personalmagazin 06/2015 - page 17

17
06/15 personalmagazin
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
Das Interview führte
Kristina Enderle da Silva.
allem die Lohnbuchhaltung oder zum
Beispiel auch das Personalportal mit
der Möglichkeit, sich zu Seminaren an-
zumelden, Urlaub selbst einzutragen
oder Zielvereinbarungen nachzuhalten.
Es gibt viele Systeme am Markt, die man
einkaufen kann. Viel wichtiger ist aber,
unsere HR-Formate so zu gestalten, dass
die Mitarbeiter auch im Kontakt mit HR
merken, dass sie in einem digitalen Un-
ternehmen arbeiten. Wenn sie sich zum
Beispiel per Fax bei einer internen Ver-
anstaltung anmelden müssten, wäre das
eindeutig das falsche Signal. Vorträge
werden vorab mit kurzen Videos ange-
kündigt, am Tag selbst aufgezeichnet
und im Nachgang ins Intranet gestellt.
Bei der Veranstaltung selbst gibt es
auch „Twitter Walls“. Auf diese Weise
nehmen die Mitarbeiter nicht nur die
Inhalte wahr, sondern erleben die Digi-
talisierung hautnah.
personalmagazin:
Welche Kompetenzen
benötigt HR für diese digitale Arbeit?
Laudon:
Einerseits brauchen wir techni-
sche Kompetenzen, um zum Beispiel
Videos zu bearbeiten. Andererseits
braucht es die inhaltlichen Kompeten-
zen. HR-Mitarbeiter sollten sich zum
Beispiel damit auskennen, wie man mit
Social Media umgeht. Wenn jemand bei-
spielsweise eine Facebook-Karriereseite
betreibt, sollte er auch ausreichend
SEO-Kenntnisse haben – also wissen,
wie man die Auffindbarkeit einer Web-
seite in Suchmaschinen optimiert. Und
er muss wissen, welche weiteren Social-
Media-Kanäle sich zum Recruiting eig-
nen, wie er die Zielgruppen inhaltlich
richtig anspricht und wie sich Emplo-
yer-Branding-Spots viral verbreiten.
Hinzu kommt natürlich die Prozesskom-
petenz im agilen Management, die wir
auch selbst bei uns anwenden.
personalmagazin:
Wie haben Sie sich in
diesen neuen Kompetenzen selbst weiter-
gebildet und -entwickelt?
Laudon:
Ich habe zunächst einmal sehr
viel gelesen und Veranstaltungen be-
sucht, um zu erfahren, wie die Digi-
talbranche tickt. Dabei muss man über
den Tellerrand schauen und neben
HR-Zeitschriften auch Digitalmagazi-
ne lesen. Besonders nachhaltig waren
für mich die Erfahrungen, die ich wäh-
rend meines Axel-Springer-Fellowship
gesammelt habe. Ich war dafür einen
Monat lang in der Axel-Springer-WG im
Silicon Valley und konnte vor Ort erle-
ben, was Digitalisierung heißt. Im Zuge
meines Projektauftrags in Stanford habe
ich diverse „Innovation Labs“ besucht
und mit vielen Professoren und Coachs
gesprochen. Zudem habe ich einige
Vertreter aus Unternehmen sowie aus
der Beratungsindustrie getroffen. Über
diesen Austausch habe ich viel darü-
ber gelernt, wie die Digitalisierung die
HR-Arbeit verändert und welche neuen
Kompetenzen gefragt sind.
personalmagazin:
Das heißt, Sie schlie-
ßen sich den Silicon-Valley-Jüngern an,
die die dortigen HR-Maßnahmen nach
Deutschland importieren wollen?
Laudon:
Seit meinem Aufenthalt weiß ich,
dass sich vieles nicht übertragen lässt.
Gerade in kulturellen Fragen unter-
scheiden wir uns in Deutschland stark
von den Silicon-Valley-Unternehmen.
Das Silicon Valley zieht sehr spezielle
Persönlichkeitstypen an, die nicht dem
durchschnittlichen Typ von Mitarbeiter
in europäischen Unternehmen entspre-
chen. Man sollte darum das Beste aus
beiden Welten nehmen. Wir können von
dort lernen, was es heißt, agil zu arbei-
ten. Aber wir brauchen sicherlich kein
Bällebad oder ein Laufband unter dem
Schreibtisch.
personalmagazin:
Wie haben Sie dann
Ihre Mitarbeiter mitgenommen und den
Wandlungsprozess in der Abteilung
angestoßen?
Laudon:
Ich habe versucht, Impulse im
Team zu setzen, damit wirklich alle Lust
darauf bekommen, sich auf den Wand-
lungsprozess einzustellen. Wichtig ist
mir, dass die Mitarbeiter selbst erfah-
ren, wie andere Unternehmen vorgehen.
An unserem Standort in Berlin befinden
wir uns ja mitten in einem „Hotspot“ der
Digitalszene. Hier gibt es so ziemlich
jeden Abend eine Veranstaltung zu die-
sen Themen und somit die Möglichkeit,
sich aktiv umzusehen. In meinem Jour
fixe mit dem Team ist außerdem Zeit
reserviert, in der Mitarbeiter von inte-
ressanten Veranstaltungen, Blogs oder
Apps berichten können. Zudem gebe
ich meinen Mitarbeitern viel Freiraum,
um Dinge einfach auszuprobieren. Und
wir haben uns Experten ins Unterneh-
men geholt, die uns geschult haben. Das
waren sowohl technische Schulungen
wie beispielsweise die professionelle
Produktion von Videos mit dem Smart-
phone als auch Best-Practice-Vorträge
wie zum Beispiel von den Innovation
Evangelists.
personalmagazin:
Haben Ihre Mitarbeiter
denn gleich mitgezogen?
Laudon:
Ja, auf jeden Fall. In unserem Un-
ternehmen weiß jeder, dass die Digita-
lisierung nicht aufzuhalten ist. Das Ma-
nagement hat klar kommuniziert, dass
der Journalismus in diesem Wandel
weiterhin eine große Zukunft hat. Wir
haben keinen fatalistischen Zukunfts-
glauben, sondern eine vielversprechen-
de Zukunftsvision, in der unsere Medi-
en noch eine große Rolle spielen. Die
daraus entstehende Energie beflügelt
uns als Personalbereich, den Wandel
zu gestalten. Ich denke, so ist es uns ge-
lungen, zum Berater und kompetenten
Partner in digitalen Themen im Unter-
nehmen zu werden.
„Unsere Mitarbeiter
müssen im Kontakt mit
HR merken, dass sie in
einem digitalen Unter-
nehmen arbeiten. Sie
müssen die Digitalisie-
rung hautnah erleben.“
1...,7,8,9,10,11,12,13,14,15,16 18,19,20,21,22,23,24,25,26,27,...84
Powered by FlippingBook