WIRTSCHAFT UND WEITERBILDUNG 6/2017 - page 15

wirtschaft + weiterbildung
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des Verhaltens der Akteure sorgt. Ich muss als Berater also
die Kommunikationsmuster analysieren, um zu verstehen, wie
eine Organisation tickt und welches die Prämissen der Ent-
scheidungen der Mitarbeiter sind. Organisationale Verände-
rung besteht immer in der Veränderung von beidem.
Warum bekämpfen Sie die Amateure, bei denen der
systemische Ansatz („alles hängt mit allem zusammen“)
beliebig und unverbindlich bleibt, nicht öffentlich?
Simon:
Für den Begriff systemisch gibt es kein geschütztes Co-
pyright. Jeder kann ihn mehr oder weniger beliebig verwen-
den. Natürlich mache ich aus meinem Herzen keine Mörder-
grube, wenn ich die Arbeit von „Kollegen“ für problematisch
halte. Aber wer bin ich denn, mir anzumaßen, den Begriff
systemisch für alle verbindlich definieren zu wollen. Wer zu
„Simon, Weber and Friends“ kommt, dem bieten wir in un-
seren Ausbildungen theoretisch konsistent und pragmatisch
nützlich Orientierung, aber wir missionieren nicht.
Um es aber noch einmal hervorzuheben: Es gibt viele Formen
von Systemtheorien – in der Biologie, der Psychologie, der IT,
der Technik, der Soziologie ... Für mich persönlich ist Luh-
manns Theorie sozialer Systeme der konsistenteste und plau-
sibelste Ansatz, um Organisationen zu verstehen und Hand-
lungsanleitungen zu gewinnen. Hilfreich finde ich dabei, dass
Luhmanns Ansätze kompatibel sind mit dem Konstruktivismus
Paul Watzlawicks, einem Kommunikationswissenschaftler und
Psychotherapeuten, dem und dessen Konzepten ich persön-
lich viel verdanke. Luhmanns Ansatz ist wahrscheinlich der
radikalste und abstrakteste, der auf dem Markt ist, aber das ist
(auch wenn das widersprüchlich erscheinen mag) gerade die
Grundlage dafür, dass sich fast alle praktischen Methoden inte-
grieren lassen. Was er aber über die Nutzung dessen, was sich
bewährt, hinaus ermöglicht, ist die Entwicklung vollkommen
neuer, bislang nie erprobter und womöglich auch noch nie
gedachter Methoden. Denn die Nutzung der Systemtheorie mit
ihren vom Alltagsdenken abweichenden Erklärungsmustern,
fördert die Bildung innovativer Ideen, weil sie alte Probleme in
neue Kontexte stellt.
Den umstrittenen (systemischen) Familienaufsteller Bert
Hellinger haben Sie aber einmal heftig kritisiert ...
Simon:
Ich verurteilte Hellingers Art zu arbeiten, weil er Dinge
tat, die allem widersprachen, was stillschweigender Konsens in
der systemischen Szene war. Er trat nicht nur extrem autoritär
auf, sondern verkündete vermeintliche Wahrheiten und sagte
seinen Klienten, was sie – einer „gottgewollt“ erscheinenden
Norm folgend – tun müssten. Bei meiner Kritik ging es um
Grundwerte von Konstruktivismus und Systemtheorie, die ge-
rade nicht normativ sind und keinem zubilligen, willkürlich
Wahrheiten zu verkünden, statt sich über sie in einem müh-
samen interpersonellen Prozess zu einigen.
Interview: Martin Pichler
Fritz B. Simon.
Der Professor hat 21
Bücher geschrieben –
darunter zwei kompakte
Einführungen in die
Systemtheorie.
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