IMMOBILIENWIRTSCHAFT 11/2016 - page 17

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1.2016
Umgang mit differenzierten
Wohnungsmarktentwicklungen
B
ei der aktuellen Entwicklung überholen sich alte Ost-West-Muster. Denn auch
Leipzig, Dresden, Jena, Erfurt oder Rostock wachsen. Umgekehrt stehen in West-
deutschland außerhalb der Wachstumsräume viele Eigenheime leer. Insgesamt
lebt die Mehrheit der Bevölkerung inWachstumsregionen, zwei Drittel aller kreisfreien
Großstädte wachsen. In etwas mehr als der Hälfte der Kreise und sechs Prozent der
Großstädte sinkt die Bevölkerung, so zum Beispiel auch in mancher Ruhrgebietsstadt.
PREISE UND MIETEN DRIFTEN AUSEINANDER
Durch diese Entwicklungen driften Preise
undMieten weiter auseinander. Ein Einfamilienhausgrundstück inmittlerer Lage kostet
inOstfranken imSchnitt zwölf Euro proQuadratmeter, inMünchen dagegen 1.200 Euro
pro Quadratmeter. Ein gebrauchtes Eigenheim ist in Großstädten für durchschnittlich
383.000 Euro zu haben, in ländlichen Kreisen für 135.000 Euro. In stark schrumpfenden
Kreisen sinken die Preise sogar. Einige süddeutscheUniversitätsstädte erlebten indes zwi-
schen 2009 und 2014 Preissteigerungen für Eigentumswohnungen von über 50 Prozent.
Noch vor einem Jahr hat das Bundesamt für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR)
einen jährlichen Neubaubedarf von 272.000 Wohneinheiten bis 2020 prognostiziert.
Bereits diese Zahl hat sich im Vergleich zur letzten Wohnungsmarktprognose im Jahr
2010 um fast 100.000 erhöht. Ursache ist die stark gestiegene Auslandszuwanderung. Mit
der Flüchtlingskrise und demnochmals verdoppelten Außenwanderungssaldo von 1,14
Millionen Menschen im Jahr 2015 steigt der angenommene Neubaubedarf nun sogar
auf 350.000 bis 400.000 Wohneinheiten. Trotz gesunkener Flüchtlingszahlen in diesem
Jahr bleibt die Zuwanderung die bestimmende Größe. Allerdings geht das BBSR davon
aus, dass sich die langfristige Bevölkerungsabnahme damit nicht umkehrt, sondern
nur verzögert.
Wenn auch zeitlich verzögert, hat der Immobilienmarkt auf die steigende Nachfrage
reagiert. Die Baugenehmigungen sind seit 2010 um 60 Prozent gestiegen. Und auch die
Baufertigstellungen haben sich vom Tiefpunkt im Jahr 2010 mit knapp 160.000 Wohn-
einheiten auf 248.000 im letzten Jahr erhöht. Doch stagnieren die Zuwachsraten, und
die Lücke zwischen Genehmigungen und Fertigstellungen ist deutlich größer als üblich.
Ohne die erhöhte Zuwanderung im letzten Jahr hätte derMarkt den notwendigen Bedarf
bereits gedeckt, selbst in den meisten Wachstumskommunen.
UNSICHERE PROGNOSEN
Zwar entfällt mittlerweile die Hälfte des Neubaus auf Mehrfami-
lienhäuser. Die Hälfte des Geschosswohnungsbaus sind jedoch Eigentumswohnungen
im höherpreisigen Segment. Selbst wenn diese wiederum zu 57 Prozent vermietet wer-
den, erfolgt weiterhinwenig klassischer preisgünstigerMietwohnungsbau. Auch werden
kaum neue Sozialwohnungen gebaut (etwa 15.000 Wohneinheiten im Jahr 2015) und
jährlich fallen 60.000 bis 80.000 Wohnungen aus der Bindung.
Insgesamt zeigen diese Entwicklungen, wie unsicher und schwer prognostizierbar
der Neubaubedarf ist. Aufgrund der Langfristigkeit der Immobilieninvestitionen ist
aber eine fundierte Abschätzung zukünftiger Entwicklungen unverzichtbar. Zusätz-
lich kommt es darauf an, dass lokale Wohnungs- und Stadtentwicklungspolitik den
sich ändernden Haushaltsgrößen und Bedürfnissen mit flexiblen Konzepten begegnet
und vor Ort die richtige Mischung aus gefördertem, frei finanziertem Mietwohnungs-,
Eigentums- und Eigenheimbau erfolgt, die der jeweiligen Bedarfslage entspricht.
Lutz Basse, Vorsitzender der AG Wohnungs-
wesen des Deutschen Verbands
Deutscher Verband
Die
deutschen Wohnungsmärkte
sind in Bewegung wie seit
Langem nicht mehr – aller-
dings mit deutlichen Unter-
schieden. Während wachsen-
de Regionen mit Engpässen
konfrontiert sind, bleibt der
Leerstand in etwa einem
Drittel aller Städte und Kreise
die Herausforderung.
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Lutz Basse
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