wirtschaft und weiterbildung 4/2015 - page 56

messen und kongresse
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wirtschaft + weiterbildung
04_2015
wir als Einzelperson und als Unterneh-
men reagieren müssen, hat sich extrem
beschleunigt. Aber gerade deshalb ist es
wichtig, sich mindestens einmal im Jahr
Zeit zu nehmen, um mit der Führungs-
gruppe über die Zukunft nachzudenken.
Das versäumen viele Betriebe.
Inwiefern hat dies etwas mit Personal-
gewinnung und Arbeitgeberattraktivität
zu tun?
Ziolkowski:
Unternehmen können bei
qualifizierten Bewerbern vor allem mit
ihrer Werteorientierung punkten, die sie
nach außen tragen und nach innen leben.
Dabei sollten Unternehmen auch bei der
Mitarbeiterauswahl beachten, was ihnen
wichtig ist. Mitarbeiter müssen zum Be-
trieb passen – egal ob das Unternehmen
eher sicherheitsorientiert ist oder als kre-
atives Start-up nach vorne gehen will.
Wichtiger als Talent ist es für KMU, dass
die Mitarbeiter Lust auf die Arbeit im Un-
ternehmen haben. Dafür braucht man
aber eine klare Vorstellung davon, wie die
Unternehmensvision aussieht.
Können Sie ein Beispiel dafür nennen?
Ziolkowski:
Es geht dabei um das große
Bild der gelungenen Zukunft oder den
Traum des Unternehmers. Dieses sollte
vorstellbar und leidenschaftlich sein, so
dass es sich auch transportieren lässt. Ich
denke da zum Beispiel an ein klassisches
mittelständisches Unternehmen, das
Treppenlifte produziert. Deren Vision ist
es, die Menschen im Alter beweglich zu
machen, älteren Menschen Flexibilität zu
schenken. Wenn man dann weiterdenkt,
lassen sich davon auch Innovationen für
Treppenlifte und Ziele für die Zielgruppen
ableiten. Die Unternehmensvision sollte
immer Emotionen auslösen, nur dann hat
sie Mitmachpotenzial. Wenn es lediglich
vernünftig klingt, holen Sie damit nie-
mand hinter dem Ofen hervor. Das Ziel ist
aber, dass viele Menschen Lust bekom-
men, sich dafür einzusetzen.
Für wie wichtig halten Sie Employer
Branding im Mittelstand?
Ziolkowski:
Wo ist denn die Wurzel von
Employer Branding? Mittelständler punk-
ten durch ihre Individualität, im Idealfall
durch die Unternehmerpersönlichkeit.
Der Gründer oder die Gründerin hat ir-
gendwann aus einer Leidenschaft heraus
das Unternehmen aufgebaut und teilweise
schon bis in die nächste Generation ge-
führt. Employer Branding als reines Mar-
keting-Tool greift da jedenfalls zu kurz.
Sie plädieren also für Personal Branding
der Geschäftsführung?
Ziolkowski:
Gerade die Mittelständler
haben oft eine personifizierte Marke. Frü-
her war das für Unternehmen noch etwas
selbstverständlicher. Nehmen Sie zum
Beispiel Anton Kathrein, der die Parabol-
Satellitenschüsseln erfunden hat, oder
eine Familie Leibinger von der Trumpf
Gruppe. Um aus der Masse der Kleinun-
ternehmen herauszustechen, muss man
sich schon zeigen. Employer Branding
kann das gut unterstützen.
Mitarbeiter wünschen sich heute mehr
Partizipation und Sinnhaftigkeit. Wie
kann der Mittelstand durch die Art der
Führung punkten?
Frau Ziolkowski, viele KMU haben derzeit
Mühe, offene Stellen zeitnah mit qua-
lifizierten Fachkräften zu besetzen, vor
allem im MINT-Bereich. Ist das aus Ihrer
Sicht tatsächlich ein so großes Problem
wie es in den Medien oft erscheint?
Silvia Ziolkowski:
Es ist eine Herausforde-
rung, aber kein neues Problem. Als IT-Un-
ternehmerin kann ich mich noch gut an
die Eröffnungsrede von Kanzler Schröder
im Jahr 2000 auf der CeBIT erinnern, als
er vereinfachte Visaverfahren für Compu-
terspezialisten nach dem Vorbild der US-
amerikanischen Green Card ankündigte.
Schon damals ging es darum, wie für
ausländische IT-Fachkräfte und weitere
MINT-Experten das Arbeiten in Deutsch-
land attraktiver gemacht werden kann.
Das Thema verschärft sich vor allem auf-
grund der demografischen Entwicklung.
Haben die Unternehmen demnach im
Recruiting geschlafen oder ist der
Fachkräfteengpass schlichtweg in der
Marktsituation begründet?
Ziolkowski:
Beides, die Marktsituation
im MINT-Umfeld ist schwierig. Die jun-
gen Menschen drängen oft ins Ausland
oder in die großen Metropolen, weil sie
das spannender finden als zum Beispiel
in einer nordhessischen Kleinstadt ihre
Karriere zu starten. Aber die Unterneh-
men schlafen teilweise schon auch. Dass
ich das einfach so behaupte, ist vielleicht
etwas keck. Denn gerade KMU sind oft
sehr stark in ihr Tagesgeschäft eingebun-
den. In der „Zuvielisation“, in der wir
leben, werden Mitarbeiter von der E-Mail-
Flut überrollt und dann kommt noch die
Globalisierung hinzu. Das Tempo, mit der
„Der Mittelstand braucht Vision
mit Mitmachpotenzial“
PERSONAL NORD/SÜD.
Silvia Ziolkowski, Zukunftsentwicklerin und Coach, wurde von
der Messe engagiert, um den Vortrag zu halten „Wie KMU neben Großunternehmen im
War for Talents bestehen können“. Der Vortrag findet am 7. Mai (Personal Nord) und
am 19. Mai (Personal Süd) statt. Ziolkowski will Mittelständlern Mut machen, etwas
verrückt zu sein und groß zu denken. Dann klappt es auch mit der Personalgewinnung.
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