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4.2018
nicht unbedingt cool und deshalb mögli-
cherweise nicht so attraktiv für die unter
30-Jährigen. Anders sieht das für Familien
und ältere Menschen aus.
Na gut, die Mieten und Kaufpreise sind
niedriger. Aber kann das die Vorteile der
Stadt wettmachen?
Ich finde schon. Neh-
men wir Neuruppin. Das ist eine wunder-
schöne kleine Stadt mit einem vielfältigen
Angebot. Dort gibt es billigenWohnraum,
und man ist mit dem Regionalexpress in
einer Stunde in Berlin. Wenn man nur
zweimal in der Woche im Büro sein muss,
muss man nicht in Berlin leben. Moderne
Arbeitskonzepte ermöglichen dies mehr
und mehr.
Dazu braucht man digitale Infrastruk-
tur.
Natürlich, und auch sonstige Infra-
struktur, wie Verkehrswege und Züge mit
funktionierendemInternet. Die räumliche
Trennung vonHomeoffice undUnterneh-
men oder Kunden klappt nur mit schnel-
lem Internet. Daher ist der Internetausbau
zumÜberleben des ländlichenRaums ent-
scheidend.
Immer wieder wollen Kommunen sich
attraktiv machen mit Neubaugebieten
an den Ortsrändern. Die Ortskerne ver-
öden, wir sprechen vomDonut-Effekt …
Das ist kein guter Lösungsansatz, hier sind
wirmitten im Immobilienthema. Neubau-
gebiete, von wo aus die Menschen eine
Stunde in die Städte fahren; dann fah
ren
sie gar nicht mehr ins Dorf, sondern direkt
in ihre Garage. Und sie bekommen weder
etwasmit vomDorfleben noch vomNach-
barn. Der Supermarkt ist auch außerhalb
des Ortes an einer großen Verkehrsstraße
gelegen, wo keine Kommunikation statt-
findet.
Das entwertet den Stadt- bzw. Dorfkern
...
Ja, das Leben findet in den kleinstäd-
tischen oder dörflichen Satelliten statt.
Herr Eberhardt, über das Thema „Fort-
entwicklung der Städte“ spricht man
überall, auch auf der Mipim. Die RICS
hat sich immer wieder mit dem Thema
Urbanisierung beschäftigt, Sie werden
auf dem RICS-Focus am 19. April dieses
Jahr auch über den ländlichen Raumdis-
kutieren. Warum?
Wir beobachten im-
mer wieder, dass dort in allen Bereichen
Infrastruktur zurückgebaut wird. Das Le-
ben auf demLand wird immer mühsamer.
Wir wollen verdeutlichen, dass es auf dem
Land Potenziale und Chancen gibt. Wenn
alle von dort weg in die Städte ziehen, ist
keinem gedient.
Was genau ist für Sie „ländlicher
Raum“?
Dazu zählen für uns Dörfer und
auch kleine und etwas größere Städte, die
sich nicht imBallungsraum, imSpeckgür-
tel einer Großstadt befinden.
Viele ehemalige Bauminister – so etwa
Ramsauer – wollten den ländlichen
Raum stärken. Viel ist allerdings nicht
passiert. Warum sollte sich das jetzt
ändern?
Die Politik muss reagieren, und
sei es auch nur deshalb, weil der ländliche
Raum einfach anders wählt als die Stadt.
Viele Menschen dort haben das Gefühl,
abgehängt zu werden. Die Bundesregie-
rung hat etwa beim schnellen Internet
nicht geliefert. Es muss vielfältige Akti-
onen auf verschiedenen Politikfeldern
geben – und zwar ganz schnell. Ein Bei-
spiel ist E-Health. Man kann heute schon
Menschen digital überwachen, wenn sie
gesundheitliche Probleme haben ...
Sie haben dazu einen 8-Punkte-Plan
veröffentlicht (siehe Heft 3). Aber wird
der etwas daran ändern, dass immer
mehr Menschen in die Städte ziehen
wollen?
Ich glaube tatsächlich nicht, dass
wir den Trend, in die Städte zu ziehen,
komplett umkehren können, zumindest
nicht überall. Der ländliche Raum ist
„Denkmalschutz auf dem Land einschränken“
Dass der ländliche Raum
schwächelt, kann auch an
Immobilienthemen liegen.
Dabei gibt es dort durchaus
Chancen für die Immobili-
enwirtschaft. Selbst Co-Wor-
king-Modelle funktionieren.
Der diesjährige RICS-Focus
befasst sich mit dem The-
ma. Wir sprachen mit dem
Vorstands-Vorsitzenden von
RICS Deutschland,
Martin
Eberhardt
FRICS.
»
SMART CITIES, SMARTES LAND
Im Brennpunkt des diesjährigen
RICS-Focus steht das Thema „Smart
Cities, Smartes Land“ mit Panels und
Vorträgen unter anderem zu den
Bereichen:
›
Smart City 2.0: Utopie, Dystopie
oder Realität?
›
Blockchain als Baustein der
digitalen Transformation
›
Urbane Dörfer – Impulse für
den ländlichen Raum
›
Interkommunale Zusammenarbeit
›
Infrastruktur als Entwicklungsfaktor
Wann:
19. April
Wo:
Ellington Hotel, Berlin
RICS-FOCUS 2018