wirtschaft und weiterbildung 11-12 /2017 - page 57

wirtschaft + weiterbildung
11/12_2017
57
„Gute Games belohnen erwünschtes Verhalten“
Gamification kennen die meisten wohl am ehesten aus
Weiterbildung und Recruiting. Welche HR-Prozesse
lassen sich denn sonst noch gut gamifizieren?
An Coppens:
Weiterbildung und Recruiting sind tatsächlich
die beiden großen Bereiche. Aber Gamification-Elemente
funktionieren auch in anderen, ganz unterschiedlichen HR-
Prozessen: etwa im Employer Branding, um eine spieleri-
sche Unternehmenskultur nach außen zu transportieren;
im Performance Management, um kontinuierliches Feed-
back zu geben; rund um Benefits, damit sich die Mitarbeiter
vielleicht zusätzliche Urlaubstage verdienen können – oder
auch, um die Produktivität der Mitarbeiter zu erhöhen.
Können Sie ein Beispiel nennen, wie ein HR-Prozess mit
wenig Aufwand gamifiziert werden kann?
Coppens:
Wir hatten einen Kunden, dessen Mitarbeiter
ihre Spesenabrechnungen jeden Monat zu spät einreichten.
Wir haben das Problem gelöst, indem wir ein Whiteboard
aufgestellt haben, auf dem alle Teams zu sehen waren. Die
Teams, die ihre Spesen rechtzeitig und richtig einreichten,
bekamen auf dem Board ein rotes Herzchen. Schnell ent-
stand eine Diskussion darüber: Die Teams, die kein Herz-
chen bekommen hatten, wollten wissen, woran das lag.
Dabei kam heraus, dass manche den Abrechnungsprozess
nicht verstanden hatten. Es dauerte nicht lange, da waren
alle Spesenabrechnungen korrekt. Wir haben hier also mit
wenig technischem Aufwand einen großen Effekt erzielt.
Wesentlich beim Gamifizieren von HR-Prozessen ist aber
immer, wie im Beispiel das erwünschte Verhalten zu beloh-
nen – und nicht, unerwünschtes Verhalten zu bestrafen.
Spiele rund um die Spesen kommen also gut an. Aber
bei weniger erfreulichen Prozessen, wenn etwa ein Mit-
arbeiter austritt, ist Gaming doch keine gute Idee, oder?
Coppens:
Im Gegenteil: Hier können Gaming-Elemente
sogar helfen. Ich denke hier vor allem an Communities, in
denen Mitarbeiter nach ihrem Austritt den Kontakt zum
Unternehmen halten können. Und Unternehmen, die auch
in anderen Prozessen Spiele nutzen, erhöhen die Wahr-
scheinlichkeit, dass gute Mitarbeiter, die gekündigt haben,
irgendwann noch einmal zurückkommen.
Aber es gibt doch bestimmt Prozesse, in denen Gaming
nicht anzuraten ist ...
Interview.
An Coppens hat sich auf die Gamifizierung von HR-Prozessen spezialisiert und
gibt Workshops für spielinteressierte Personaler und Trainer. Im Interview erläutert sie, was
Gaming-Elemente in HR-Prozessen leisten können und wie Personaler und Trainer verhindern,
dass ihre Games im Unternehmen auf Spielemuffel treffen.
Coppens:
Tatsächlich gibt es einige Grenzen. Wenn ein Mit-
arbeiter schlecht performt, muss er das in einem persönli-
chen Gespräch hören – und nicht über eine Gaming-Soft-
ware. Gleiches gilt für Team-Meetings: Persönliche Treffen
sind durch nichts zu ersetzen. Und auch in der Gehaltsab-
rechnung stößt Gaming an seine Grenzen.
Schwierig wird es auch, wenn einzelne Mitarbeiter nicht
mitspielen wollen. Was lässt sich dagegen machen?
Coppens:
Wer Prozesse gamifizieren will, sollte vorher wis-
sen, welche Spielertypen es in seinem Unternehmen gibt
und wie er diese zum Spielen motivieren kann. Die Band-
breite der Spielertypen geht von Leuten, die jedes Game
aus Spielfreude mitmachen, über solche, die nur mitspie-
len, wenn sie dadurch irgendwie vorankommen, hin zu Men-
schen, die nur spielen um zu zeigen, dass das Spiel nicht
funktioniert. Unternehmen sollten Spiele so gestalten, dass
sie den Spielertypus ansprechen, der die Mehrheit stellt.
Was tun, wenn Mitarbeiter partout nicht spielen wollen?
Coppens:
Man kann niemanden zwingen. Nur wer freiwillig
spielt, ist motiviert. Lust aufs Spielen kann man den Mit-
arbeitern aber trotzdem machen – indem man etwa einen
Trailer zu einem neuen Spiel veröffentlicht oder auf Gaming-
Fans setzt, die es im Unternehmen bekannt machen.
Interview: Andrea Sattler
An Coppens.
Die
Belgierin ist „Chief
Game Changer“
bei Gamification
Nation in London.
Foto: An Coppens
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