wirtschaft + weiterbildung
11/12_2015
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der Firma auf Xing identifiziert, abgele-
sen an den Page-Views ihrer persönlichen
Profile. Wenn Sie die aufaddieren und
hochrechnen, ergibt sich eine bis zu 55-
fache höhere Sichtbarkeit der Mitarbeiter
gegenüber allen unternehmensbezahlten
Aktivitäten. Und da fängt letztlich „Ar-
beiten 4.0“ an. Das ist die eigentliche
Veränderung, dass der Change von innen
kommt. Und dass man zwar mit diesen
klassischen Budgets versuchen kann,
Dinge abzubilden, aber irgendwann sto-
ßen Sie damit an eine Grenze. Sie kom-
men damit nicht an die Menschen heran.
Auf Xing und anderen Plattformen wird
das erste Mal sichtbar, dass Arbeitnehmer
und Arbeitgeber unterschiedliche Interes-
sen haben.
Ist es die Aufgabe der Personaler, diese
unterschiedlichen Interessen zu kitten?
Shah:
Das können sie ja gar nicht. Also
wenn Sie jetzt bei Xing sind, nur einmal
angenommen, um Ihre Arbeitskraft auf
dem Markt anzubieten und dann ein
Recruiter Ihnen ein besseres Angebot
macht, gehen Sie halt von Ihrem alten Ar-
beitgeber weg. Das liegt in Ihrem persön-
lichen Interesse. Durch ein gutes mensch-
liches Verhältnis kann der Personaler in
Ihrer Firma aber früh genug erkennen,
dass Sie gehen wollen. Er wird dann früh-
zeitig das Gespräch mit Ihnen suchen.
Alles geht in eine menschliche Richtung.
Die Technik ist damit die Basis für eine
intensivere Beziehungsarbeit?
Shah:
Ja, genau. Auf der einen Seite sit-
zen die Leute in der Straßenbahn und
unterhalten sich nicht mehr – früher
aber auch nicht, mal ehrlich gesagt, da
haben sie halt in Zeitungen oder in Bü-
cher geschaut. Und auf einmal haben alle
so ein kleines Gerät und kommunizieren
mit wem auch immer. Diese Technologie
macht es möglich, dass sich der Otto-
Normal-Verbraucher eine eigene Meinung
bilden kann oder, wenn er mitbloggt, in
gewisser Weise selbst meinungsbildend
sein kann. Eine besonders überzeugte
Mitarbeiterin, die für ihre Firma brennt,
wird andere damit anstecken. Das bedeu-
tet, zukünftig sollten Mitarbeiter ganz an-
ders ausgewählt werden. Nämlich nach
dem Kriterium: Wer ist wirklich begeiste-
rungsfähig?
Wie wird aus „Employer Branding“
letztlich „Employee Branding“?
Shah:
Arbeitnehmerprofile werden zehn-
mal so häufig besucht wie ein Unterneh-
mensprofil. Deshalb empfehle ich Arbeit-
gebern ja auch, Arbeitnehmerprofile ins
Zentrum zu stellen und mit Arbeitneh-
mern als gleichberechtigten Partnern zu
reden. Da kann man zum Beispiel sagen:
Dein Profil bei Xing sieht nicht so toll aus.
Du machst weder vernünftig Werbung für
deine Professionalität noch für uns. Wir
haben hier aber jemand in der Personal-
entwicklung, der sich perfekt mit Social-
Media-Profilen auskennt und dir hilft,
dein Profil so zu gestalten, wie du das für
dich und deine Karriere brauchst. Denn
wenn du dich professionell darstellst, ist
das automatisch auch gut für uns.
Weil der Glanz der Person auf das
Unternehmen zurückfällt?
Shah:
Genau. Nehmen wir zum Beispiel
Robindro Ullah, ehemals Leiter Personal-
marketing und Recruiting für die Region
Süd bei der Deutschen Bahn. Er gilt als
Pionier und Innovator im Personalmarke-
ting und Recruiting und ist mehrfach für
seine Arbeit ausgezeichnet worden. Bei
ihm gehen „Personal Branding“ und „Em-
ployer Branding“ zusammen und daraus
wird „Employee Branding“, denn wenn
Robindro eine Rede hält, wird er immer
auch mit dem Unternehmen verbunden,
in dem er aktuell beschäftigt ist. Das
heißt, er profiliert sich mit seiner Rede als
Experte und gibt immer auch ein Bran-
ding für den Arbeitgeber ab.
Interview: Petra Jauch
M. R. Shah auf der „Personal Austria 2015“
Auf der Messe „Personal Austria“ in Wien wird Shah den
Keynote-Vortrag „Der Quantensprung: vom Employer Bran-
ding zum Employee Branding“ halten (Termin: Mittwoch,
4. November, um 12:15 Uhr in der Messe Wien, Halle C,
Forum 3).
„Ich möchte die Personaler für das Ausmaß der Entwicklun-
gen beim Thema ‚Social Media‘ sensibilisieren“, verspricht
Shah. „Das Internet ist für mich Transparenz pur. Wenn ich
heute zu einer Beratung in ein Unternehmen gehe, sehe
ich bereits von außen, ob es in dieser Firma interne Kom-
munikationsprobleme gibt.“ Shah hat den berühmten Satz
von Paul Watzlawick „Man kann nicht nicht kommunizieren“
umformuliert in „Man kann nicht nicht netzwerken“.
Veranstaltungstipp.
Michael Rajiv Shah, geboren 1965 bei Düsseldorf, ist seit 2007 als Experte
für „Social Business Networking“ aktiv.
Die „Personal Austria“ gilt als Treffpunkt für HR-Visionäre.
Mit neuen Programmformaten, einem Sonderbereich für
HR-Start-ups, verbesserten Austauschbedingungen und
acht Diskussionsrunden will die Messe am 4. und 5. Novem-
ber 2015 die großen Themen des Personalwesens abar-
beiten – von Personalsoftware, Recruiting und Leadership
über betriebliche Gesundheitsförderung bis zu E-Learning
und Managementtraining. Die Messeeröffnung übernimmt
Dr. Johannes Kopf, Vorstandsmitglied des Arbeitsmarkt-
services Österreich. Zu den weiteren Programmhighlights
zählen die Keynote-Vorträge von Charisma-Experte Georg
Wawschinek und E-Learning-Spezialist Christian Pirker.