messen und kongresse
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wirtschaft + weiterbildung
04_2015
tion, der vielzitierten Generation Y, fragen
viele Menschen verstärkt nach dem Sinn
ihrer Arbeit. Der Anspruch auf Verant-
wortung ist da oftmals stärker als in der
älteren Generation.
Aber viele Menschen anderer
Generationen wollen doch auch Sinn,
Freiraum und Verantwortung. Warum
schenkt man nun in der Wirtschaft der
Generation Y größeres Gehör?
Buchholz:
Die jüngere Generation ist ein-
fach zahlenmäßig deutlich weniger am
Arbeitsmarkt vertreten und der Kampf
um die Nachwuchstalente ist dadurch
härter geworden, als wir das in der Ver-
gangenheit hatten. Die Unternehmen
werden zukünftig auf einen kleineren
Pool von jungen Mitarbeitern zugreifen
müssen. Dadurch wächst die Anspruchs-
haltung in der jungen Generation, da sie
sich aussuchen kann, bei welchem Ar-
beitgeber sie am meisten gefordert wird,
sich ausleben und lernen kann. Für Be-
triebe kommt es deshalb stärker darauf
an, sich auf die Bedürfnisse dieser jungen
Generation einzustellen.
Welchen Einfluss haben digitale Medien
auf Konzepte der Führung?
Buchholz:
Digitalisierung kann in Un-
ternehmen mit einem hohen Anteil an
Wissensarbeit, die über technische An-
wendungen geleistet wird, schon eine
große Rolle spielen. Dann entstehen
Führungssituationen, die sich im Wesent-
lichen über digitale Medien abspielen.
Aber selbst dann wird die Technik oft
überschätzt. Bei Führungsthemen geht es
immer um zwischenmenschliche Dinge,
die auch in einer Partnerschaft vorkom-
men, wie etwa Anerkennung und Wert-
schätzung. Das erfordert eine 1:1-Kom-
munikation, die man nicht digital erset-
zen, sondern nur persönlich geben kann.
Aber wenn alles so partnerschaftlich
läuft, braucht man denn dann überhaupt
noch Führungskräfte?
Buchholz:
Es ist ein großer Fehler, an-
zunehmen, dass Führung – nur weil sie
partnerschaftlich erfolgt – nicht erforder-
lich ist. Menschen brauchen und wollen
Führung, allerdings innerhalb eines be-
stimmten Rahmens. Deshalb ist das Ab-
stecken der Ziele eine zentrale Führungs-
aufgabe. Hinzu kommt die Koordinierung
der Mitarbeiter innerhalb eines Teams,
einer Abteilung oder im Gesamtunterneh-
men. Führung ist zwingende Vorausset-
zung dafür, dass Sie den Unternehmens-
erfolg überhaupt erreichen können. Wenn
Sie die Ressourcen nicht ausrichten und
so in Bewegung setzen, dass Sie ein be-
stimmtes Ziel erreichen können, dann
wird man einen völlig unkoordinierten
Laden vor sich haben.
Derzeit kursieren viele Berichte über
Unternehmen, die demokratische
Strukturen einführen. Das reicht von
flachen Hierarchien über Gehalts-
entscheidungen bis hin zur Wahl der
Führungskräfte oder des CEOs. Was
halten Sie von diesen Ansätzen?
Buchholz:
Hier sollten wir die Kirche im
Dorf lassen. Unternehmenslenker, Gesell-
schafter oder die Stakeholder eines Un-
ternehmens haben letztlich das Recht zu
sagen, wie sie das Unternehmen führen
wollen. Dass die Mitarbeiter dazu einen
wesentlichen Beitrag leisten können, ist
wichtig. Aber ob man ihnen im demo-
kratischen Sinne mit Mehrheitsentschei-
dungen tatsächlich die Bestellung der ent-
sprechenden Führungskräfte überlassen
sollte, das wage ich zu bezweifeln.
Vielleicht ist das dann auch eher für den
Mittelstand oder Startups ein gängiges
Modell?
Buchholz:
Gerade da sehen wir die ge-
samte Bandbreite der Führung. Ich kenne
viele junge Startups, die eher nach einem
hierarchischen Prinzip geführt werden.
Der Gründer, der die Idee mitgebracht
und zum Leben erweckt hat und viel-
leicht in der Garage damit begonnen hat,
das Unternehmen auszubauen, fühlt sich
oft ein bisschen wie ein Patriarch, der alle
Ecken und Enden seines Betriebs kennt
und glaubt, alles besser zu können als die
anderen. Diese Ideengeber scharen um
sich herum Menschen, die zum Abarbei-
ten der Ideen herangeholt werden anstatt
gemeinsam Ideen zu entwickeln. Dieser
hierarchische Ansatz ist zwar rückwärts-
gewandt, Sie finden ihn aber genauso in
Startups wie einen sehr demokratischen
Führungsstil, bei dem sich die Mitarbei-
ter alle naselang treffen und entscheiden,
wie es weitergehen soll. Der Führungsstil
lässt sich nicht an der Unternehmens-
größe festmachen, sondern ist eine Frage
der Herangehensweise und der Philoso-
phie.
Sie sind heute nicht mehr in der Position
als CEO eines Großunternehmens. Bei
Gruner + Jahr sind Sie laut Medienberich-
ten an den Strukturen gescheitert. Auch
Ihr Versuch, als Bundestagsabgeordneter
in die Politik zu gehen, ist fehlgeschla-
gen, da Ihre Partei, die FDP, die Fünf-
Prozent-Hürde 2013 nicht genommen
hat. Was kann man aus einem solchen
Scheitern für das Thema Führung lernen?
Buchholz:
Erst einmal kann man viel für
sich selbst lernen, wenn man bestimmte
Dinge reflektiert. Das Scheitern bei der
Bundestagswahl sehe ich nicht als per-
sönliche Niederlage. Auch an anderen
Stellen bin ich selbstbewusst genug, um
zu sagen, das sind die Dinge, die sich
im Leben so oder so entwickeln können.
Lernen kann man allemal daraus, wenn
man die persönliche Stärke hat, sich ein-
zugestehen, das habe ich richtig und gut
gemacht, aber daran sollte ich auch ar-
beiten, um zu vermeiden, beim nächsten
Mal in eine ähnliche Situation zu kom-
men. Wenn man als Vorstandsvorsitzen-
der eines großen Medienunternehmens
nach acht Jahren irgendwann einmal
ausscheidet, auch weil klar ist, dass es
verschiedene Auffassungen über die Füh-
rung des Unternehmens gibt, dann guckt
man sehr gerade in den Spiegel und sagt
das ist schon okay.
Wie soll es denn bei Ihnen weitergehen
– versuchen Sie es noch einmal mit der
Karriere als Politiker?
Buchholz:
Ich werde mit Sicherheit 2017
wieder für den Deutschen Bundestag
kandidieren. Aber neben der Compli-
ance-Beratung habe ich noch etwas ganz
Neues angefangen: Bald geht eine große
Hauptverhandlung los, in der ich als
Strafverteidiger vor einem Landgericht
agiere. Sie sehen also, ich habe vielfältige
Interessenlagen und ich kann mir vieles
vorstellen – sogar, dass ich noch einmal
als Führungskraft in ein großes Unter-
nehmen zurückgehe. Obwohl ich sagen
muss, dass Letzteres auf meiner Wunsch-
liste nicht ganz oben steht.
Interview: Stefanie Hornung
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