personalmagazin 2/2016 - page 11

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wirtschaftlicher Erfolg nicht auf Kosten
der Werte gehen soll, werden das Was
und das Wie gleichermaßen bewertet“,
sagt die Professorin für Leadership an
der Universität St. Gallen. Klare Spiel-
regeln für das Verhalten müssen mehr
sein als ein unverbindlicher Vorschlag.
Sie müssen sich auch in der Leistungs-
beurteilung und in Zielvereinbarungen
wiederfinden. Heike Bruch: „Auf den
Punkt gebracht: Wer bestochen hat, darf
keine Karriere machen. Leistung darf
sich nicht auf Kompromisse in Integrität
und Anstand stützen.“
Dem Vergütungssystem fehlt eine
Verhaltensdimension
Auch das Vergütungssystem von VW
gehört auf den Prüfstand, wie uns Ver-
gütungsexperten – die namentlich nicht
genannt werden wollen - erläutern. Die
variablen Vergütungsbestandteile des
Vorstands und der oberen Führungs-
kräfte honorieren überwiegend die
positive Geschäftsentwicklung, Verhal-
tensaspekte – die VW jetzt in die Krise
stürzten – haben im Anreizsystem allen-
falls eine sehr untergeordnete Rolle.
Der „Long Term Incentive (LTI)“, der
die Langfristorientierung fördert, macht
einen beträchtlichen Anteil an der Ge-
samtvergütung aus: Bei Horst Neumann
beispielsweise waren das im Jahr 2014
immerhin 30 Prozent des Gesamtge-
halts. Gemessen wird der LTI an vier
Indices: Wachstumssteigerung, Rendite,
Kundenzufriedenheit und Mitarbeiter-
zufriedenheit (Stimmungsbarometer).
Im Stimmungsbarometer soll sich auch
das Verhalten der Führungskräfte nie-
derschlagen. Bei wachsender Beteili-
gung anonym befragter Mitarbeiter stieg
der Index seit 2008 von 72 auf 79. Das
sind blendende Werte, auf die VW gerne
verweist. Offen ist jedoch, ob sich hier
mehr der wirtschaftliche Erfolg und die
Sicherheit der Arbeitsplätze ausdrückt
als die Entwicklung des Führungsver-
haltens. Das müssten Detailanalysen
zeigen, die VWder Öffentlichkeit bislang
nicht zur Verfügung stellt.
Doch der LTI bei VW hat noch einen
„Konstruktionsfehler“, der jetzt bei der
Krise deutlich wird: Bewertet wird der
Erfolg in den vergangenen vier Jahren,
die Zukunftsfähigkeit wird damit nicht
wirklich abgebildet. Die absurde Folge:
Für das Geschäftsjahr 2015 haben Vor-
stand und obere Führungskräfte beim
LTI nur mit überschaubaren Einbußen
zu rechnen.
HR-Welt in Ordnung?
Elke Eller, bis vor Kurzem Personal-
vorstand bei VW Nutzfahrzeuge und
Präsidentin des Bundesverbandes der
Personalmanager, sieht im Interview
mit haufe.de/personal keine unmittel-
bare Verantwortung von HR für VW-
Dieselgate: „Nach allem, was man heute
weiß, glaube ich aber nicht, dass die HR-
Organisation der entscheidende Hebel
ist, um zu verhindern, was passiert ist.
Das ist keine Frage der HR-Struktur,
sondern ein generelles Organisations-
thema.“ Welche Verantwortung HR für
die Organisationsentwicklung und die
Unternehmenskultur hat, darauf bleibt
sie die Antwort schuldig.
Hoffnung auf Blessing
In unseren Gesprächen mit Experten
von außerhalb haben wir eine Reihe von
Ansatzpunkten im Verantwortungsbe-
reich von HR gefunden, die überprüft
werden sollten. Innerhalb von Volkswa-
gen gibt es zwar einige HR-Manager, die
Transparenz und Offenheit einfordern,
doch noch haben andere das Sagen.
VW-Chef Matthias Müller mahnt den
Wandel an und fordert mehr Dezentra-
lität und mehr Entscheidungsfreiheit an
der Basis. Wie ernsthaft und schnell die
Unternehmenskultur verändert werden
kann, wird jetzt auch davon abhängen,
ob der neue Personalvorstand Karlheinz
Blessing die zentralen Führungs- und
Steuerungsinstrumente erneuern wird,
in denen sich die bisherige VW-Kultur
ausdrückt. Auf ihn wird es ankommen,
ob die Erneuerer in HR einen Change in
Gang setzen können.
RUTH LEMMER
ist freie Journalistin in
Düsseldorf.
REINER STRAUB
ist Herausgeber des
Personalmagazins.
VIDEO
Aufklärung oder Bagatellisierung? VW-
Chef Müller versucht beides. Sehen Sie
hierzu in der App das Tagesschau-Video.
© TAGESSCHAU.DE
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