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PERSONALquarterly 03/16
SCHWERPUNKT
_ENTGRENZTES ARBEITEN
den. Die Resultate in Abbildung 1 basieren lediglich auf biva-
riaten Vergleichen. Es wäre also möglich, dass das beobachtete
Ausmaß der Mehrarbeit in der Gruppe der Homeoffice-Arbeit-
nehmer durch Effekte, die eigentlich anderen Variablen zuge-
schrieben werden müssten, überlagert wird. Aussagekräftiger
sind hier die Ergebnisse einer multiplen Regressionsanalyse.
Geht Homeoffice-Arbeit mit einem höheren
Arbeitseinsatz einher?
Die Ergebnisse in Abbildung 1 legen nahe, dass Homeoffice-Arbeitnehmer im Durchschnitt länger arbeiten als Arbeitneh-
mer, die ihre Tätigkeit in der Firma ausüben. Der tatsächliche
Unterschied kann trotzdem immer noch größer oder kleiner
als in Abbildung 1 dargestellt ausfallen. Es ist aber nicht mehr
davon auszugehen, dass die Möglichkeit der Arbeit im Home-
office die betroffenen Mitarbeiter dazu verleitet, ihren Arbeits-
einsatz zurückzufahren.
Abbildung 2 fasst die Schätzergebnisse aus zwei multiplen
Regressionsanalysen zusammen, in denen wir den Zusam-
menhang zwischen Homeoffice-Arbeit und individuellem Ar-
beitseinsatz unter Kontrolle anderer potenzieller Einflüsse
untersuchen.
Die Schätzungen bestätigen den ersten Eindruck aus den de-
skriptiven Statistiken in Abbildung 1 und präzisieren diesen.
Im Durchschnitt arbeiten Homeoffice-Arbeitnehmer knapp 2.5
Stunden mehr pro Woche als Arbeitnehmer ohne Homeoffice-
Möglichkeit. Differenziert man weiter und betrachtet denMehr-
arbeitseffekt aufgeteilt nach verschiedenen Häufigkeiten des
Homeoffice-Einsatzes, so bleibt festzuhalten, dass das Ausmaß
der Mehrarbeit umso stärker ausgeprägt ist, je häufiger die
Arbeitnehmer im Homeoffice arbeiten. Tägliche Homeoffice-
Arbeit geht demnach mit etwa 6 Stunden Mehrarbeitsaufwand
pro Woche einher, während bei seltener Homeoffice-Arbeit
der geschätzte Mehrarbeitseffekt lediglich knapp 75 Minuten
(1.23 Stunden) wöchentlich beträgt. Die Ergebnisse legen die
Schlussfolgerung nahe, dass Homeoffice-Arbeit die Mitarbei-
terautonomie stärkt und dadurch die intrinsische Motivation
der betroffenen Mitarbeiter fördert.
Für die Interpretation unserer Schätzresultate muss ein-
schränkend festgehalten werden, dass wir hier lediglich kon-
ditionale Korrelationen, aber keine kausalen Effekte ermitteln.
Die vorliegenden Schätzergebnisse könnten noch durch ver-
schiedene, nicht explizit berücksichtigte Endogenitätsprob
leme im Zusammenhang mit Homeoffice-Arbeit verzerrt sein.
Beispielsweise ist davon auszugehen, dass die Arbeitskräfte
ihre Tätigkeit nicht zufällig im Homeoffice ausüben dürfen,
sondern dass hier Selektionseffekte vorliegen, d.h. die Zu-
ordnung der Arbeitnehmer in das Homeoffice-Regime erfolgt
systematisch. Theoretisch könnten dadurch die geschätzten
Mehrarbeitseffekte nach oben oder unten verzerrt sein, d.h. der
tatsächliche Mehrarbeitsaufwand, der kausal auf das Regime
der Homeoffice-Arbeit zurückzuführen ist, könnte geringer
oder höher als hier ausgewiesen sein. In einer vergleichbaren
empirischen Untersuchung von Beckmann et al. (2015) zum
Einfluss von Vertrauensarbeitszeit auf den Arbeitseinsatz der
betroffenen Arbeitnehmer stellte sich heraus, dass der kausale
Mehrarbeitseffekt deutlich geringer ausfällt als auf Basis der
Ermittlung konditionaler Korrelationen.
Fazit
Die Ergebnisse der in diesem Beitrag beschriebenen empi-
rischen Analyse zeigen, dass Homeoffice-Arbeit im Durch-
schnitt mit einem höheren Arbeitseinsatz der betroffenen
Mitarbeiter einhergeht als die Arbeit am Firmenstandort. Die
Befürchtung, dass Homeoffice-Arbeit die Arbeitnehmer zum
Faulenzen verleitet, kann damit also nicht bestätigt werden.
Diese Schlussfolgerung kann selbst dann getroffen werden,
wenn man berücksichtigt, dass es sich bei den Schätzergebnis-
sen nicht um kausale Effekte, sondern lediglich um konditio-
nale Korrelationen bzw. Assoziationen handelt.
Nach den vorgestellten Ergebnissen verbleibt die Frage, ob
der Mehrarbeitsaufwand, der insbesondere mit häufiger Arbeit
imHomeoffice verbunden ist, vielleicht zu groß ist, sodass man
möglicherweise weniger von einem höheren Arbeitseinsatz
oder sogar einer gesteigerten Produktivität sprechen sollte,
sondern vielmehr von einer hohen Arbeitsbelastung, die sich
früher oder später auch negativ auf die (mentale) Gesundheit
der betroffenen Arbeitnehmer auswirken könnte. Eine der-
artige Frage können wir mit unseren Ergebnissen nicht be-
antworten. Es ist aber zu vermuten, dass Homeoffice-Arbeit
als personalpolitisches Instrument zur Erhöhung der Arbeit-
nehmerautonomie nicht zulasten der Gesundheit geht. Die
beobachtete Mehrarbeit dürfte vor allem das Resultat einer
verbesserten intrinsischen Motivation der Homeoffice-Arbeit-
nehmer sein, welche ihrerseits durch die gesteigerte Autono-
mie erzeugt wird. Wenn im Rahmen von Homeoffice-Arbeit
dennoch Überlastungseffekte beobachtet werden sollten, dann
könnte das daran liegen, dass Arbeitgeber versucht haben, den
Kontrollverlust, der entsteht, wenn Arbeitnehmer nicht mehr
vor Ort in der Firma arbeiten, durch die Verwendung eines
anderen Kontrollinstruments zu kompensieren. Zu denken ist
hier insbesondere an überambitionierte Zielvorgaben, die als
Methode der Outputkontrolle an die Stelle der wegfallenden
Inputkontrolle treten könnten. Dass eine Stärkung der Arbeits-
autonomie allein der Auslöser für Überlastungen auf Arbeit-
nehmerseite sein soll, ist hingegen nur schwer vorstellbar.