PERSONALquarterly 3/2017 - page 12

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PERSONALquarterly 03/17
SCHWERPUNKT
_HR-ANALYTICS
eines RCT die Effekte von Empfehlungsalgorithmen bei der
Rekrutierung. Er kann zeigen, dass durch solche automatisier-
ten Empfehlungssysteme die Effektivität von Rekrutierungs-
prozessen im technischen Bereich ansteigt: Wenn es diese
Empfehlungen gab, stieg die Wahrscheinlichkeit, eine Stelle
zu besetzen, um im Schnitt 20 Prozentpunkte an. Besonders ef-
fektiv waren die Algorithmen für Stellen, bei denen der Markt
erwartungsgemäß sehr dünn besetzt ist.
Empfehlung
: Führen Sie HR-Maßnahmen wenn möglich erst
in zufällig gewählten Teilgruppen ein. Durch die Durchführung
eines solchen RCTs (Randomized Controlled Trials) können
Sie die kausale Wirkung von Maßnahmen sauber und präzise
evaluieren.
Gerade bei der Implementierung von RCTs spielt das kon-
krete Design der Intervention eine große Rolle, um danach
auch tatsächlich belastbare kausale Zusammenhänge identi-
fizieren zu können. Um ex-post valide statistische Aussagen
treffen zu können, muss z.B. schon in der Designphase darauf
geachtet werden, dass die Treatment- und Kontrollgruppen hin-
reichend groß gewählt werden (durch sog. „Power-Analysen“).
Schon im Vorfeld muss festgelegt werden, welche Kennzahlen
von besonderem Interesse sind und welche Daten zur Erfolgs-
kontrolle erfasst werden müssen. Die zufällige Zuteilung von
Beobachtungseinheiten in Kontroll- und Treatmentgruppe er-
fordert bisweilen einiges an Überlegung. Es ist wichtig, mög-
liche Spill-over-Effekte (z.B. Erfährt die Kontrollgruppe vom
„Treatment“ der anderen? Und wenn ja, hat dies unerwünsch-
te Auswirkungen auf diese?) vorab zu bedenken und wenn
möglich zu minimieren. Diese Liste ließe sich um einiges fort-
setzen. Das Wissen zur professionellen Umsetzung von RCTs
ist inzwischen im universitären Forschungsbereich an vielen
Standorten vorhanden und gerade bei der Implementierung
von solchen Projekten bietet sich die Kooperation mit univer-
sitären Partnern an. Aus der Zusammenarbeit ergeben sich oft
klare Vorteile für beide Seiten:
Empfehlung
: Schaffen Sie Win-Win-Situationen durch Koo-
peration zwischen Forschung und Praxis bei der Durchfüh-
rung von RCTs: Unternehmen gewinnen handlungsrelevante
Erkenntnisse zur Wirksamkeit von HR-Instrumenten und Wis-
senschaftler können RCTs nutzen, um klare Kausalerkennt-
nisse zu generieren, die die Forschung voranbringen.
Nicht überall können HR-Maßnahmen zuerst in zufällig se-
lektierten Teilgruppen eingeführt werden. Und auch nicht alle
HR-Maßnahmen eignen sich für diese Vorgehensweise. Dieses
(berechtigte) Argument wird leider oft missbraucht, um den
Wert von (quasi-)experimentellen Zugängen generell infrage
zu stellen. Das Augenmerk sollte vielmehr darauf gerichtet sein,
möglichst viele sinnvolle Anwendungen zu identifizieren und
saubere Kausalnachweise dort zu führen, wo es möglich ist.
Ganz ähnlich ist auch der Hinweis auf bewusst selektive, also
nicht zufällige, Anwendungen zu verstehen. Oftmals argumen-
tieren HR-Professionals, der reine (durchschnittliche) Kausal-
effekt interessiere sie nicht; sie seien nicht daran interessiert
zu erfahren, wie eine Trainingsmaßnahme im Durchschnitt
wirke, sondern wie sie bei bestimmten Mitarbeitern anschlage
(z.B. bei neuen Mitarbeitern in einem Traineeprogramm). Auch
hier gilt analog, dass die Wirkung des Trainings (z.B. auf die
Verringerung der Frühfluktuation oder auf den Aufbau sozialer
Netzwerke) nur kausal interpretiert werden kann, wenn aus
der zu untersuchenden Gruppe eine zufällige Auswahl erfolgt.
Manchmal wird angeführt, dass eine Zufallsauswahl zu
ungerechter Ungleichbehandlung von Arbeitnehmern führt.
Dies muss aber nicht so sein, wenn die Zufallsauswahl nur
den Startzeitpunkt einer Maßnahme bestimmt. Z.B. kann eine
(zufällig ausgewählte) Teilmenge von Mitarbeitern früher in
ein Trainingsprogramm einsteigen als andere. Auch wenn am
Ende alle relevanten Mitarbeiter das Training erhalten haben,
kann schon die zeitliche Verschiebung des Startpunkts hel-
fen, den Effekt zu ermitteln, ohne Mitarbeiter dauerhaft zu
benachteiligen.
Praxisnutzen I: Was gewinne ich, wenn ich in meinem Un-
ternehmen People Analytics betreibe?
„Unsere Mitarbeiter sind unsere wichtigste Ressource“ – das-
selbe scheint nicht zwangsläufig auch für HR zu gelten. Zwar
belegen neuere Studien den ökonomischen Wert von „gutem
(People) Management“ (Bloom et al., 2012), aber die Personal-
funktion kann davon offensichtlich nur bedingt profitieren.
Bereits 1997 hatte Dave Ulrich resümiert: „I am an optimist
about HR, […] because the issues with which HR professionals
deal are at the heart of organizational success. I believe that
when given the opportunity and direction, HR professionals
act professionally. When they know theory, they set high stan-
dards; when they know how to add value, they do so; when
they are given opportunity, they respond. Now is the time.“
20 Jahre später muss man diese Prognose kritisch sehen. In
vielen Unternehmen ist die Personalfunktion noch immer
„on the table“ statt „at the table“. Die Gründe sind vielfäl-
tig. Personalmanager sind auch heute oftmals noch skeptisch
oder schlecht vorbereitet, wenn es um (digitale) Prozesse und
robuste Datenanalysen geht, und auch in der universitären
Ausbildung lassen sich Selektionsprozesse identifizieren,
die andeuten, dass analytische Skills bei angehenden HR-
Professionals tendenziell unterrepräsentiert sind (Schüßler/
Wallmeier/Weller, 2017).
People Analytics ist aus unserer Sicht kein Trend, der kommt
und geht, sondern kommende (und bleibende) Realität. Die
Vergangenheit hat wiederholt gezeigt, dass sich Technologien
und Methoden, die finanzierbar und ökonomisch wertsteigernd
eingesetzt werden können, durchsetzen. People Analytics wird
die Personalarbeit grundlegend verändern, aus der Innen- wie
Außensicht. HR-Abteilungen, die Führungskräften und Sozi-
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