PERSONALquarterly 3/2017 - page 17

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03/17 PERSONALquarterly
ABSTRACT
Forschungsfrage:
Wie wirksam ist die Einführung der Betriebsvereinbarung „Mobiles Arbei-
ten“ und wie können Nutzungsunterschiede im Unternehmen erklärt werden?
Methodik:
Auswertung der Nutzung von mobiler Arbeit durch die systemische Erfassung
der Arbeitszeit über einen Zeitraum von einem Jahr. Verknüpfung der Nutzungsdaten mit
aggregierten Daten der jährlichen Mitarbeiterbefragung. Ergänzung um Ad-hoc-Interviews
als Interpretationshilfe und zur Validierung.
Praktische Implikationen:
Über Verbreitungsmuster und Nutzungsunterschiede sollen
maßgeschneiderte Handlungsempfehlungen und Anschlussmaßnahmen abgeleitet wer-
den. Die Analyse erlaubt Rückschlüsse über Maßnahmen zur Arbeitszeitflexibilisierung, die
relevant für ähnliche Projekte sind und die Entscheidungsqualität erhöhen können.
jenseits des Arbeitsplatzes versprechen, dass durch mobile Ar-
beit der empfundene Konflikt zwischen Arbeits- und Privatleben
reduziert, Stress verringert und die Work-Life-Balance verbes-
sert werden kann (Hill et al., 2010; Grzywacz et al., 2008).
Mobile Arbeit kann auch negative Auswirkungen haben:
Studien berichten über wahrgenommene soziale Isolation und
reduzierten (Wissens-)Austausch unter Kollegen sowie über
generelle Kommunikations- und Koordinationskosten (Allen
et al., 2015). Als Risiken sind eine mögliche Intensivierung der
Arbeit und das Anhäufen von (unbeobachteten) Überstunden
bekannt (Putnam et al., 2014); gleichzeitig kann das orts- und
zeitunabhängige Arbeiten dazu führen, dass nicht mehr klar
abgrenzbar ist, wo die Arbeit aufhört und das Privatleben be-
ginnt – ein potenzieller neuer Stressfaktor.
Als ein wichtiger Moderator für den Erfolg oder Misserfolg
von mobiler Arbeit hat sich die Intensität von mobiler Arbeit
herauskristallisiert (Allen et al., 2015). Studien zeigen, dass ein
gesundes Mittelmaß in der Häufigkeit von mobiler Arbeit vor-
wiegend mit positiven Konsequenzen einhergeht: Bei Golden
und Veiga (2005) war die Mitarbeiterzufriedenheit am höchsten
für diejenigen Mitarbeiter, die mit mittlerer Häufigkeit mobil
arbeiteten (in der Studie waren das im Durchschnitt 15,1 Stun-
den wöchentlich) – im Vergleich zu Mitarbeitern, die kaum oder
extensiv mobil arbeiteten. Ähnliche Effekte wurden für den Zu-
sammenhang zwischen mobiler Arbeit und Konflikten zwischen
Arbeit und Privatleben gefunden (Gajendran/Harrison, 2007).
Die Widerstände bei der Implementierung
Die Forschung zeigt jedoch auch, dass die Einführung von
Angeboten zur mobilen Arbeit nicht automatisch auch zu ei-
ner entsprechenden Nutzung im Unternehmen führt. Häufig
werden entsprechende Regelungen formal implementiert, dif-
fundieren in der Nutzung aber nicht oder nur sehr ungleichmä-
ßig durch das Unternehmen. Kurz: Sie werden nicht „gelebt“.
Dieser Bruch zwischen Implementierung und Nutzung, der
„Implementation Gap“ (McNamara et al., 2012; Ryan/Kossek,
2008), kann verschiedene Gründe haben:
1. Ungeeignete Arbeitsaufgabe und technische Ausstattung:
Ein plausibler Faktor, der die Nutzung von mobiler Arbeit
beeinflusst, ist die „Mobiltauglichkeit“ der Tätigkeit. Ist die
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Führungskräfte, die die Betriebsvereinbarung umsetzen sol-
len, zugleich aber positive und negative Assoziationen haben
können,
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HR Professionals, die die Regelung ausarbeiten und kommu-
nizieren sollen und Führungskräfte beraten;
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der Betriebsrat, der die Vereinbarung als mitbestimmender
Partner mitgestaltet etc.
Die Vielzahl an Akteuren und Interessenmacht einfache Aussa-
gen zur Wirksamkeit schwierig. Ziel des Kooperationsprojekts
ist es, belastbare Grundlagen für zukünftige Entscheidungen
des Unternehmens herbeizuführen.
Forschungsergebnisse zur Einführung von flexiblen
Arbeitsformen
Änderungen von Arbeitszeitregelungen werden in der Litera-
tur als besonders brisant diskutiert, nicht zuletzt, da Arbeits-
zeiten die individuelle Organisation von Arbeit und Privatleben
und damit die Lebensführung aller Mitarbeiter betreffen. Zeit
als Nullsummen-Quantität lässt sich nur der einen oder der
anderen Domäne widmen – mehr Orts- und Zeitsouveränität
für den Mitarbeiter bricht daher die zeitlichen und örtlichen
Grenzen von Arbeit auf und eröffnet Möglichkeiten, die eigene
Arbeit neu zu organisieren (Kalleberg/Epstein, 2001, S. 1064).
Beispiele sind der Entwickler, der spätabends die besten Ideen
hat, Eltern, die Betreuungs-, Bring- und Holzeiten besser in
den Arbeitsalltag integrieren können, oder Pendler, die dem
Berufsverkehr zeitweise besser entgehen können.
Mobile Arbeit, in der deutschen Literatur meist Telearbeit
1
ge-
nannt, gilt daher als Maßnahme, die die Produktivität, Zufrieden-
heit und das Engagement von Mitarbeitern erhöhen kann (Allen
et al., 2015). Eine aktuelle Experimentalstudie in einer großen,
multinationalen Firma in China bestätigt direkte Produktivitäts-
effekte von mobiler Arbeit. Dabei wurde die Produktivität von
Call-Center-Mitarbeitern immobilen Büro über neunMonate hin-
weg direkt mit der Produktivität ihrer Kollegen im traditionellen
Büro verglichen: Für kreative Aufgaben stieg die Produktivität
durch mobile Arbeit um 11 bis 20%, während sie für eintönige
Aufgaben um 6 bis 10% sank (Bloom et al., 2013). Auswirkungen
1 Im Englischen finden sich verschiedene Begriffe, u.a.: „telecommuting, teleworking, virtual working,
home-working, remote working, off-site working, mobile working, working at a distance“.
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