Immobilienwirtschaft 12-1/2016 - page 40

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VERMARKTUNG & MANAGEMENT
I
MIETPREISBREMSE
I
RECHT
der große Preistreiber auf dem Markt“,
sagte indes Andreas Geisel, Berliner Se-
nator für Stadtentwicklung und Umwelt,
Anfang Juli über eine Analyse des Immo-
bilienportals ImmobilienScout24. „Mit
dem Inkrafttreten des Gesetzes sind die
Angebotsmieten um über drei Prozent
auf 8,53 Euro pro Quadratmeter gesun-
ken.“ Allerdings: Bereits im Januar lagen
die Angebotsmieten mit 8,50 Euro pro
Quadratmeter auf einem ähnlichen Ni-
veau. „Bleibt Wohnraum knapp, ist mit
spürbar sinkenden Mieten nicht zu rech-
nen“, räumte Jan Hebecker, Leiter Daten
& Märkte bei ImmobilienScout24, dann
auch Mitte September ein.
Zu anderen Ergebnissen kommt das
Immobilienportal immowelt.de, das An-
fang Oktober exemplarisch zwölf Städte
mit Mietpreisbremse untersucht hat. Da-
nach sind in sieben von ihnen die Mie-
ten seit Einführung der Mietpreisbremse
gestiegen. In Berlin liegen die Kaltmieten
bei 9,60 Euro pro Quadratmeter (Median)
und damit drei Prozent über den Preisen
vor der Einführung. In Nürnberg sind
die Preise um sechs Prozent gestiegen, in
Ingolstadt um vier Prozent. In Erlangen,
München und Regensburg hingegen sind
sie weitestgehend stabil geblieben.
Grundsätzlich ist es fraglich, ob die
Mietpreisbremse zu einem so frühen
Zeitpunkt überhaupt schon nachweisbare
Wirkung zeigen kann. Der Einfluss auf die
ortsübliche Vergleichsmiete kommt frü-
hestens bei der Erstellung des nächsten
Mietspiegels zum Tragen und auch dann
nur mit dem Anteil neu vermieteter oder
geänderter Mietverhältnisse. Die bisher
analysierten Angebotsmieten umfassen
auch Neubaumieten, Mieten umfassend
sanierter Wohnungen und Bestandsmie-
ten, die schon zuvor höher als das Niveau
der ortüblichenVergleichsmiete zuzüglich
zehn Prozent lagen. Diese drei Segmente
sind allerdings von der Mietpreisbremse
ausgenommen, dürften also bei der Ana-
lyse gar nicht berücksichtigt werden.
PROBLEMFALL MIETSPIEGEL
Mit der Ver-
abschiedung der Mietpreisbremse hat der
Gesetzgeber der ortsüblichen Vergleichs-
miete eine hohe Bedeutung eingeräumt.
Diese definiert § 558 Bürgerliches Gesetz-
buch als die Miete, die in der Gemeinde
üblicherweise für Wohnraum vergleich-
barer Art, Größe, Ausstattung, Beschaf-
fenheit und Lage einschließlich der ener-
getischen Ausstattung und Beschaffenheit
in den vergangenen vier Jahren vereinbart
oder geändert wurde. Wie diese konkret
zu ermitteln ist, legt der Gesetzgeber
nicht fest. Als Möglichkeiten nennt das
Gesetz den Mietspiegel, insbesondere in
qualifizierter Form, die Mietdatenbank,
die kaum in einer Gemeinde vorliegt,
den Nachweis durch Vergleichsmieten
und das Sachverständigengutachten. Ein
qualifizierterMietspiegel muss dabei nach
anerkannten wissenschaftlichen Grund-
sätzen erstellt worden sein, alle zwei Jahre
an die Markt-entwicklung angepasst und
alle vier Jahre neu erstellt werden. Das
Problem dabei: Qualifizierte Mietspie-
gel gibt es meist nur in Großstädten und
selbst dort werden teilweise Baujahre oder
Lagen zusammengefasst, die eine sachge-
mäße Differenzierung vermissen lassen
oder Extremwerte unsachgemäß berei-
nigen. Zudem werden Modernisierungen
oft nicht erfasst und eine eingeschränkte
Datenbasis verwendet.
Mitte Mai kamen auch dem Amtsge-
richt Berlin-Charlottenburg Zweifel am
Aussagewert eines qualifiziertenMietspie-
gels (Az: 235 C 133/13). Es entschied auf
der Basis eines Sachverständigengutach-
tens, dass die von den Erstellern des Ber-
liner Mietspiegels 2013 vorgenommene
Extremwertbereinigung nicht nach an-
erkannten wissenschaftlichen Methoden
erfolgt und die Einordnung der verschie-
denenWohnlagen in die Kategorien „ein-
fach“, „mittel“ und „gut“ zu ungenau sei.
Auch der BerlinerMietspiegel aus dem
Jahr 2009 geriet ins Visier der Rechtspre-
chung. Das Landgericht Berlin stufte in
einer Entscheidung über eine Mieterhö-
hung (Aktenzeichen 63 S 220/11) das In-
strument als nicht qualifiziert ein. Auch in
diesem Fall erweckte das Gutachten eines
Sachverständigen „erhebliche Zweifel“ an
der Qualifiziertheit des Mietspiegels.
Da die Mietpreisbremse ohne gesetz-
lich festgelegte Richtschnur zur Ermitt-
lung der ortsüblichenVergleichsmiete nur
schwer umzusetzen ist, fordert auch der
Petitionsausschuss des Bundestags eine
Änderung der Berechnungsmethode. Zur
Erhebung eines qualifiziertenMietspiegels
sollen, so die Petition vom 14. Oktober,
alleWohnungen erfasst werden, unabhän-
gig davon, ob sich der Mietzins verändert
hat. Derzeit würden gleich bleibendeMie-
ten, die sich imMietspiegel dämpfend aus-
wirken könnten, nicht berücksichtigt.
Bundesjustizminister Heiko Maas be-
reitet zwar einen entsprechenden Gesetz-
entwurf vor. Wann das Gesetz allerdings
in Kraft treten wird, ist derzeit noch un-
gewiss.
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Gabriele Bobka, Bad Krozingen
Dieses Szenario soll aus dem Stadtbild verschwinden.
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