieser
nach § 80 Abs. 2 BetrVG verpflichtet, dem
Betriebsrat auf Verlangen umfassend
Auskunft über Personen zu erteilen, die
als Fremdpersonal im Betrieb eingesetzt
werden. Aus § 90 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG
kann der Betriebsrat Unterrichtungs- und
Beratungsrechte bei der Fremdvergabe
von Tätigkeiten an Fremdfirmen geltend
machen. Darüber hinaus kann der Be-
triebsrat Alternativen zu einer geplanten
Ausgliederung von Tätigkeiten oder ihrer
Vergabe an Dienstleister vorschlagen, um
die Beschäftigung der eigenen Arbeitneh-
mer im Betrieb sicherzustellen.
DENNIS GERLITZKI
ist Regionaldirektor
und Prokurist bei Amadeus Fire AG und ver-
antwortlich für alle süddeutschen Standorte.
„Letztlich geht es oft darum, ob Unternehmen das
rechtlich richtige und gebotene Vehikel einsetzen.“
Dr. Alexander Bissels, Fachanwalt für Arbeitsrecht bei CMS Hasche Sigle
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