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PERSONALquarterly 03/17
SCHWERPUNKT
_HR-ANALYTICS
eigene Personalarbeit genutzt werden können. Es lohnt sich
also, die bestehenden Erkenntnisse der Personalforschung als
Startpunkt zu nutzen, bevor diese Erkenntnisse über eigene
Analysen für das eigene Unternehmen geprüft und unter Um-
ständen angepasst werden.
Dieser Blick auf externe Ergebnisse ist umso wichtiger, je
weniger Daten im eigenen Unternehmen vorliegen. Viele Ana-
lysen lassen sich nur mit größeren Datensätzen sinnvoll durch-
führen. Möchten Sie bspw. wissen, wie wichtig die Vielfalt in
Ihren R&D-Teams für deren Innovationspotenzial ist, reicht es
nicht aus, nur fünf Teams zu untersuchen. Zu viele weitere
Faktoren bestimmen die Innovationskraft und erst größere
Stichproben können dieses „Rauschen“ durch die vielen nicht
untersuchten Effekte kontrollieren.
Leider zeigt sich, dass die meisten Studienergebnisse in der
Praxis nicht oder kaum bekannt sind. Diese Theorie-Praxis-
Lücke haben Heiko Weckmüller und Torsten Biemann zu-
sammen mit der DGFP in einer Studie untersucht, bei der
Personalmanagern Statements vorgelegt wurden, für die es
in der Personalforschung recht klare Ergebnisse gibt. Bei-
spiel: „Hat die Generation Y grundlegend andere Wertvor-
stellungen?“ Antwort: Nein. Oder: „Sind Intelligenztests gut
für die Personalauswahl geeignet?“ Antwort: Ja. Die meisten
Personalmanager gaben für diese und viele andere State-
ments Einschätzungen ab, die dem Stand der Forschung in
der Wissenschaft widersprechen. Ein People-Analytics-Pro-
jekt kann entsprechend viel davon profitieren, nicht bei null
anzufangen, sondern mit dem Kenntnisstand der modernen
empirischen Personalforschung zu beginnen. Ein Beispiel
sind etwa Studien zur Frage nach der Wirkung von Vielfalt
in Teams. Wissenschaftliche Studien zeigen, dass die Zusam-
mensetzung hinsichtlich Geschlecht, Alter oder Nationalität
zumeist keinen starken Einfluss auf die Teamleistung hat, es
aber sehr wohl relevant ist, beim Recruiting die besten Kan-
didaten aus allen Gruppen für das eigene Unternehmen zu
gewinnen. Entsprechend könnte es für ein People-Analytics-
Projekt sinnvoll sein, den Fokus nicht zu sehr auf die Vielfalt
bei der Gruppenzusammensetzung zu legen, sondern eher
auf das Ziel zu fokussieren, in verschiedenartigen Gruppen
ein attraktiver Arbeitgeber zu sein.
Empfehlung:
Starten Sie das Design Ihrer People-Analytics-
Projekte basierend auf schon bestehender wissenschaftlicher
Evidenz. Diese können Sie mit eigenen Analysen oder auch
eigenen RCTs für Ihr Unternehmen spezifizieren.
Die oben genannte Diskrepanz zwischen dem Stand der For-
schung und dem Wissen der Personaler ist wohl auch einem
Vermittlungsdefizit von Seiten der Forscher geschuldet. Um
dieses Wissen noch effektiver in die Praxis zu tragen, werden
die Autoren dieses Beitrags im neu eingerichteten Blog-Por-
tal
von interessanten aktuellen
Studien berichten, auf Metastudien zu bestimmten Themen-
feldern verweisen und Beispiele für typische Irrtümer disku-
tieren und dadurch zum Hinterfragen der eigenen Intuition
animieren.
Fazit
Wir sind fest davon überzeugt, dass People Analytics kein
kurzfristiger Trend ist, sondern langfristig ein zentrales Ele-
ment nachhaltiger Personalpolitik sein wird. Insbesondere
bietet People Analytics der Personalfunktion die Chance, sich
zu einem strategischen Business Partner im Unternehmen zu
entwickeln.
Dieser Trend nährt sich zum einen aus der besseren Da-
tenverfügbarkeit und leistungsfähigeren IT-Systemen, die
einen einfachen und strukturierten Zugriff auf detaillierte
und vernetzte Personaldaten liefern. Die in den „normalen“
Verwaltungsprozessen anfallenden Personaldaten gewinnen
auch an Analysepotenzial, wenn sie zusätzlich durch regelmä-
ßige Online-Surveys ergänzt werden, die die Wahrnehmungen
und Meinungen von Mitarbeitern messen. Wo noch nicht ge-
schehen, sollten hier in den Personalabteilungen die entspre-
chenden Kompetenzen und Strukturen aufgebaut werden, um
solche Daten systematisch zu verknüpfen und auszuwerten.
Zum anderen hat gerade die personalökonomische For-
schung der letzten 15 Jahre eine ausgeprägte Sensibilität dafür
entwickelt, zwischen zwei grundsätzlichen Erkenntniszielen
von People Analytics zu unterscheiden. Durch korrelative
Analysen, auch in multivariaten Regressionsmodellen, lassen
sich aus bestehenden Daten bisweilen sehr effektive Progno-
semodelle entwickeln. Nicht verwechseln darf man jedoch
diese korrelativen Zusammenhänge mit kausalen Ursache-
Wirkungsketten. Sprachdisziplin ist hier ein wichtiger Aspekt:
Missverständliche oder schlicht falsche Kommunikation, die
Korrelation und Kausalität vermengt oder verwechselt, ist zu
vermeiden. Kausalzusammenhänge lassen sich nur in „expe-
rimentellen“ (Treatment- und Kontollgruppen-)Situationen
untersuchen. Gleichzeitig erlauben aber gerade durch solche
„A-B Tests“ oder RCTs gut validierte Erkenntnisse über kau-
sale Wirkzusammenhänge die Entwicklung nachhaltiger Busi-
ness Cases. Und genau diese Art von Handlungsempfehlungen
macht People Analytics extrem wertvoll für die Steuerung von
Unternehmen.