CONTROLLER Magazin 5/2016 - page 43

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Biel:
Seit vorgenannter Veröffentlichung und
Auszeichnung ist die Fachdebatte bereichert
um den Begriff
„Systemischer Revisionsan-
satz“
. Es gibt Überlegungen, diesen spezifi-
schen Ansatz auf andere Bereiche auszuwei-
ten. Wie sehen Sie es?
Dr. Dr. Bauer:
Um systemisches Management
zu ermöglichen und zu unterstützen, halte ich
es für wichtig, die einzelnen Handlungsfelder
und Verantwortungsbereiche des Manage-
ments, wie zum Beispiel Revision, Controlling,
Organisationsentwicklung, Strategieentwick-
lung, Personalmanagement usw. mit systemi-
schen Denkfiguren zu hinterlegen, um deutlich
zu machen, wie systemisches Management in
diesen Bereichen aufgebaut sein müsste und
praktisch funktionieren könnte.
Biel:
In Ihrem Buch haben Sie kritisiert, dass
das klassische Controlling aus Ihrer Sicht bisher
weitgehend ohne theoretisches Konzept aus-
kommt.
Dr. Dr. Bauer:
Obwohl sich Controlling mit der
Steuerung komplexer Systeme beschäftigt,
fehlte dafür bisher jegliche theoretische Fundie-
rung. Neben der Systemtheorie wären ja auch
noch Spieltheorie oder verhaltenstheoretische
Ansätze vorstellbar. Doch welche
Theorie-
grundlage
wäre für das Controlling besser ge-
eignet, als eine Theorie zum Verständnis und
zur Steuerung komplexer sozialer Systeme?
Mein Anliegen war es daher, dem Controlling
eine systemtheoretische Grundlage zu ver-
schaffen, aus der wir
sehr konkrete und
praktisch relevante Schlussfolgerungen
für
unsere Controlling-Aktivitäten ziehen können.
Biel:
Bitte lassen Sie nachfassen. Der systemi-
sche Ansatz wird bislang vor allem in therapeu-
tischen und beratenden Kontexten angewandt.
Controlling hingegen ist nach vorherrschendem
Verständnis der Steuerungsprozess, der durch
Zusammenwirken vom Manager und Controller
wahrgenommen wird. Halten Sie diesen Steue-
rungsprozess oder das Steuerungsmodell bzw.
die Steuerungsaktivitäten für verbesserungs-
bedürftig?
Dr. Dr. Bauer:
Vermutlich müssen wir differen-
zieren. Herkömmliche Controllingansätze sind
umso besser geeignet, je eher die zu steuern-
tion auf Augenhöhe und des Interesses an der
Sichtweise des Gegenübers. Es stellt die Be-
ziehungen in den Vordergrund und beachtet
Emotionen, ist eher aktionistisch als analytisch
(das natürlich schon auch), manchmal sogar
spielerisch und verzichtet oft ganz bewusst auf
Zweckrationalität in der Hoffnung, abseits ge-
wohnter Pfade Neues und Nützliches zufällig
zu entdecken.
Biel:
Bitte lassen Sie uns das Thema etwas dre-
hen. Der 2016 erstmals etablierte
Praxispreis
der Systemischen Gesellschaft
wurde für ein
Wirtschaftsbuch verliehen, nämlich der Autorin
Silvia Puhani für ihren Titel „Erfolgreiche Prü-
fungsprozesse in der Internen Revision“ (Rezen-
sion im CM-Literaturforum 6/16). Das Buch be-
fasst sich mit der Rolle und den Problemen von
Prüfern und geht besonders auf die Themen
Kommunikation und Konfliktmanagement ein.
Warum und wie kann der systemische Ansatz
Revisionsprozesse wirksamer machen?
Dr. Dr. Bauer:
Wenn wir genau beobachten,
dann müssen wir wohl zugestehen, dass
Revi-
sionsprozesse
keine rein rationalen Vorgänge
sind. Sowohl bei den Prüfern als auch bei den
Geprüften
spielen Emotionen eine entschei-
dende Rolle
. Diese Vorgänge werden von den
Beteiligten vor dem Bedeutungshintergrund ei-
ner jahrelang gewachsenen Organisationskul-
tur interpretiert. Eine Fehlerkultur, die auf Bes-
serwisserei, Beschuldigung oder Bestrafung
abzielt oder die eine hierarchische Asymmetrie
zwischen Prüfern und Geprüften aufrechter-
hält, wird weniger erfolgreiche Revisionspro-
zesse zulassen, als eine Kultur,
in der Fehler
als gemeinsam zu nutzende Lernchancen
interpretiert werden
.
Biel:
Welche Folgerungen ziehen Sie aus die-
sem Sachverhalt?
Dr. Dr. Bauer:
Wenn es gelingt, eine vertrau-
ensvolle
Kooperationsbeziehung
zwischen
Revisoren und Geprüften aufzubauen, so ist
das die beste Grundlage für erfolgreiche Ver-
besserungsprozesse. Dafür braucht es ein ge-
wisses Maß an Selbstreflexionsfähigkeit der
Revisoren, denn sie können mit ihrem Verhalten
entscheidend zur Zerstörung oder zum Aufbau
von Vertrauen und damit auch zur Offenheit für
Veränderung beitragen.
für, dass eine Organisation zu einer lernenden
Organisation wird, ist es, dass sie bereit und in
der Lage ist, die aus dem laufenden Steue-
rungshandeln gewonnene Lernerfahrung zur
eigenen Weiterentwicklung zu nutzen. Es han-
delt sich um laufende Anpassungsprozesse,
die idealerweise im Rahmen von sozialen und
kommunikativen Prozessen verhandelt und
entschieden werden. Das ist die Verbindung
zum Ansatz der systemischen Organisations-
entwicklung.
Biel:
Bitte lassen Sie uns versuchen, kurz und
bündig die wesentlichen Punkte des systemi-
schen Ansatzes hervorzuheben.
Dr. Dr. Bauer:
In Stichworten: Systemisches
Controlling orientiert sich weniger an Fakten, als
an
Sichtweisen
, es ergänzt die Beobachtung
durch die
Selbstbeobachtung
, es ist
beteili-
gungsorientiert
, es fokussiert mehr auf den
Prozess und nicht nur auf das Ergebnis, es be-
trachtet das Handeln als bessere Grundlage für
das Erfahrungslernen als die bloße Analyse, es
hat die Intention, über das Personenlernen hin-
aus, dass sich
Lernerfahrungen
für die Orga-
nisation in geänderten Strukturen abbilden und
dadurch für die Zukunft gespeichert werden.
Biel:
Damit verlassen Sie jedoch herkömmliche
Sichtweisen und Denkmuster.
Dr. Dr. Bauer:
Der Ansatz geht nicht von her-
kömmlichen Denkmustern und Konzepten in
Organisationen wie Rationalität, linearer Logik,
Zielorientierung, Wahrheit oder Faktizität aus.
Er ist
kommunikationsorientiert
und verzich-
tet auf die Überbetonung hierarchischer Ver-
hältnisse. Die Zielannäherung erfolgt eher as-
soziativ und nach dem Prinzip von Versuch und
Irrtum, wobei die Irrtümer konsequent als Lern-
chancen genutzt werden.
Biel:
Offenbar stehen bei Ihnen bestimmte Ein-
stellungen und Verhaltensweisen im Fokus,
vielleicht mehr als Daten und Fakten. Ist das
richtig?
Dr. Dr. Bauer:
Ja, ganz wichtig ist es, dass
systemisches Controlling getragen wird von ei-
ner
Haltung des Vertrauens und der Wert-
schätzung
, einer konstruktiven Fehlerkultur,
der Offenheit und Neugierde, der Kommunika-
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