Immobilienwirtschaft 09/2016 - page 14

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MARKT & POLITIK
I
BAUPLANUNGSRECHT
Neben der Nahversorgung der Bevölke-
rung vor Ort muss es möglich sein, auch
großflächigen Einzelhandel mit mehr
als 800 Quadratmeter Verkaufsflächen
in einem „Urbanen Gebiet“ zu realisie-
ren. Eine starre Begrenzung wäre für die
Quartierentwicklung und die planerische
Freiheit kontraproduktiv. Es muss den
Planern überlassen werden, wie das Quar-
tier gestaltet werden soll, wobei selbstver-
ständlich im Planungsverfahren sicherge-
stellt werden muss, dass die beabsichtigte
Nutzungsintensität in dem Gebietstyp
verträglich ist.
AUSGEWOGENHEIT DER INNENSTÄDTE
Zu-
dem darf die Novellierung des BauGB
nicht dazu führen, den Fokus der Stadt-
planung auf Wohngebäude zu richten.
Das würde dazu führen, dass zukünftig
Flächenengpässe die Wirtschaftsentwick-
lung der Städte hemmen könnten. Insbe-
sondere Büroimmobilien müssen also ein
wesentlicher Baustein der „Urbanen Ge-
biete“ sein. Aktuell neigen insbesondere
die stark angespannten Großstädte dazu,
ebendiese Büroprojekte stiefmütterlich
zu behandeln. Die neue Flexibilität muss
dazu dienen, die Ausgewogenheit der
Innenstädte beizubehalten. Die Wirt-
schaftlichkeit beruht nun einmal auf der
Dreiteilung aus Wohnen, Arbeiten und
Versorgen.
Insbesondere bei der Änderung der
TA Lärm besteht weiterer Nachholbedarf.
In der aktuellen Fassung, die eine Anhe-
bung der zulässigen Grenzwerte vorsieht,
mangelt es noch an Ernsthaftigkeit. Zwar
ist die geplante Erhöhung ein guter erster
Schritt in die richtige Richtung, dochmuss
die Bundesregierung auch die aktuellen
Gegebenheiten insbesondere durch bau-
liche Möglichkeiten berücksichtigen.
Vor allem in Großstädten sind die
Bewertungsmaßstäbe für Wohnqualität
einem stetenWandel unterworfen. Somag
etwa nicht gesundheitsgefährdender Lärm
in einem lebendigen Quartier akzeptabel
sein, wenn dafür Arbeits-, Einkaufs- und
Freizeitmöglichkeiten vor Ort bestehen.
Auch das wurde in der Forsa-Umfrage des
ZIA deutlich. Jeder vierte Befragte wür-
de eine höhere Geräuschkulisse in Kauf
nehmen, wenn er dafür in der Innenstadt
wohnen könnte. Eine räumliche Trennung
von Nutzungsarten, wie sie aktuell durch
die TA Lärm vorgeschrieben ist, steht
zudem dem Gebot entgegen, mit Grund
und Boden sparsam umzugehen. Um
Konflikte, die aus der räumlichen Nähe
unterschiedlicher Nutzungen resultieren,
bewältigen zu können, müssen andere, im
Wesentlichen technischeMaßnahmen be-
rücksichtigt werden, die auch in der TA
Lärm Eingang finden sollten.
Ein Beispiel ist das „HafenCity-
Fenster“, das in Hamburg zum Einsatz
kommt. Dieses ermöglicht den Schutz
vor Lärm bei gekipptem Fenster. In der
TA Lärm wird eine solche Technologie
nicht berücksichtigt. Der Messpunkt be-
trägt nämlich nach wie vor 50 Zentimeter
vor dem geöffneten Fenster. Der passive
Schallschutz wird somit nicht berück-
sichtigt. Die Bundesregierung hat nun die
Möglichkeit, den technologischenWeiter-
entwicklungen imLärmschutzbereichmit
der Novellierung der TA Lärm Rechnung
zu tragen.
Dabei sollte auch die Bewertung von
Lärmunddie Festlegung vonGrenzwerten
in Frage gestellt werden. Denn nach wie
vor unterscheidet der Gesetzgeber zwi-
schen Verkehrslärm und Gewerbelärm.
Die unterschiedliche Bewertung führt
zu einer Benachteiligung von Gewerbe-
lärm. Aus Sicht der Immobilienwirtschaft
ist das fragwürdig. Die Geräuschkulisse
eines Lieferwagens beispielsweise, der
ein Gebiet lediglich durchquert, wird als
Verkehrslärm angesehen. Sollte er aller-
dings anliefern, fällt seine Emission unter
Gewerbelärm. Der ZIA plädiert daher für
eine Angleichung der Grenzwerte für Ver-
kehrs- und Gewerbelärm.
VERFAHREN HAT UNWÄGBARKEITEN
Das
beschleunigte Verfahren, das das Bun-
desbauministerium im „Urbanen Gebiet“
plant, steht ebenfalls aufwackeligenFüßen.
Für Entwickler wird es nur dann von prak-
tischer Bedeutung bleiben, wenn es nicht
zu einer Ausdehnung der Vorprüfung der
voraussichtlichen Umweltauswirkungen
bei einer Aufstellung von Bebauungsplä-
nen der Innenentwicklung kommt. Das
beschleunigte Verfahren würde bei einer
solchen Erweiterung nicht mehr beschleu-
nigt, sondern künstlich gebremst werden.
In der Praxis ist es dann sinnvoller, direkt
ein normales Bebauungsplanverfahren zu
durchlaufen.
Darüber hinaus besteht kein Grund
für die Ausdehnung des Anwendungsbe-
reichs der Vorprüfung der voraussicht-
lichen Umweltauswirkungen, da bereits
bei derzeitiger Rechtslage auch in einem
beschleunigten Verfahren eine Prüfung
der Umweltbelange notwendig ist. Sie
sind imRahmen der Abwägung zwingend
durch die Fachplaner zu berücksichtigen,
sodass ein sehr hohes Schutzniveau be-
steht und Umweltbelange angemessen
Berücksichtigung finden.
«
Dr. Andreas Mattner, Berlin
Dr. Andreas
Mattner,
Präsident des
ZIA Zentraler
Immobilien
Ausschuss e.V.,
Berlin
AUTOR
„Die Novellierung des
BauGB darf nicht dazu
führen, den Fokus der
Planung auf Wohnge-
bäude zu richten. Insbe-
sondere Büroimmobilien
müssen ein wesentlicher
Baustein bleiben.“
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