Immobilienwirtschaft 09/2016 - page 17

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9.2016
Es ist Zeit für eine verstärkte
Wohneigentumspolitik
W
ohneigentum hat eine hohe Bedeutung für die Wohnraumversorgung, die Ver-
mögensbildung, die Altersvorsorge und für sozial stabile Nachbarschaften. Eine
aktuelle Studie von Empirica zeigt Erstaunliches: Selbst neue Eigenheime am
Stadtrand entlasten angespannte Wohnungsmärkte – und zwar fast genauso stark wie
der soziale Wohnungsbau. Denn damit werden über mehrere Umzugsketten Mietwoh-
nungen in stark nachgefragten innerstädtischen Lagen für Durchschnitts- und auch
für Geringverdiener frei. Zusätzlich bietet das Wohneigentum den besten Schutz ge-
gen Mietsteigerungen und Verdrängung aus angesagten Stadtteilen. Und schließlich ist
die Wohneigentumsbildung der wichtigste Weg zur Vermögensbildung und bietet eine
vergleichsweise sichere, kapitalgedeckte Altersvorsorge. Denn die Wohneigentumsbil-
dung ist trotz steigender Immobilienpreise vorteilhafter als Mieten, wie das Institut für
Wirtschaftsforschung Köln soeben analysiert hat. So liegen die laufenden Kosten für
Wohneigentümer selbst für angespannte Wohnungsmärkte wie Berlin, Hamburg, Köln
oder Frankfurt mehr als 30 Prozent unter den Kosten der Mieter.
GÜNSTIGES FINANZIERUNGSUMFELD SOLLTE GENUTZT WERDEN
Doch trotz der guten
Voraussetzungen durch das niedrige Zinsniveau gibt es immer mehr „verhinderte“
Wohneigentümer. Zum einen fehlt Haushaltenmit geringeremund durchschnittlichem
Einkommen das notwendige Eigenkapital, das sich wegen der niedrigen Zinsen zudem
schwieriger ansparen lässt. Die stark gestiegene Grunderwerbsteuer und weitere Er-
werbsnebenkosten tun einÜbriges. Zumanderen scheinen die soeben verschärften Kre-
ditvergabekonditionen der Wohnimmobilienkreditrichtlinie den Zugang zur Finanzie-
rung zu erschweren. Insofern ist gerade jetzt eineWohneigentumspolitik notwendig, die
breiten Bevölkerungsschichten den Zugang zurWohnungsbaufinanzierung ermöglicht.
STAATLICHE ERSATZPROGRAMME FÜR EIGENKAPITAL
Erfolgen könnte dies durch staatlich
garantierte Eigenkapitalersatzprogramme für Schwellenhaushalte, die das notwendige
Eigenkapital verringern und gleichzeitig bei der Tilgung unterstützen. Zur Familien-
förderung könnten Kinderprämien gewährt werden, sodass sich die Kostenvorteile des
Wohneigentums auch sozial- und familienpolitisch nutzen lassen. Um die Gefahr einer
spekulativen Blase zu minimieren, müsste eine entsprechende Wohneigentumsförde-
rungmit langfristig gesicherten Finanzierungskonditionen und kontinuierlichen, hohen
Tilgungen gekoppelt werden. Ähnlich wie bei öffentlichen Studienkrediten könnte eine
schnellere Rückzahlung honoriert werden. Außerdem muss dringend beobachtet wer-
den, wie stark die strengerenVorgaben derWohnimmobilienkreditrichtlinie den Zugang
zu Wohnungsbaukrediten behindern, um entsprechende Anpassungen vorzunehmen.
Die von 2014 auf 2015 gesunkenen Neubauzahlen im Eigentumssegment verdeut-
lichen ebenfalls die Notwendigkeit einer gezielten Wohneigentumspolitik. Zumal die
Fertigstellungszahlen im letzten Jahr insgesamt bei knapp 250.000Wohneinheiten stag-
nierten – bei einem jährlichen Neubaubedarf von 350.000 bis 400.000 Wohnungen.
Um sich kontinuierlich mit dem Wohneigentumsthema auseinanderzusetzen und die
Bedeutung von Wohneigentum gegenüber Politik und Fachöffentlichkeit herauszustel-
len, hat der Deutsche Verband mit weiteren Verbänden und Organisationen das „ifs
Institut Wohneigentum“ eingerichtet. Es führt die Tradition des Ende 2015 aufgelösten
„ifs Instituts für Städtebau, Wohnungswirtschaft und Bausparwesen“ fort.
Oda Scheibelhuber, Ministerialdirektorin
a.D., Leiterin der Arbeitsgruppe „ifs Wohnei-
gentum“ des Deutschen Verbandes für Woh-
nungswesen, Städtebau und Raumordnung
Deutscher Verband
Trotz
derzeit günstiger Finanzie-
rungsbedingungen ist ein
größerer Teil der Bevölkerung
von der Wohneigentumsbil-
dung ausgeschlossen. Das
muss sich ändern – auch um
angespannte Mietwohnungs-
märkte zu entlasten.
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Oda Scheibelhuber, Berlin
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