messen und kongresse
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wirtschaft + weiterbildung
11/12_2015
Vor Kurzem sprachen noch alle vom Web
2.0. Jetzt sind wir schon beim Arbeiten
4.0 angekommen …
Michael Rajiv Shah:
Wenn man sich die
Herkunft des Buzzwords „Arbeiten 4.0“
anschaut, ist das Thema ja eigentlich
„Industrie 4.0“. Diesen Begriff hat die
deutsche Bundesregierung ursprünglich
kreiert. Wir befinden uns in einer indus-
triellen Revolution, fast schon am Ende
dieser Revolution, und beginnen jetzt
ganz langsam, die eigentlichen Ausmaße
davon wahrzunehmen. Als ich vor eini-
gen Jahren als Social-Media-Berater aktiv
wurde, war der Begriff Social Media noch
gar nicht gebräuchlich. Zunächst kam das
Web 2.0, das vor allem neue Vertriebs-
wege eröffnete. Da sind Branchen aufge-
sprungen, um Technologien oder Dienst-
leistungen zu verkaufen. Das waren die
Vorreiter. Aber jetzt gelangen wir zum
eigentlichen Kern, zu der strukturellen
Veränderung des Gesamtsystems, die sich
aus dem neuen Werkzeug Internet ergibt
– nur haben wir das noch gar nicht richtig
erfasst. Denn in Wirklichkeit haben wir
alle nicht gemerkt, dass wir eine echte
Revolution durchlaufen. Inzwischen hat
ja fast jede Oma in der Straßenbahn ein
Smartphone in der Hand!
Es gibt aber auch noch viele Menschen
ohne Smartphone ...
Shah:
Verweigerer gibt es immer – auch
bei den Jüngeren. Aber schon am Stra-
ßenbild können wir ablesen, was in kür-
zester Zeit alles passiert ist. Nur merken
wir gar nicht, was es mit uns Menschen
macht. Wie es den Alltag, die Kommu-
nikation, die Strukturen in Unternehmen
verändert. Ob wir das wollen oder nicht:
„Wir haben noch keine
Ahnung, wohin uns das führt“
PERSONAL AUSTRIA.
„Social Media“ hat zu einer Art Revolution geführt. „Die
Auswirkungen auf unser Leben und Arbeiten haben wir noch gar nicht richtig begriffen“,
sagt Michael Rajiv Shah, der Keynote-Speaker der Messe „Personal Austria“. In unserem
Interview fordert er von den Personalmanagern ein schnelleres Umdenken.
Diese Werkzeuge, diese quantenphysi-
kalischen Technologien verändern unser
komplettes Tun. Allerdings haben wir
noch keine Ahnung, wohin uns das führt.
Auch die Tatsache, dass kaum jemand
weiß, dass die Basis für Computer oder
Halbleiterchips ohne Quantenphysik gar
nicht gelegt worden wäre.
Sie sprechen von Quantenphysik,
berufen sich auf Einsteins Relativitäts-
theorie. Was hat die Physik mit dem
Business zu tun?
Shah:
Das sind nur Bilder, um sich die
Ausmaße der Entwicklung besser vor-
stellen zu können. Wissen Sie, wie ein
Atom aufgebaut ist? Jedes Atom hat einen
Kern. Um ihn herum schwirren soge-
nannte Elektronen, aber dazwischen ist
nichts, rein gar nichts. Dieses Nichts ist
so groß wie ein Fußballplatz, relativ ge-
sehen. Übertragen auf ein Social Network
bedeutet das, wenn Sie und ich dort ein
Profil haben, können wir diesen leeren
Raum zwischen uns mit den neuen Werk-
zeugen einfach überbrücken. Ich brauche
nur Kontakt zu Ihnen aufzunehmen, ein
Gespräch mit Ihnen zu beginnen. Dann
durchwandere ich einen quantenphysi-
kalischen Raum, der vor zwanzig Jahren
noch gar nicht begehbar war. Das hat
auch viel mit meiner persönlichen Ge-
schichte zu tun. Ich komme ursprünglich
aus dem Vertrieb und habe meine zweite
Frau über ein Business-Netzwerk im In-
ternet kennengelernt. Auf diese Weise ist
etwas passiert, was ansonsten völlig un-
möglich gewesen wäre: Zwei Menschen,
die bei einer Begegnung auf der Straße
nie miteinander ein Gespräch aufgenom-
men hätten, haben sich gefunden. Genau
so muss man sich dieses soziale Netz-
werken, dieses Business-Netzwerken vor-
stellen. Dieser Eins-zu-eins-Beziehungs-
raum in den sozialen Netzwerken ist die
Quantenebene. Das ist auch der nächste
Schritt. „New Work“ oder „Arbeiten 4.0“
funktioniert nur, wenn wir Menschen
anfangen, direkt miteinander zu kom-
munizieren. Es gelingt nicht durch mehr
Werbung – denn wer will schon mit einer
Marketing-Abteilung sprechen?
Dann zählen also die Aktivitäten eines
jeden einzelnen Mitarbeiters?
Shah:
Genau. Ich habe mir bei Xing das
Siemens-Profil näher angeschaut. Dann
habe ich die 500 aktivsten Mitarbeiter