wirtschaft + weiterbildung
11/12_2015
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„Humor und Redner müssen eins sein“
Weshalb macht es Sinn, Humor in die universitäre
Lehre zu integrieren?
Prof. Dr. Michael Suda:
Humor kann das Ganze auf eine
höhere Ebene heben: Man nimmt sich selbst nicht so wich-
tig und schafft dadurch eine positive Lehr- und Lernat-
mosphäre. Mit Humor gelingt es, die Aufmerksamkeit der
Zuhörer – ein knappes Gut – immer wieder zurückzugewin-
nen, das zeigen die Reaktionen während und nach einem
humorvollen Vortrag. Das Wichtigste aus meiner Sicht ist
jedoch, dass Humor einen Wechsel der Perspektive ermög-
licht und das relativiert, was Wissenschaft in der allgemei-
nen Vorstellung ist. Sie ist nicht die absolute Wahrheit, son-
dern häufig nur eine relativ kurzfristige Beschreibung oder
Interpretation von Welt.
Welche Rollen übernimmt der Lehrende dabei?
Suda:
Ein humorvoller Dozent macht sich über die Situa-
tion, aber natürlich nie über die Menschen, die vor ihm sit-
zen, lustig. Es gibt im Zirkus zwei unterschiedlichen Clown-
figuren: Der Weißclown sorgt für die Einhaltung der Nor-
men und steht letztendlich für die Vernunft. Der „dumme“
August hingegen ist derjenige, der das Herzliche, das Spon-
tane, das Kindische repräsentiert und immer die Regeln
dieser Welt infrage stellt. Er will wissen: Warum ist das so?
Weshalb wird es so begründet? Dieses Zusammenspiel der
Clowns, dieser Statuswechsel zwischen den Figuren spielt
in der humorvollen Didaktik eine ganz große Rolle.
Interview.
Prof. Dr. Michael Suda, Leiter des Lehrstuhls für Wald- und Umweltpolitik der
Technischen Universität München, bringt zusammen mit Dr. Renate Mayer seit 2008 anderen
Dozenten in „stets gut besuchten“ Kursen eine humorvolle Art der Wissensvermittlung bei –
eine Alternative zur „gähnenden Lehre“.
Was muss der Lehrende berücksichtigen, damit Humor
im Hörsaal zu einem Gewinn wird?
Suda:
Der Humor muss zur Person passen und authentisch
sein. Der Humor und die Person müssen also eins sein. In
dem Moment, wo das voneinander abweicht, wird alles
zu einer Lachnummer. Außerdem muss der Humor immer
einen direkten Bezug zum Stoff haben, den man vermitteln
will. Sonst irritiert man die Leute und sie überlegen perma-
nent, was der Witz am Anfang sollte. Und der Humor muss
immer zur Situation passen, er darf nicht aufgesetzt sein.
Interview: Verena Scholpp
Prof. Dr. Michael Suda, Dr. Renate Mayer.
Sie bilden
Dozenten in humorvoller Lehre aus.
Foto: Scholpp
ziehbaren“ Jugendlichen, der erst in dem
Augenblick motiviert war, sich auf die
Therapie einzulassen, als Hain mit ihm
gemeinsam den Blick auf seine Eltern
veränderte: „Du hast Deine Eltern noch
nicht gut genug erzogen. Vielleicht hast
Du ja schwer erziehbare Eltern?“ Ebenso
könnte es Jugendliche geben, die ihre al-
lein erziehenden Eltern „alleine erziehen“
und Kinder geschiedener Eltern, die diese
Elternerziehungsarbeit gleich an zwei
verschiedenen Orten leisten müssten.
Solch eine vergnügliche Rollen- oder Kon-
textumdeutung kann laut Hain erstaun-
lich viel bewirken, weil sie ermöglicht, an
verborgene Fähigkeiten heranzukommen.
Einer Klientin mit Angst vor Hunden, der
auf dem Weg zur Arbeit mehrmals täg-
lich Hunde begegneten, riet Hain, zu be-
rücksichtigen, dass die vielen kleinen und
mittleren Hunde, die sie anbellten, alle
ein Selbstwertproblem hätten. Sie kämen
nur deshalb her, um wie die großen
Hunde auch einmal das Erfolgserlebnis
zu haben, jemandem Angst zu machen.
„Bedenken Sie: Sie sind die Sozialthe-
rapeutin für diese Hunde!“ Die Klientin
wurde ihr Problem sehr schnell los.
Humor, das wurde in allen Veranstaltun-
gen des Kongresses klar, ist keine Charak-
tereigenschaft, die man hat oder nicht.
Hinter Humor steht die Entscheidung,
das, was einem begegnet, bewusst aus
einer heiteren Perspektive wahrzuneh-
men, ohne dabei in Zynismus zu verfal-
len. Damit Humor eine positive Wirkung
entfalten kann, ist es entscheidend, ihn
nicht auf Kosten anderer einzusetzen. Mit
und nicht über sich selbst und andere zu
lachen, dieser Grundsatz muss beim Ein-
satz von Humor immer gelten.
Verena Scholpp