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INVESTMENT & ENTWICKLUNG
I
TITELTHEMA
Bundesrepublik 2016 – hinter Holland und Irland – auf den eher
bescheidenen neunten Platz. Dass die Briten die Nase soweit vorn
haben, beginnt bei der Verfügbarkeit von Immobiliendaten, ihrer
Digitalisierung und endet bei der Schnelligkeit, mit der Immobi-
liendeals auf der Insel abgewickelt werden.
„Dort können sichMarktteilnehmer schnell mittels allgemein
zugänglicher Datenbanken über Verkaufspreise und Mieten in-
formieren“, weiß Marcus Cieleback, Group Head of Research der
Patrizia Immobilien AG (Immobilieninvestments in Großbri-
tannien: 2,0 Milliarden Euro). Ferner schätzt er dort die Vielfalt
an Beratern und anderen professionellen Akteuren. Das Invest-
mentklima gefällt offenbar vielen deutschen institutionellen Im-
mobilienanlegern. So haben Offene Immobilienpublikumsfonds
hierzulande rund sieben Milliarden Euro in britische Gewerbe
immobilien gesteckt. Führend ist hierbei der hausInvest, der von
seinem Immobilienvermögen knapp 24 Prozent (2,7 Milliarden
Euro) auf der Insel investiert hat.
Unter den Top drei rangiert auch der Deka-Immobilien
Europa, von dessen Immobilienanlagen fast 17 Prozent (2,4
Milliarden Euro) auf das Vereinigte Königreich entfallen.
„Der Immobilienbestand unserer Offenen Immobilienfonds in
Großbritannien wurde in den letzten zehn Jahren sukzessive
aufgebaut und damit zu vergleichsweise günstigen Kaufpreisen
erworben“, betont Burkhard Dallosch, Geschäftsführer der Deka
Immobilien.
KEIN ANLASS NERVÖS ZU WERDEN
Auch Fondsanalystin Knorr
sieht derzeit keinen Anlass, nervös zu werden: Die Portfolien der
Fonds seien gut diversifiziert und gegen Währungsverluste ab-
gesichert, merkt sie an. Beispiel Deka Immobilien: Bis 2020 sind
rund 80 Prozent der Mieteinnahmen in Großbritannien vertrag-
lich gesichert, viele Mietverträge haben Restlaufzeiten von zehn
Jahren. Die Immobilien sind konservativ bewertet – im Schnitt
nach Angaben von Scope mit der 18,5-fachen Jahresmiete, was
einer Rendite von 5,2 Prozent entspricht. Zuletzt bewegte sich
diese Ende Juni nach Angaben von JLL in der City von London
bei der 23,5-fachen Jahresmiete (Rendite: 4,3 Prozent) und im
West End sogar bei der 28,6-fachen (3,5 Prozent).
Zudem verfügen viele Fonds nach wie vor über üppige Cash-
polster von über 20 Prozent, aufgrund hoher Mittelzuflüsse –
allein in den ersten fünf Monaten dieses Jahres sammelten die
Offenen Immobilienpublikumsfonds 3,9Milliarden Euro bei An-
legern ein – und mangelnder lukrativer Anlagemöglichkeiten.
Aufgrund der Niedrigzinspolitik der EZB sinken die Renditen,
vor allem von Core-Immobilien, europaweit munter weiter.
Deshalb verfolgen deutsche Offene Immobilienfonds die Ent-
wicklung auf dembritischen Immobilienmarkt aufmerksammit.
Dallosch kann sich – „je nachdem, wie sich die Situation dort wei-
terentwickelt“ – sogar vorstellen, dass „Deka-Immobilienfonds
antizyklisch zukaufen“. Zu lange zögern mit solchen Plänen darf
er wohl nicht, weil insbesondere asiatische und amerikanische
Investoren längst auf der Lauer liegen. Bei den Immobilien-
Beratungshäusern JLL und Savills würde man sich nicht wun-
dern, wenn das Investmentgeschäft in London in der zweiten
Jahreshälfte wieder mehr in Schwung käme. Erste Schätzungen
direkt nach dem Brexit-Referendum hatten für Beunruhigung
gesorgt, dass internationale Unternehmen – vor allem Banken
und Finanzdienstleister – 200.000 Arbeitsplätze aus London in
andere Länder verlegen werden. Sie können künftig wegen regu-
latorischer Auflage allenfalls unter erschwerten Bedingungen von
Großbritannien aus weiter in der EU agieren.
Der Finanzsektor mit seinen vielfältigen internationalen
Verflechtungen ist für die britische Metropole schließlich als
Wirtschaftsfaktor von herausragender Bedeutung. „Einen allzu
starken Aderlass wird es nicht geben“, beschwichtigt Lemli. Prin-
zipiell werde sich London als globales Finanzzentrumbehaupten,
selbst wenn es zu größeren Verlagerungen kommen sollte. Wer
werden dann die Nutznießer sein? – Die Kandidaten heißen: Du-
blin, Frankfurt (siehe hierzu Seiten: 26–27), Luxemburg, Paris
und vielleicht Amsterdam.
Noch tut sich eher wenig. „Bislang haben wir allenfalls erste
Informationsgespräche über die Verfügbarkeit von Büroflächen
geführt“, sagt CarstenApe, Head of AgencyGermany. JLLmeldete
Fotos: DekaBank; BayernLB
Experten
„Der Immobilienbestand
unserer Offenen Immobili-
enfonds in Großbritannien
wurde in den letzten
zehn Jahren sukzessive
aufgebaut und damit zu
vergleichsweise günstigen
Kaufpreisen erworben.“
Burkhard Dallosch,
Geschäfts-
führer, Deka Immobilien
„Der EU-Austritt Groß-
britanniens wird sich
im Londoner Büromarkt
bei Objekten mit langer
Mietbindung allenfalls
leicht bemerkbar ma-
chen.“
Eberhard Maier,
Leiter interna-
tionale Immobilienkunden und
Fonds der BayernLB