Immobilienwirtschaft 10/2017 - page 67

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eigenen Aufwendungen möglichst gering zu halten, versuchen
Projektentwickler Honorare so spät wie möglich zu zahlen. Ver-
ständlich. Aber wie viel charmanter wäre diese Ambition, wenn
sie mit der Bitte um eine Finanzspritze oder mit einem Kredit-
vertrag verbunden wäre? Dann könnten die meisten Nörgelleien
an der Planungsqualität („Die Vermassung ist falsch“), Schuld-
zuweisungen („Die Fachingenieure machen, was sie wollen!“)
und Beschönigungen („Ich zahle immer pünktlich!“) vermieden
werden. Die Planer bräuchten dann ihre Risiken nicht durch eine
Verkleinerung der Projektteams („Urlaubszeit!“) oder durch
eine zeitweise Kompletteinstellung der Planung („Wir sind be-
hindert!“) zu reduzieren. Sollte mal ausprobiert werden. Könnte
Wunder wirken. Auf einmal würden sich alle Beteiligten besser
verstehen, und die Zusammenarbeit würde mehr Spaß machen,
Terminverzüge und Kosten könnten vermieden werden.
Erhöhte Gewinne könnten auch durch verbesserte Strukturen
erzielt werden. Was wäre, wenn etwa Entscheidungen von den
Projektleitern direkt vor Ort getroffen würden und nicht nur
vom Seniorchef („Alles geht über meinen Schreibtisch!“). Dann
könnte vermutlich eine Menge Frust und Dienst nach Vorschrift
(„Ich frag nächste Woche mal den Chef...“) vermieden werden.
Synergien stecken auch in der durchgängigen Bearbeitung der
Entwurfs- und Ausführungsplanung. Es kommt immer noch
vor, dass der Entwurf von einem Architekten gemacht wird und
die Ausführungsplanung von einem anderen. Eine extrem auf-
wändige Arbeitsweise, die zu krassen Qualitätsverlusten führt.
Denn die Aufblähung der Projektteams erzeugt ein System von
Misstrauen und Unsicherheiten. Zank und Streit und Kosten-
mehrungen sind die Folge.
Das Schicksal schlägt Kapriolen. Erst kürzlich hat uns ein
Bauherr nach einem Wettbewerbsgewinn mit der Entwurfspla-
nung beauftragt, dieWerkplanung sollte aber ein anderer Kollege
machen. Nach einem Jahr zähem Planungsringen gingen dann
die Fassade und die Innenarchitektur zurück an uns. Wer stark
ist, kann auch seine Entscheidungen revidieren. Für Architekten
und Auftraggeber, die sichmit ihren Projekten identifizieren und
voller Begeisterung an deren Optimierung arbeiten, macht eine
durchgängige Planung aus einem guten Haus ein sehr gutes.
ERST PLANEN, DANN BAUEN
Und noch so ein Traum von mir:
Was wäre, wenn wir nicht mehr gleichzeitig Planen und Bau-
en? Ich weiß, ein Modell, das in Deutschland extrem beliebt
ist. Es soll ja alles ganz schnell gehen. Deshalb wird die Pla-
nungs- und Bauphase so ineinander geschoben, dass gleichzeitig
geplant und gebaut wird („Simultaneous Engeneering“). Hört
sich innovativ an, funktioniert aber wegen der stark steigenden
Planungskomplexität in der Regel nur mit Zeit-, Kosten- und
Qualitätsverlusten. Ich staune jedes Mal, wenn trotz dieser
aufwändigen Arbeitsweisen eines Tages auch tatsächlich ein
fertiges Haus dasteht.
Gerade heute, in den Boom-Zeiten, höre ich häufig Klagen
über die Genehmigungsbehörden und die politischen Entschei-
dungsgremien: „Zu langsam, zu unfähig!“. Doch auch im privat-
wirtschaftlichen Teil der Stadtproduktion geht allzu vieles holter
die polter: Kaufen, verkaufen, expandieren, digitalisieren, finan-
zieren, planen, bauen - da kann einem ganz schwindelig werden
und einiges durcheinander geraten.
PLANUNGSKULTUR
Auch viele Architekten könnten es besser
machen. Sie lassen sich an den Rand des Geschehens drängen
und übergeben allzu freiwillig anderen die Verantwortung. Sie
gehenKonflikten lieber aus demWeg, anstatt als gleichberechtigte
Projektpartner die Probleme offen anzusprechen. Und die eigene
Planungskultur stärker einzubringen. Ich bin kein Träumer, aber
ichweiß aus langer Erfahrung, dass alle Beteiligten, in geordneten
Bahnen, immer wieder zusammenkommen müssen, wenn das
Werk gelingen soll.
Ist es nicht an der Zeit, sich mit der Art der Zusammenar-
beit und den damit einhergehenden Prozessen auseinanderzu-
setzten?WildWest war gestern und Shootouts werden heute hart
bestraft. Hier nochmal meine Wunschliste: Phase Null sorgfältig
durchführen, solide finanzieren undHonorare zahlen, kleine Pla-
nungsteams einsetzen und unterstützend begleiten, erst planen
und dann bauen. Und positive Energie ins Team bringen. Und
halten. Denn der gute Umgang miteinander und die wechsel-
seitige Unterstützung machen aus Durchschnitt nachhaltigen
Erfolg. Für alle.
Es gibt eine lange Kette von Beispielen für Do-it-yourself-Management
und fehlende Planungskultur: Kaum irgendwo wird so unbeschwert
unwirtschaftlich gearbeitet, wie in der Immobilienbranche.
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ZUR PERSON
Eike Becker
leitet seit Dezember 1999 zusammen mit Helge Schmidt gemeinsam das Büro Eike Becker_Architekten in Berlin.
Internationale Projekte und Preise bestätigen seitdem den Rang unter den erfolgreichen Architekturbüros in Europa. Eike Becker_Architekten arbeiten
an den Schnittstellen von Architektur und Stadtplanung mit innovativen Materialien und sozialer Verantwortung.
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