Immobilienwirtschaft 09/2016 - page 26

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INVESTMENT & ENTWICKLUNG
I
TITELTHEMA
Frankfurt als Brexit-Gewinner sehen. 72
Prozent von ihnen erwarten, dass der Fi-
nanzplatz ammeisten vomAustritt Groß-
britanniens aus der EU profitieren wird,
Dublin (13 Prozent) und Paris (sechs Pro-
zent) folgen mit weitem Abstand. Einer
Umfrage des Immobilienverbands IVD
zufolge rechnen 59 Prozent der Marktak-
teure damit, dass das Interesse internatio-
naler Investoren an deutschen Immobilien
steigen wird; dem Verband zufolge haben
sich erste Investoren bereits an Makler
gewandt mit der Absicht, Kapital nach
Deutschland zu verlagern.
Gleichwohl erinnern Prognosen zu
den Brexit-Folgen derzeit an ein Stochern
im Nebel. Entsprechend zurückhaltend
äußern sich große Makler wie JonesLang­
Lasalle oder BNP Paribas Real Estate mit
Prognosen für lokale Wohnungs- und
Büromärkte. Auch Tobias Just, Professor
für Immobilienwirtschaft an der Interna-
tional Real Estate Business School (Irebs)
in Regensburg, bleibt vorsichtig. „Es kann
passieren, dass ein paar Unternehmen ih-
ren Sitz nach Frankfurt amMain, Luxem-
burg oder Berlin verlagern.“ Der Ökonom
bremst den Überschwang. „Frankfurt am
Main ist nur einer von mehreren theore-
tischen Standorten, so einfach ist das Spiel
nicht.“ Just verweist außerdem darauf,
dass es wohl keinen Massenansturm auf
den Frankfurter Wohnungsmarkt geben
würde – es gehe imFall des Falles eher um
Wochenpendler, deren Familien weiter in
London leben würden.
Aber auch sie könnten die ohnehin
angespannte Situation anstacheln. „Zah-
lungskräftige Investoren treffen auf einen
engen Markt“, fasst es Professor Michael
Voigtländer vom Institut der deutschen
Wirtschaft in Köln zusammen. Er ver-
weist darauf, dass sich bei aller Unsi-
cherheit zeitnah Tendenzen abzeichnen
könnten; Banken bräuchten an die zwei
Jahre, um eine Lizenz zu erhalten – sie
müssten handeln, wenn sie sich verän-
D
as war kein Zufall: Just am Morgen
nach dem Brexit-Votum der Briten,
als der Großteil Europas noch im
Schock erstarrt lag, schalteten die Mar-
ketingexperten von FrankfurtRheinMain
GmbH ihre neue Homepage online – be-
gleitet von einer Twitter- und LinkedIn-
Kampagne speziell für den britischen
Markt. Mehrere zehntausend Besucher
haben die Standortvermarkter seitdem
gezählt. „Schon wegen des Fokus auf
Großbritannien kam ein Großteil der
Zugriffe von dort“, sagt eine Sprecherin.
Auch wenn das Interesse an der Region
grundsätzlich hoch sei, die Zahl der E-
Mail-Anfragen sei seit der Abstimmung
deutlich angestiegen, die sozialen Kanäle
liefen voll.
FRANKFURT
Frankfurt setzt sich wie bei-
läufig in Szene – doch hinter dem Wer-
ben verbergen sich große Hoffnungen:
Die Stadt rechnet sich Chancen aus, im
Falle eines tatsächlichen Austritts Groß-
britanniens aus der Europäischen Union
(EU) London als zentralen Finanzplatz zu
beerben. Banken vor allem aus den USA,
die aus handelsrechtlichen Gründen auf
einen Standort innerhalb der EU ange-
wiesen sind, könnten ihren Sitz verlagern
und weitere Finanzdienstleister mitzie-
hen – von 10.000 bis 20.000 Arbeitsplät-
zen ist die Rede, zusätzlich zu den mehr
als 60.000 derzeit im Finanzsektor der
Region Beschäftigten. Analysten und
Marktbeobachter nähren die Hoffnung
der RheinMain-Vermarkter zumindest
teilweise. „In Frage kommen ja nur Städ-
te, die eine gute Infrastruktur aufweisen
und in denen Englisch gesprochen wird“,
sagt ChristophHaub, Director bei Ernst &
Young (E&Y) Real Estate GmbH. „Damit
ist Frankfurt klar imVorteil gegenüber Pa-
ris oder Mailand.“
Rückenwind erhält er in seiner Ein-
schätzung von einer Befragung, bei der
555 Immobilienakteure aus Deutschland
Vor allem Frankfurt am Main
und Berlin möchten von
einem Bedeutungsverlust
Londons profitieren. Langfris­
tig könnten allerdings po-
sitive regionale Impulse für
den Immobilienmarkt von
einer schlechteren volkswirt-
schaftlichen Lage aufgezehrt
werden.
Brexit rückt Deutschland in den Mittelpunkt
72
%
der Experten erwarten, dass der
Finanzplatz Frankfurt am meisten
vom Austritt Großbritanniens
aus der EU profitieren wird,
Dublin (13 Prozent) und Paris
(6 Prozent) folgen mit weitem
Abstand.
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