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MARKT & POLITIK
I
SOZIALER WOHNUNGSBAU
Förderzielen zählen vielmehr auch der
Bau von selbst genutztemWohneigentum
undMaßnahmen imBestandwie etwa der
barrierearme Umbau.
„Es war sehr sinnvoll, dass in der Ver-
gangenheit manche Länder den Schwer-
punkt auf die Bestandsförderung gelegt
haben“, urteiltMathiasMetzmacher, Leiter
des Referats Wohnen und Gesellschaft im
BBSR. Denn trotz des gegenwärtigen An-
gebotsengpasses in den Ballungsräumen
dürfe nicht vergessen werden, dass es in
den letzten Jahren in manchen Ländern
kaum einen Neubaubedarf gegeben habe.
Ähnlich argumentiert das Saarland,
eines der Länder, die in der Vergangen-
heit keine Fördermittel für den Bau von
Mietwohnungen ausgegeben haben. „Für
das Saarland“, sagt eine Sprecherin des Fi-
nanzministeriums, „kann in weiten Teilen
von einem entspannten Wohnungsmarkt
ausgegangen werden, der zumindest kei-
ne flächendeckende Neuschaffung von
Geschosswohnungen erfordert.“ Zudem
stehe im Saarland mit einem Anteil von
gut 58 Prozent ohnehin das selbst ge-
nutzte Wohneigentum im Vordergrund.
Seit 2010 wurde der Sprecherin zufolge die
Modernisierung von rund 500 Mietwoh-
nungenmit öffentlichenMitteln gefördert.
„Es wurden jedoch keine Förderanträge
für Neubaumaßnahmen gestellt.“
HAUS & GRUND SIEHT DECKUNGSLÜCKE
Das
allerdings liegt nach Ansicht der organi-
siertenWohnungswirtschaft nicht am feh-
lenden Bedarf, sondern an den unzurei-
chendenFörderbedingungen. „Ein auf Zu-
schuss basierendes Förderprogramm des
Landes für den preisgünstigenWohnungs-
bau ist im Saarland dringend notwendig“,
sagt Volker Leers, Präsident des VdWSaar.
Dies gelte umsomehr, als von den 450.000
Wohnungen im Saarland nur noch etwa
1.000 einer Sozialbindung unterlägen. Im
Unterschied zum Saarland haben andere
Bundesländer als Reaktion auf den wach-
senden Druck auf dem Wohnungsmarkt
ihre Förderpolitik bereits geändert. Dafür
steht das Beispiel von Berlin, das jahrelang
auf die Förderung des Neubaus komplett
verzichtet hatte, aber 2014 wieder in den
Bau von Sozialwohnungen einstieg. Eine
ähnliche Kehrtwende hat in diesem Jahr
Sachsen vollzogen: Im Entwurf für den
Doppelhaushalt 2017/18 sind 106 Milli-
onen Euro in Form von Zuschüssen für
die Schaffung von günstigem Wohnraum
eingestellt. Doch die Absicht stößt gleich
von zwei Seiten auf Kritik: Während die
Grünen im Landtag fordern, die gesam
ten auf Sachsen entfallenden Bundesmittel
von 234 Millionen Euro für den sozialen
Wohnungsbau auszugeben, bemängelt
Haus & Grund, bei der vorgegebenen
Miete von fünf bis sechs Euro ergebe sich
trotz Förderung für die Bauherren eine
Deckungslücke.
Thüringen stellt seit diesem Jahr eben-
falls wieder Mittel in Höhe von 26 Millio-
nen Euro für den Neubau zur Verfügung.
In Mecklenburg-Vorpommern sind es
12,6 Millionen Euro, die neu für den Bau
von belegungsgebundenen Wohnungen
bereitstehen – allerdings nur in Städten,
die einen Wohnungsleerstand von weni-
ger als vier Prozent aufweisen.
NRW GILT ALS VORZEIGEBEISPIEL
Das sind
freilich Kleckerbeträge, vergleicht man
sie mit dem finanziellen Engagement von
Nordrhein-Westfalen, das den Verfech-
tern des sozialen Wohnungsbaus als Vor-
zeigebeispiel gilt. Das Wohnraumförde-
rungsvolumen von derzeit 800 Millionen
Euro soll 2017 noch einmal deutlich auf
1,1 Milliarden Euro erhöht werden. Der
Großteil davon, nämlich 700 Millionen
Euro, ist für den Geschosswohnungs-
bau reserviert. „Die Landesregierung
geht damit einen wichtigen Schritt, denn
mehr sozialer Wohnungsbau ist dringend
notwendig“, sagt Alexander Rychter, Ver-
bandsdirektor des wohnungswirtschaft-
lichen Dachverbandes VdW Rheinland
Westfalen. Lob findet Rychter nicht nur
für die Höhe der Mittel, sondern auch
für die Ausgestaltung der Förderung. Seit
2015 gewährt das Land nämlich Tilgungs-
nachlässe, welche die Förderung auch in
der gegenwärtigen Niedrigzinsphase at-
traktiv machen.
Dieses finanzielle Engagement ent-
spricht der Forderung von Bundesbaumi-
nisterin Barbara Hendricks, die von den
Ländern verlangt, die Kompensations-
mittel „mit eigenen Mitteln aufzustocken
und über die Verwendung der Mittel zu
berichten“. Darüber hinaus spricht sich die
Ministerin dafür aus, die Kompetenzauf-
teilung erneut zu ändern und ab 2019 den
Bund wieder mitverantwortlich für den
sozialen Wohnungsbau zu machen. Doch
auch dann werden die Mittel der sozialen
Wohnraumförderung aller Voraussicht
nach nicht ausschließlich in den Neubau
fließen. Die Bestandsförderung, heißt es
jedenfalls beim BBSR, „wird – trotz des
Neubaus in den Bedarfsschwerpunkten
– für die Bezahlbarkeit des Wohnens in
modernisiertem Wohnraum weiterhin
von hoher Bedeutung sein“.
«
Christian Hunziker, Berlin
„Es war sehr sinnvoll,
dass in der Vergangen-
heit manche Länder
den Schwerpunkt auf
die Bestandsförderung
gelegt haben.“
Mathias Metzmacher,
Leiter Referat
Wohnen und Gesellschaft, BBSR
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