PERSONALquarterly 3/2016 - page 44

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ESSENTIALS
_REZENSIONEN
PERSONALquarterly 03/16
I
n der Hoffnung, durch die Kombination unterschiedlicher
Wissensbestände, Erfahrungen und Sichtweisen die orga-
nisationale Innovationsfähigkeit und Flexibilität zu stei-
gern („value-in-diversity“-Hypothese), streben zur Zeit
viele Unternehmen eine kulturell diverse(-re) Belegschaft an.
Oft scheitert es allerdings bereits beim Bewerbungsprozess, da
Recruiter tendenziell Bewerber bevorzugen, die ihren kulturel-
len Hintergrund und ihre Weltsicht teilen. Insbesondere wenn
sich aus einer ethnischen Minderheit stammende Bewerber
stark an ihrer Heimatkultur und weniger an der Kultur des
Aufnahmestaates bzw. der ethnischen Mehrheit orientieren,
kann dies vonseiten des Recruiters als Zeichen für eine ge-
ringe Passung zwischen dem Bewerber und der Organisation/
dem Arbeitsteam gedeutet werden und dessen Chance auf ei-
ne Einstellung verringern. Um eine solche Verzerrung in der
Beurteilung von Bewerbern zu vermeiden, kann der Bewer-
bungsprozess so weit wie möglich standardisiert werden, um
die Bedeutung subjektiver Auswahlkriterien bei Einstellungs-
entscheidungen zu verringern.
Ist dieses Mittel ausgeschöpft, bietet sich nach Hofhuis und
Kollegen die Möglichkeit an, die Überzeugungen und Einstel-
lungen von Recruitern zu kultureller Diversität über die Ver-
mittlung positiver Auswirkungen kultureller Diversität (z.B.
mehr Kreativität in Arbeitsteams durch Kombination unter-
schiedlicher Erfahrungen) zu beeinflussen: Die Autoren argu-
mentieren, dass Bewerber, die einer ethnischen Minderheit
angehören und ihre Zugehörigkeit zu diesem Kulturkreis aktiv
nach außen tragen (z.B. im Anschreiben erwähnen), nur von
solchen Recruitern schlechter beurteilt werden, welche die
Auswirkungen von Diversität in ihrer Organisation als negativ
wahrnehmen (z.B. Konflikte durch abweichende Weltbilder).
Recruiter hingegen, die davon ausgehen, dass kulturelle Diver-
sität positive Auswirkungen auf die Leistung von Arbeitsteams
und die Produktivität des Unternehmens hat, werden sogar
positiv auf Bewerber reagieren, die von der dominanten Kultur
abweichen und dies bspw. in ihrem Bewerbungsschreiben als
Benefit für den Arbeitgeber herausstellen.
Um diese Theorie zu überprüfen, nahmen Angehörige der
ethnischen Mehrheit in einem Aufnahmestaat (Niederlande)
die Rolle eines Recruiters ein und bewerteten verschiedene
Kulturelle Diversität &
Recruitment
Joep Hofhuis
,
Karen I. van der Zee
(University of Amsterdam),
&
Sabine Otten
(University of Groningen). Dealing with diffe-
rences: the impact of perceived diversity outcomes on selection
and assessment of minorities. The International Journal of Human
Resource Management, Vol. 27, No. 12, pp. 1319-1339.
fiktive Bewerbungen von Angehörigen ethnischer Minder-
heiten (über Name und Geburtsort impliziert) für eine Stel-
le in einem Projektteam, das sowohl auf kreative Lösungen
als auch reibungsloses Funktionieren angewiesen ist. Um die
Überzeugungen und Einstellungen zu den Auswirkungen kul-
tureller Diversität experimentell zu manipulieren, mussten
die Versuchspersonen Argumente für positive oder negative
Effekte kultureller Diversität sammeln und anschließend in
ihrer Gruppe diskutieren.
Wie erwartet zeigte sich, dass Bewerbern, die in ihrem An-
schreiben ihren kulturellen Hintergrund betonen und diesen
als Mehrwert für das Projektteam herausstellen, eine gerin-
gere Passung zur Organisation attestiert wird – dies aller-
dings nur, wenn sich der „Recruiter“ zuvor mit den negativen
Auswirkungen kultureller Diversität beschäftigt hatte. Wurde
der „Recruiter“ zuvor mit positiven Auswirkungen kultureller
Diversität konfrontiert, hatte die Orientierung des Bewerbers
an seiner Heimatkultur keinen Einfluss auf die Einschätzung
der Passung zwischen dem Bewerber und der Organisation.
Hatte sich der „Recruiter“ zuvor mit den positiven (negativen)
Auswirkungen kultureller Diversität beschäftigt, wurde zudem
die aufgabenbezogene Eignung eines „Bewerbers“ mit hohem
Qualifikationsniveau höher (niedriger) eingeschätzt, wenn die-
ser seine kulturellen Wurzeln im Anschreiben als Benefit für
den Arbeitgeber betonte.
Die Studie von Hofhuis und Kollegen zeigt, dass die Bewer-
tung von Bewerbungen von Angehörigen ethnischer Minder-
heiten bereits durch simple Interventionsmaßnahmen wie eine
Diskussionsrunde zu den (positiven) Effekten kultureller Di-
versität in die gewünschte Richtung gelenkt werden kann. Wie
lange eine solche Intervention in der Praxis wirkt, ist jedoch
ungewiss, sodass die Frage bleibt, welche Interventionsmaß-
nahmen geeignet sind, um Recruiter (und andere Mitarbeiter)
von den positiven Effekten kultureller Diversität langfristig zu
überzeugen.
Besprochen von
Benjamin P. Krebs
, Lehrstuhl International
Business, Universität Paderborn
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