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unternehmerische Entscheidungsträger aus-
gesetzt sind und die zu riskanten und nicht-
rationalen Entscheidungen führen (vgl. Abbil-
dung 1). Es stellt sich also die Frage, inwieweit
diese verbesserte Informationslage im unter-
nehmerischen Entscheidungsprozess tatsäch-
lich genutzt wird.
Primärerhebung zur
Entscheider-„Best Practice“
von Unternehmenslenkern
Hierzu wurde eine Befragung von über hundert
Führungskräften (n=105) durchgeführt
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, um
die „Best Practices“ bei Entscheidungsträgern
zu untersuchen. Die Teilnehmer repräsentieren
einen Querschnitt sowohl in Hinblick auf Ver-
antwortungsbereich, Lebensalter, Führungser-
fahrung und -position im Unternehmen. Knapp
30% der Teilnehmer sind auf Vorstand / Ge-
schäftsführungsebene, weitere 30 % auf Be-
reichsleiter / 1. Managementebene, und weite-
re 36% auf Abteilungsleiter / 2. Managemen-
tebene tätig. Die Teilnehmer sind durchweg
recht erfahren, 74% weist mehr als 10 Jahre
Führungserfahrung auf (vgl. Abbildung 2), ent-
sprechend ist gut die Hälfte der Teilnehmer
(52%) mindestens 50 Jahre alt. Dieses Alter ist
insofern interessant, als dass die Entscheider
typischerweise bereits einen umfassenden Er-
fahrungsschatz gesammelt haben, um rich-
tungsweisende Weichenstellungen für den
Fortbestand des Unternehmens vornehmen zu
können. Allerdings gibt es in einer derartigen
Lebenssituation bei gravierenden Änderungen
auch viel zu verlieren.
In einem von Komplexität und Dynamik („Dyn-
axity“) gekennzeichneten Umfeld ist die Über-
tragbarkeit bekannter Entscheidungsmuster
aus der Vergangenheit in Frage zu stellen.
Gute unternehmerische Entscheidungen le-
gen die Berücksichtigung aktueller, relevanter
Informationen nahe. In der Untersuchung wur-
de erfasst, wie einerseits eigene Erfahrungen
unter veränderten Bedingungen in den Ent-
scheidungsprozess einfließen und anderer-
seits, welchen Stellenwert die Informations-
versorgung dabei tatsächlich hat. Die Vermu-
tung eines rationalen Entscheidungsprozes-
ses konnte keineswegs bestätigt werden. Im
Gegenteil, trotz vielfältiger Informationsver-
sorgung scheinen andere – nicht-rationale –
Kriterien nach wie vor die treibenden Kräfte
zu sein.
So zeigt sich, dass die eigenen
Erfahrungen oft die Basis für unternehmeri-
sche Entscheidungen sind.
Über alle Erfahrungs- (und Altersklassen) hin-
weg müssen Entscheidungen gelegentlich bis
oft unter veränderten Rahmenbedingungen ge-
troffen werden. Dennoch geschieht dies häufig
unter Anlehnung an alte Erfahrungen. Zwar er-
weitert sich mit zunehmender Erfahrung das
Spektrum von Entscheidungsalternativen, da
die Erfahrung zu einer vermeintlich besseren
Prognosefähigkeit führt, allerdings wird letzte-
re gleichsam eingeschränkt durch veränderte
Rahmenbedingungen. Entsprechend ist es op-
portun, im Zeitalter von steigendem Informati-
onsbedarf (durch die zunehmende Dynamik
und Komplexität) und Informationsangebot
(Stichwort „Big Data“), relevante Informationen
beim Entscheidungsprozess zu berücksichti-
gen. In der Umfrage zeigt sich jedoch genau
das Gegenteil. Die Basis der Entscheidungsfin-
dung ist zumeist nicht faktenbasiert, das
Bauchgefühl dominiert (vgl. Abbildung 3). Dies
wird bei der Frage bestätigt, inwieweit alle re-
levanten Informationen in der Entscheidungs-
findung berücksichtigt werden. Der leichte An-
stieg mit dem Lebensalter deutet darauf hin,
Abb. 1: Einflussfaktoren in der unternehmerischen
Entscheidungsfindung
Abb. 2: Klassifikation der Umfrage-Teilnehmer:
Führungserfahrung in Jahren (n = 105)
Abb. 3: Bedeutung des „Bauchgefühls“ bei unternehmerischen Entscheidungen (Position der Kreise
entspricht dem Mittelwert, Größe der Kreise der Standardabweichung, n = 105)
Autor
Prof. Dr.-Ing. Dr. rer. oec. Stefan Vieweg, CFA
vertritt internationale Unternehmensführung (MBA), Control-
ling, Compliance & Corporate Governance an der Rheinischen
Fachhochschule Köln und berät in Veränderungsprozessen. Er
ist als Aufsichtsrat, Vorstand und CFO international langjährig
erfahren und Autor diverser Publikationen.
E-Mail:
CM September / Oktober 2016