Wirtschaft- und Weiterbildung 7-8/2018 - page 14

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wirtschaft + weiterbildung
07/08_2018
WISSENSCHAFT.
Professor Heinz Schuler, einer der
führenden Wissenschaftler im Bereich der beruflichen
Eignungsdiagnostik, wurde Ende vergangenen Jahres mit
dem „Deutschen Psychologie Preis“ ausgezeichnet. In
diesem Interview berichtet er über die beachtlichen Erfolge
der Eignungsdiagnostik und warnt vor künftigen Gefahren.
Wenn Sie heute zurückblicken. Was sind für Sie die
wichtigsten Erfolge der Eignungsdiagnostik?
Prof. Dr. Heinz Schuler:
In letzter Zeit – und es sind mehr die
vergangenen Jahrzehnte als die vergangenen Jahre – hat es ei-
nige wichtige Entwicklungen in der Eignungsdiagnostik gege-
ben: Metaanalysen haben durch die gewichtete Zusammenfas-
sung von Einzelstudien zu wirklich brauchbaren Erkenntnissen
geführt, durch die man heute besser weiß, wo man noch weit-
erforschen sollte und wo es weniger sinnvoll ist. Unbestritten ist
inzwischen, dass eine sorgfältige Analyse der Tätigkeitsanforde-
rungen unerlässlich ist, um gute Eignungsdiagnostik zu betrei-
ben. Auch hinsichtlich der Verbreitung brauchbarer Interviews
und guter Methoden hat sich einiges getan, vor allem bei Groß-
unternehmen mit aufgeklärten Personalabteilungen. Dort wird
heute vielfach auf schriftliche oder gar handschriftliche Bewer-
bungen verzichtet, weil sie sich für den ersten Auswahlschritt
als wenig geeignet erwiesen haben. Stattdessen werden ver-
stärkt online-gestützte Verfahren bei der Vorauswahl eingesetzt.
Was sollte ein Personalmanager heute über Diagnostik
wissen?
Schuler:
Was mir besonders wichtig ist: Berufseignung heißt
immer Eignung wessen wofür? Man muss also die erfolgskri-
tischen Anforderungen eines Berufs oder einer Tätigkeit (auch
Ausbildung) kennen und sie den wichtigsten Merkmalen
der Person gegenüberstellen, ihren Fähigkeiten, Fertigkeiten,
Foto: DGFP
„Eignungsdiagnostik
ist zwangsläufig
indiskret“
Kenntnissen, Erfahrung und Interessen. Die Generalkategorie
„Employability“ ist da wenig hilfreich. Das erfordert solide
Verfahren der Anforderungsanalyse und ebensolche geprüfte
Verfahren der Eignungsdiagnose. So wie eine medizinische
Diagnose als Grundlage für eine Therapie erforderlich ist, ist
auch die psychologische Diagnose die Grundlage für persön-
liche Beratung und Personalentscheidungen. Und wie in der
Medizin sind nachfolgende Maßnahmen nur dann wirksam,
wenn die Diagnose stimmt.
Welche Verfahren empfehlen Sie dabei?
Schuler:
Als besonders aussagekräftig haben sich Arbeitspro-
ben, Intelligenz- und Wissenstests sowie strukturierte Einstel-
lungsinterviews erwiesen. Für den systematischen Vergleich
von Person und Anforderungen sind in den meisten Fällen
quantifizierbare, skalierbare Informationen erforderlich. Typo-
logische Verfahren wie zum Beispiel typologische Persönlich-
keitstests in der Ideenfolge von C. G. Jung sind dafür untaug-
lich. Personalmanager sollten lernen, bei den diagnostischen
Angeboten die Spreu vom Weizen zu unterscheiden. Das ist al-
lerdings nicht immer einfach. Und sie sollten wissen, dass sich
der Nutzen der Eignungsdiagnostik kalkulieren lässt. Selbst
zurückhaltende Schätzungen kommen zum Ergebnis, dass es
kaum rentablere betriebliche Investitionen gibt als gute Eig-
nungsdiagnostik. Und schließlich sollten sie auch nicht aus den
Augen verlieren, dass Bewerber Mitmenschen sind, die Respekt
Heinz Schuler (73).
Der Pionier der
Arbeits- und Organisationspsychologie
gilt als Begründer der deutschsprachigen
Personalpsychologie. Er publizierte 30
Fachbücher und über 600 wissenschaft-
liche Arbeiten sowie eine große Zahl
eignungsdiagnostischer Verfahren.
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