Immobilienwirtschaft 09/2016 - page 16

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MARKT & POLITIK
I
VERBANDSINFORMATIONEN
A
uch wenn die Folgen des Brexit in den kommenden Monaten im Mittelpunkt der
Diskussion stehen werden, wäre es sträflich, den heimischen Markt zu vernach-
lässigen. Zu wenig wird der nicht zuletzt für den sozialen Frieden entscheidende
Wohnungsmarkt ganzheitlich und mit einem Fokus betrachtet, der über eine oder zwei
Legislaturperioden hinausreicht.
EIN ZUKUNFTSSZENARIO
Ein Zukunftsszenario könnte so aussehen: Das Angebot an
Wohnraum in den Ballungszentren Deutschlands nimmt weiter ab, da mehr Menschen
vomLand in die Stadt ziehen. Der Flächenverbrauch pro Kopf nimmt zu; dank derMiet-
preisbremse können sich wohlhabendeMenschenmehrWohnraum leisten. Gleichzeitig
gibt es eine EnEV 2022, die die Baukosten weiter in die Höhe treibt. Das Ziel, Nebenkos-
ten zu sparen, und das weit verbreitete Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung zusammen
mit demWunsch nach gerechter, möglichst verbrauchsabhängiger Abrechnung steigern
die Kosten für technische Einrichtungen (Mess- und Sicherheitstechnik) immer weiter.
Die hohen Kosten (Bau- und Grundstückskosten) in den Ballungszentren erschwe-
ren Mietwohnungsneubau; falls doch Mietwohnungen gebaut werden, geschieht dies
unter Einsatz von staatlichen Mitteln vor allem im sozial geförderten Wohnungsbau.
Dieser wird in den Randgebieten der Städte angesiedelt. In den so genannten „guten La-
gen“ entstehen, begünstigt durch die niedrigen Zinsen, sehr teure Eigentumswohnungen.
In der Folge werden ärmere Bevölkerungsschichten in die Außenbezirke verdrängt und
müssen dort zur Miete wohnen. Der Zustand des Bestands verschlechtert sich in den
Städten, da dieMietwohnungen des freienMarkts nur relativ geringe Investitionen sehen.
Dies gilt zumindest so lange, bis sich eine komplette Renovierung lohnt. Manchmal wird
sogar gewartet, bis eine Aufteilung in Wohnungseigentum interessant ist.
Aufgrund der demografischen Entwicklung wird der ländliche Bereich immer dün-
ner besiedelt. Nur einigen wenigen Kommunen gelingt es, attraktivitätssteigernde Stra-
tegien umzusetzen. Da sich jedoch rund 80 Prozent des Gebäudebestands außerhalb der
Ballungszentren befinden, sind unbewohnte Häuser ein reales Problem.
SACHLICHE UND NACHHALTIGE DISKUSSION
Jedem Wohnungswirtschaftler sind solche
Überlegungen, die negative Folgen für die Zukunft unserer Gesellschaft verheißen, be-
kannt. Versuche, diese inwenigen plakativen SätzenMedien undÖffentlichkeit zu erläu-
tern, scheitern regelmäßig an der Komplexität der Zusammenhänge. Die RICS möchte
daher im Rahmen ihrer „Initiative Wohnungswirtschaft“ eine sachliche, nachhaltige
Diskussion, basierend auf Fakten, anstoßen. Wie wird sich der Markt entwickeln? Was
sind Schlüsselrisiken für unsere Gesellschaft? Wie kann es gelingen, soziale Segmentie-
rung zu verhindern und denWohnungsmarkt, unter Erhalt des größten Vermögens der
Bevölkerung, erfolgreich zu bewirtschaften? Wir sollten nicht aus dem Auge verlieren,
dass das Immobilienvermögen in Deutschland den größten Block innerhalb aller Be-
standteile des Gesamtvermögens ausmacht. Dies spiegelt sich nicht in der gesellschaft-
lichen Diskussion wider.
Zu diesen Themen vergeben und betreuen wir Bachelor- und Masterarbeiten. Wir
gehen in dieWohnungswirtschaft und suchen denDialog. Unser Ziel ist es, von „140-Zei-
chen-Plattitüden“ und politischem Aktionismus wegzukommen, hin zu einem ganz-
heitlichen Verständnis. Wir freuen uns auf Mitdenker, Mitstreiter und Mitgestalter!
Dipl. Jur. Oliver Moll MRICS, Vorsitzender der
Professional Group Residential der RICS in
Deutschland und Geschäftsführer der Moll
& Moll Zinshaus GmbH in Hamburg
140 Zeichen sind zu wenig
für die Wohnungswirtschaft
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Dipl. Jur. Oliver Moll MRICS
RICS
Die RICS Professional
Group Residential fordert
ein ganzheitliches Denken
und kooperiert mit der
Wissenschaft.
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