CONTROLLER Magazin 5/2016 - page 44

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für plausibel hält, der wird den Nutzen erken-
nen. Wer sich als Führungskraft gegen die
Vorstellung sträubt, dass Erfolg oder Misser-
folg bei der Steuerung der Organisation auch
etwas zu tun hat mit der
persönlichen Hal-
tung
der Führungskraft selbst, der wird an
keinen Nutzen glauben und daher auch kei-
nen feststellen können.
Biel:
Controllerinnen und Controller gehen in
vielfacher Weise
mit Zahlen um
. Zahlen ver-
mitteln ein Gefühl von Sicherheit und signalisie-
ren Genauigkeit. Das Selbstverständnis der
Controller ist auf harte, also in Zahlen aus-
drückbare Daten und Fakten fokussiert. Sehen
Sie dies als Vertreter des systemischen Ansat-
zes auch so?
Dr. Dr. Bauer:
Natürlich, systemisches Control-
ling wird auch zukünftig Daten erheben. Aber
es wird sich eine gewisse kritische Distanz zu
dieser Art von Wirklichkeitskonstruktion be-
wahren. Es wird die
Zahlen hinterfragen
und
ihre Genauigkeit relativieren. Und es wird diese
Wirklichkeitskonstruktion ergänzen durch ge-
fühlte und intuitive Wahrnehmungen und durch
Beschreibungen von Beobachtungen unter-
schiedlicher Beteiligter aus unterschiedlichen
Perspektiven.
Biel:
Sicherung der Rationalität ist eine viel
zitierte Aufgabenstellung der Controller. Der
systemische Ansatz betont hingegen deutlich
das Emotionale. Wie gehen Emotionalität und
Rationalität zusammen?
Dr. Dr. Bauer:
Der Imperativ der Rationalität in
Organisationen wird zunehmend als Mythos ent-
larvt. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass
ein Großteil unserer unwillkürlichen
Selbststeu-
erungsmechanismen auf Grundlage von
Emotionen
erfolgt, die in unserem Reptilienge-
hirn ihren Ausgang nehmen. Diese archaischen
Reiz-Reaktions-Mechanismen setzen eine Viel-
zahl unserer Handlungsimpulse. Erst nachträg-
lich konstruieren wir uns rationale und scheinbar
plausible Begründungen für unser Handeln.
Biel:
Denken Sie dabei an ein vergleichendes,
prüfendes und vertiefendes Denken?
Dr. Dr. Bauer: Selbstreflexion und Feedback
von unterschiedlichen Seiten sind sehr wichtig.
Dr. Dr. Bauer:
Ich bin klar dagegen, jede Mo-
dewelle mitzumachen. Aber lassen Sie mich
mit einem Zitat antworten: Kurt Lewin sagt:
Nichts ist so praktisch, wie eine gute Theorie.
Biel:
… worin liegt nun der handfeste Nutzen
Ihres Ansatzes?
Dr. Dr. Bauer:
Der
Nutzen des systemischen
Ansatzes
liegt aus meiner Sicht auf der Hand:
Je detaillierter die Bilder sind, desto besser ist
die Orientierung des Managements und die
Grundlage für weitere Steuerungsentscheidun-
gen. Und dann müsste in der Folge die Control-
lingkraft der Führungskraft bei der Auswahl und
beim Umsetzen systemischer Steuerungsinter-
ventionen beratend zur Seite stehen und beide
könnten im Zuge des Steuerungsprozesses
ständig dazulernen, welche Interventionen be-
sonders wirksam sind. Denn nicht nur das Be-
obachten ist für die systemische Steuerung
wichtig, es braucht auch für die Führungsinter-
ventionen systemische Methoden, Instrumente
und Werkzeuge.
Biel:
Gibt es für den Nutzen des Systemischen
Ansatzes Beweise oder Belege?
Dr. Dr. Bauer:
Die Reaktionszeiten einer Or-
ganisation auf einen Wandel in der Organisa-
tionskultur sind aus meiner Sicht zu langfris-
tig, als dass man die Ergebnisse eindeutig auf
diese
Kulturentwicklungsprozesse
zurück-
führen könnte. Es ist wohl so, dass man an
den Nutzen glauben muss. Wer die vorste-
henden Argumente nachvollziehen kann und
de Organisation maschinenähnlich funktio-
niert. Mit der
steigenden Differenzierung
und Komplexität
moderner Organisationen ist
es aber von Vorteil, das bisherige Controlling
mit Aspekten des systemischen Controllings zu
ergänzen, um weiterhin wirkungsvoll steuern
zu können.
Biel:
„Systemisch“ doch eher eine Ergänzung
als eine Alternative zum Controlling?
Dr. Dr. Bauer:
Es ist keineswegs erforderlich,
die bisherigen Errungenschaften des Control-
lings über Bord zu werfen.
Viele herkömmli-
che Controllingwerkzeuge haben durchaus
systemischen Charakter. Neu ist aber,
dass
systemisches Controlling
eine entsprechende
Haltung und Selbstreflexionsfähigkeit
der
handelnden Personen
fordert und voraus-
setzt
, und dass es sich nicht nur mehr mit har-
ten Fakten, sondern auch mit Emotionen, Stim-
mungen, Beziehungen oder Sinnkonstruktionen
der in Organisationen beteiligten Menschen
auseinandersetzt.
Biel:
Wir müssen sicherlich gegenüber neuen
Gedanken und Entwicklungen immer aufge-
schlossen, aber auch kritisch sein. Daher ist zu
fragen,
welchen praktischen Mehrwert
brin-
gen diese Konzepte und sind sie auch wirklich
praxistauglich. Ein Zitat der erwähnten Preis-
trägerin Silvia Puhani bringt das Problem auf
den Punkt: „Der Unterschied zwischen Theorie
und Praxis ist in der Praxis größer als in der
Theorie.“ Lässt sich der Nutzen des systemi-
schen Ansatzes für das Controlling belegen?
Autoren
Mag. Dr. Dr. Günther Bauer, MSc
ist Geschäftsführer der SZL-GmbH, nebenberuflich Dozent &
Berater.
E-Mail:
Tel.: +43 664 20 22 803
Fachjournalist (DFJS) Dipl.-BW Alfred Biel
ist Autor, Interviewer und Rezensent verschiedener Medien,
vorwiegend der Haufe Mediengruppe, mit reichhaltiger Erfah-
rung aus verantwortlichen Konzern-Tätigkeiten und Aufgaben
in mittelständischen Unternehmen. Betriebswirtschaftliches
und journalistisches Studium. Ehrenmitglied des Deutschen
Fachjournalisten Verbandes (DFJV) und des Internationalen
Controller Vereins (ICV).
Interview zum Thema: Systemisches Controlling
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