IMMOBILIENWIRTSCHAFT 11/2016 - page 15

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Schwankungen bei Immobilienwerten
um. Am britischen Markt verfahren In-
vestoren eher nach dem Prinzip „Buy and
sell“. Die Marktphasen werden aktiv ge-
nutzt, wobei auch in Abschwungphasen
kaum nachlassende Aktivitäten zu beob
achten sind. Vielmehr werden die Portfo-
lios neu geordnet und Verluste zum Teil
bewusst in Kauf genommen. Der Handel
mit Immobilien entwickelt sich deshalb
dort wesentlich dynamischer, und Wert-
entwicklungen – auch Verluste – werden
zeitnah realisiert und abgebildet.
NEUE BEWERTUNGSPRAXIS
Diese Be-
wertungspraxis hält nunmehr auch in
Deutschland immer mehr Einzug. Anders
als vor zehn Jahren, als in Deutschland
die institutionellen Investoren, wie Fonds
oder Versicherungen, fast ausschließlich
auf der Verkäuferseite zu finden waren,
kaufen aktuell auch und teilweise vor
allem deutsche institutionelle Investoren.
Bei steigenden Preisen müssen die zu er-
werbenden Objekte und Portfolios auch
entsprechend bewertet werden, um ange-
messene Einkaufspreise zu ermitteln. Die
Bewertungsdynamik hat daher zunächst
nach oben deutlich zugenommen. Die
Marktentwicklung schlägt sich nun – im
Gegensatz zu 2005 bis 2007 – auch stär-
ker in den Bilanzen der Immobiliengesell-
schaften, Bestandshalter und Investoren
nieder – in der Mehrheit mit zum Teil
deutlich höheren Werten.
Die große Frage ist nun, wie sich die
Immobilienwerte entwickeln werden, so-
bald eine Marktkorrektur eintritt. Wird
der deutsche Immobilienmarkt seinem
Ruf noch einmal mehr gerecht werden
und sich als vergleichsweise stabil er-
weisen oder ist auch hierzulande mit si-
gnifikanten Wertverlusten zu rechnen?
Die deutlich gestiegenen Werte und die
erhöhte Umschlagsgeschwindigkeit bei
deutschen Immobilien sprechen für das
zweite Szenario. Steigende Zinsen oder
ein schwächelndes wirtschaftliches Um-
feld (oder beides) werden sich in sinken-
den Immobilienpreisen niederschlagen
– dieses Mal vermutlich auch stärker in
Deutschland.
Investoren und Bestandshalter sollten
darauf vorbereitet sein. Die Warnungen
von Banken und Marktbeobachtern, in
Deutschland bestehe die Gefahr einer
Preisblase, sind zwar angesichts der wei-
terhin sicherheitsorientierten Kreditver-
gabe und positiven Wirtschaftsentwick-
lung derzeit noch übertrieben, aber insbe-
sondere Eigentümer, die neue Immobilien
zu relativ hohen Preisen in ihre Portfolios
übernommen haben, sollten die Möglich-
keit eines Wertverlustes einkalkulieren.
Sie sollten ihre Anlagen absichern, indem
sie ihre Investments breit streuen, bzw.
sich aktuell lieber einmal mehr fragen, ob
es tatsächlich ratsam ist, zum 30-Fachen
in Berlin oder z. T. deutlich darüber in
München einzukaufen.
Es gibt in Deutschland und ande-
ren Industrienationen nach wie vor gute
Standorte und Produkte, die bei angemes-
senem Risiko gute Renditen versprechen.
Eine Preiskorrektur dürfte hier nicht so
schmerzhaft ausfallen wie bei sehr teuren
Investitionen in den deutschen A-Städ-
ten. Derartige Investments setzen zwar
selbstverständlich eine intensivere Be-
schäftigung mit den lokalen Rahmenbe-
dingungen voraus. Diese Zeit und Mühe
sollten Investoren, die auf der Suche nach
langfristig sicheren und dennoch einträg-
lichen Investments sind, jedoch aufwen-
den, um bei einer Marktkorrektur keine
böse Überraschung zu erleben. Denn auch
deutsche Immobilienwerte werden künf-
tig aller Voraussicht nach volatiler sein. Es
sei denn, wir bekommen japanische Ver-
hältnisse mit Dekaden von Nullzinsen.
Aber wer will das schon?
SUMMARY
»
Die
Preiskurve
für deutsche Immobilien zeigt
steil nach oben
.
»
Viele Marktteil-
nehmer vermuten, dass sie
bei einer Trendwende nicht genauso steil fallen
wird.
»
Es gibt
an
diesem positiven Szenario
einige Zweifel
.
»
Man rechnet vielmehr damit, dass
auch die Werte
deutscher Immobilien zukünftig deutlicheren Schwankungen
unterliegen werden, als die
Marktteilnehmer es bisher gewohnt waren.
«
Karsten Jungk, Geschäftsführer und Partner
Wüest & Partner Deutschland
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