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PERSONALquarterly 03/16
SCHWERPUNKT
_ENTGRENZTES ARBEITEN
ten an manchen Tagen besser gelingen als an anderen, zum
Beispiel bei weniger Zeitdruck oder geringerer Arbeitsintensi-
tät. Aus diesem Grund wurde die Untersuchung als so genann-
te Tagebuchstudie angelegt. Diese setzt sich zumeist aus einer
Vorbefragung und einer darauf folgenden tagesspezifischen
Befragung über mehrere Tage hinweg zusammen. Während in
Befragungen mit nur einem Messzeitpunkt Unterschiede zwi-
schen Personen verglichen werden (Personen mit höherer Ar-
beitsbelastung sind erschöpfter), erlaubt eine Tagebuchstudie,
Unterschiede innerhalb einer Person über mehrere Tage hinweg
zu vergleichen (Person A ist an Tagen mit höherer Arbeitsbelas
tung erschöpfter als an Tagen mit geringerer Belastung).
In der Vorbefragung wurden demografische Merkmale wie
Alter und Geschlecht der Teilnehmer erfasst. Anschließend be-
antworteten die Teilnehmer an 10 aufeinanderfolgenden Arbeits-
tagen zwei Mal pro Tag einen Fragebogen. AmNachmittag (ca. 13
Uhr) wurden die am jeweiligen Tag erlebten Selbstkontrollanfor-
derungen abgefragt, amAbend (ca. 20 Uhr) das mentale Abschal-
ten und das psychische Wohlbefinden. Die Fragebögen konnten
über einen Online-Link abgerufen werden, der den Teilnehmern
per E-Mail zur entsprechenden Uhrzeit zugeschickt wurde.
Insgesamt nahmen 86 Arbeitnehmer an der Untersuchung
teil, die über das Schneeballsystem zu der Untersuchung ein-
geladen worden waren. Das durchschnittliche Lebensalter der
Befragten betrug 40.1 Jahre (SD = 14.24), 64% waren Frauen
und 24% waren in Teilzeit angestellt. Die meisten Teilnehmer
waren im Dienstleistungssektor beschäftigt. Der Kontakt mit
Kunden war somit ein fester Bestandteil ihres Arbeitsalltags.
Zur Messung tagesspezifischer Selbstkontrollanforderungen
wurde die Skala von Neubach und Schmidt (2007) eingesetzt,
die sich aus 15 Items zusammensetzt (
α
= .91). Die Subskala „Im-
pulskontrolle“ umfasst sechs Items. „Überwinden innerer Wi-
derstände“ wurde mit fünf Items gemessen, die dritte Subskala
„Ablenkungen widerstehen“ mit vier Items. Beispielitems lauten:
3
„Meine Arbeit verlangt heute vonmir, nicht die Beherrschung
zu verlieren.“ (Impulskontrolle)
3
„Bestimmte Aufgaben in Angriff zu nehmen, kostet mich
heute manchmal einiges an Überwindung.“ (Überwinden
innerer Widerstände)
3
„Um meine Arbeitsziele zu erreichen, darf ich mich heute
nicht ablenken lassen.“ (Ablenkungen widerstehen)
Mentales Abschalten am Abend wurde anhand von fünf
Items einer Skala von Sonnentag und Fritz (2007) erhoben
(
α
= .94). Die Teilnehmer gaben an, in welchem Ausmaß sie am
jeweiligen Abend mit arbeitsbezogenen Gedanken und Tätig-
keiten beschäftigt waren. Ein Beispielitem lautet:
3
„Am heutigen Abend gelang es mir, mich von meiner Arbeit
zu distanzieren.“
Als Kriteriumsvariablen wurden drei Indikatoren psychi-
schen Wohlbefindens erhoben – zwei negative Indikatoren
(Ich-Erschöpfung und Bedarf nach Erholung) und ein positiver
3,0
2,8
2,6
2,4
2,2
2,0
1,8
1,6
1,4
1,2
1,0
Geringe SKA
Hohe SKA
Abb. 2:
Wechselwirkungen
Ich-Erschöpfung
Wechselwirkungen zwischen Selbstkontrollanforderungen und mentalem
Abschalten am Abend auf Indikatoren psychischen Wohlbefindens:
Indikator (Subjektive Vitalität). Ich-Erschöpfung (Bertrams et
al., 2011) bildet mit fünf Items das aktuelle Erleben von Res-
sourcenerschöpfung und geringer Willenskraft ab, zum Bei-
spiel: „Ich fühle mich gerade antriebslos.“
Der erlebte Bedarf nach Erholung wurde mit einer Skala von
Van Veldhoven und Broerson (2003) erfasst. Eines der fünf
Items lautet: „Nach dem heutigen Arbeitstag bin ich so müde,
dass ich nicht mehr zu anderen Dingen komme.“
Zur Messung von subjektiver Vitalität wurden vier Items von
Ryan und Frederick (1997) verwendet, die Gefühle von Energie
und Lebendigkeit abbilden, zum Beispiel: „Ich fühle mich gera-
de lebendig und vital.“
Ergebnisse
Zur Hypothesenprüfung wurden, getrennt für jede Kriteri-
umsvariable, Mehrebenen-Regressionsanalysen durchgeführt.
Hierbei gingen in einem ersten Schritt einige demografische
und Persönlichkeitsmerkmale (Lebensalter, Geschlecht, ne-
gative Affektivität) zur Kontrolle möglicher Konfundierungs-
effekte ein. Im zweiten Schritt wurden die tagesspezifischen
Selbstkontrollanforderungen hinzugefügt. Anschließend wur-
den mentales Abschalten am Abend als weiterer Prädiktor
sowie die Wechselwirkung zwischen Selbstkontrollanforde-
rungen und mentalem Abschalten am Abend in das Modell