Immobilienwirtschaft 09/2016 - page 34

34
INVESTMENT & ENTWICKLUNG
I
KOLUMNE
ten und denMehrwert einstreichen, während die Stadtmit hohem
Aufwand die öffentliche Infrastruktur wie Straßen, Plätze, Parks,
Museen und Flughäfen unterhält, ausbaut und damit wesentlich
die Wertsteigerung der privaten Grundstücke befördert. Aber
Städte sind nicht wie Wetten auf Edelmetalle, Schweinehälften
oder Fußballspiele. Sie sind keine Spekulationsobjekte. Sie sind
vorrangig Heimat und Lebenswelt für viele. In Absatz 2 des Arti-
kels 14 des Grundgesetzes heißt es: „Eigentum verpflichtet. Sein
Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“
In der Stadt geht es um reale Lebensfragen.Was ist der Nutzen
für andere? Kann Lebensqualität verbessert werden, die Nachbar-
schaft gestärkt, eine Kita gebaut, Wohnungen geschaffen werden?
In Zeiten großer Wohnungsknappheit und starken Wachstums
müssen die bestehenden Ressourcen deutlich besser genutzt wer-
den.
WARUM ÜBERHAUPT GRUNDSTÜCKE VERKAUFEN?
Die Bundesan-
stalt für Immobilienaufgaben (BImA) oder der Liegenschafts-
fonds in Berlin können vielfach davon berichten. Über Jahre
werden von diesen Institutionen öffentliche Grundstücke ver-
scherbelt. Dabei bekommt derjenige das Grundstück, der einfach
mehr Geld dafür bezahlt. Ein Skandal ohnegleichen! Zwar kann
der Fonds vorrechnen, dass dadurch aus nicht mehr benötigten
Landes-Immobilien „Neues, Modernisiertes und Vitales“ ent-
stand undGeld eingenommenwurde. Aber der Zugriff auf riesige
Flächen in zentralsten Lagen ist für immer vergeben.
In Berlin waren es in den Jahren 2001 bis 2012 insgesamt
6.300 Immobilien mit einer Fläche von 16 Millionen Quadrat-
metern für 2,4 Milliarden Euro. Für immer weg!
Und wie häufig ist es vorgekommen, dass der Zuschlags-
berechtigte möglichst langwierig den Vertrag verhandelt und
dann noch vor der Zahlungsfrist mit deutlichem Gewinn „wei-
terverkauft“. Sollte der so genannte Käufer keinen einstiegsbe-
reiten finanzstarken Investor finden, gibt er aus fadenscheinigen
Gründen das Grundstück einfach zurück. Eine risikoarme Ge-
schäftsidee. Bei solcher Art von Kettenbriefspekulation wird kein
Wert geschaffen. Aber am Ende ist das Grundstück für den, der
tatsächlich bauen will, fast nicht mehr zu stemmen. In München
kostet der Quadratmeter Grundstück bereits durchschnittlich
3.000 Euro. Das muss dann an den Baukosten wieder eingespart
werden. Die Folge sind hochspekulierte Billigbuden, die dann
für viele Mieter immer noch zu teuer sind. Die Dummen sind
die eigentlichen Nutzer, die für hart erarbeitetes Geld wenig be-
kommen.
Während bei der BImA und den meisten Kommunen heu-
te noch ausschließlich nach monetären Kriterien Grundstücke
verscherbelt werden, hat das Land Berlin endlich umgedacht
und mit dem Konzept zur „Transparenten Liegenschaftspolitik“
auch „wirtschafts-, wohnungs-, kultur- und stadtentwicklungs-
politische Ziele“ formuliert. Leider erst viel zu spät. Das Beste ist
bereits verkauft. Doch nun werden Grundstücke unter der Ver-
einbarung einer gewünschten Nutzung auch konzeptorientiert
und direkt vergeben. So können geeignete Grundstücke beispiels-
weise den landeseigenenWohnungsbaugesellschaften zur Errich-
tung preiswertenWohnraums übereignet werden. Leider sind die
Wohnungsbaugesellschaften allein durch die schiere Masse der
Aufgabe völlig überfordert. Die sind ja bis vor Kurzem nur noch
Verwalter von großen Beständen gewesen und müssen sich jetzt
erst wieder ihre Bau- und Entwicklungskompetenz erarbeiten.
Aber warum bis heute immer noch viele Grundstücke in
guten Lagen von der öffentlichen Hand an privat veräußert
werden, leuchtet mir nicht ein. Einmal verkauft sind die Filet-
grundstücke für immer weg. Vielmehr sollten Grundstücke in
zentralen Lagen durch Erbbaurechte vergeben werden. Beim
Erbbaurecht werden der Boden und die darauf errichteten Ge-
bäude rechtlich getrennt. Investoren rechnen ihre Engagements
in der Regel über kurze Zeiträume. In 15 bis 25 Jahren hat sich
auch eine langfristige Investition gerechnet. Das Land bleibt
dauerhaft im Eigentum der öffentlichen Hand und wechselt nur
den Besitzer. Zum Ablauf des Pachtvertrages nach vielleicht 25
Jahren kann dann im öffentlichen Interesse geschaut werden, ob
die Nutzung so bleibt oder etwas Besseres mit dem Grundstück
angefangen werden kann.
Aber dazu mehr in einer der nächsten Kolumnen.
Leider legal: Immer mehr Grundstücke werden nicht bebaut, weil Spe-
kulanten auf Wertsteigerung warten. Aber Städte sind nicht wie Wetten
auf Edelmetalle, Schweinehälften, Fußballspiele. Sie sind Lebenswelten.
«
ZUR PERSON
Eike Becker
leitet seit Dezember 1999 mit Helge Schmidt gemeinsam das Büro Eike Becker_Architekten in Berlin.
Internationale Projekte und Preise bestätigen seitdem den Rang unter den erfolgreichen Architekturbüros in Europa. Eike Becker_Architekten arbeiten
an den Schnittstellen von Architektur und Stadtplanung mit innovativen Materialien und sozialer Verantwortung.
1...,24,25,26,27,28,29,30,31,32,33 35,36,37,38,39,40,41,42,43,44,...92
Powered by FlippingBook