Immobilienwirtschaft 12-1/2016 - page 30

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INVESTMENT & ENTWICKLUNG
I
INTERVIEW
genkapital hinterlegen. Dann hat sich der
Markt angepasst und ist in höheres Risiko
gegangen. Mit Basel II wurde hohes Risiko
entsprechend negativ mit einem Strafzins
gewichtet. Darauf entstand unter Basel III
eine Diskussion über die Eigenschaften
von echtem Eigenkapital. Dieses iterative
Finden einer echten Risikorealität wird
sicher weitergehen.
Liegt in dem Erfindungsreichtum der
Investoren eine Gefahr?
Die größte Ge-
fahr liegt darin, dass Investoren am Ende
sehr wenig eigene Mittel benötigen, um
ein großes Investitionsvolumen zu bewe-
gen. Im Private-Equity-Bereich brauchen
Sie als Anstoß jemanden, der eine Million
Euro echtes Eigenkapital investiert. Darauf
aufbauend können Sie amEndemit Eigen-
und Fremdmitteln die 100fache Menge
oder noch mehr an Kapital bewegen.
Wie geht das?
Eine Million ermöglicht
es neun stille Millionen externes privates
Eigenkapital zu gewinnen. Die zehn Mil-
lionen ermöglichen eine Zusage von 90
Millionen externemEigenkapital etwa aus
der US-Versicherungslandschaft. Dieses
Eigenkapitalpaket wird dann mit 90 Pro-
zent Fremdkapital aus demBankenbereich
gehebelt. Selbst mit null Euro Eigenkapital
ist dieses Szenario grundsätzlich möglich,
dann aber systemgefährdend.
Es gibt also nach wie vor das Konstrukt,
dass Gelder hinter Geldern stecken und
nicht Personen.
Ja. Leidtragender kann
ein Lehrer in Ohio sein, der eine Lebens-
versicherung besitzt. Solche Finanztrans-
fers dominieren circa 97 Prozent der
Welttransfers. Nur drei Prozent sind reale
Transfers. Das Benzin, das Sie tanken,
wurde schon vorher zwölf Mal verkauft.
Diese Strukturen sind hoch gefährlich und
existieren so grundsätzlich immer noch.
Das Wort „gefährlich“ kommt in Ihren
Ausführungen oft vor.
Wenn niemand die
gegenwärtige Situation für gefährlich hält
und vielmehr jeder meint, sie sei ein Nor-
malzustand, so ist das gefährlich ...
Dem hat man im regulierten Bereich ei-
nen Riegel vorgeschoben.
Das ist auch
grundsätzlich gut. Aber jetzt gehen Anle-
ger in den nicht regulierten Bereich, der
vorher nicht wettbewerbsfähig war. Dieser
Bereich wächst also weiter. Das Zynische
ist: Der Teil des Systems, der es zum Ein-
sturz gebracht hat, die Hedge-Fonds, sind
nach wie vor fast unberührt, wie vor acht
Jahren. Die wenig regulierten internati-
onalen Fonds bringen das Finanzsystem
insWanken, die bereits regulierte Banken-
landschaft wird weiter reguliert. Auch das
kann systemdestabilisierend wirken.
Zumindest sind wir in einer Niedrig-
zinsphase.
Hätten wir die nicht, wäre die
Situation aber nicht so gefährlich, wie sie
jetzt ist. Der höhere Risikobereich wür-
de durch Nicht-Banken abgedeckt und
entsprechend hoch verzinst. Durch die
Niedrigzinsphase gehen wir jetzt aber
auch im regulierten Bankenbereich zu
sehr geringen Konditionen in sehr hohe
Beleihungsausläufe hinein, was das Sys-
tem komplett auf den Kopf stellt.
Wenigstens haben wir im Moment kei-
ne Inflation.
Nicht bei den Verbraucher-
preisen. Und die Investitionsgüter-Inflati-
on misst niemand. Wir haben sicher eine
zehnprozentige Inflation p.a. unter den
Investitionsgütern, dazu zählen alle lang-
lebigenGüter wie Immobilien, Schiffe und
so weiter. Die oft zitierte Konsumgut-In-
flation misst immobilientechnisch ja zum
Beispiel nur den Mietvertrag. Sie misst
aber nicht die Investitionspreisentwick-
lung des „Centro“ in Oberhausen.
Was halten Sie vom momentanen Auf-
schwung?
Der jetzige „Aufschwung“ ist
künstlich. Es braucht nur eine echte Ver-
werfung, damit die Zentralbanken welt-
weit und die EZB für Europa das Pendel
in die andere Richtung ausschlagen lassen.
Was könnte dazu führen?
Eine Zins­
erhöhung in den USA, das werden wir
sehr schnell sehen. Man wird es vermut-
lich vorsichtig machen, damit die Welt
nicht kollabiert. Es gibt deutliche Signale
dafür, dass China schwächelt. Es könnten
aber auch politische oder terroristische
Verwerfungen in Europa sein.
Viele sagen, das System würde eine
Zinssteigerung nicht überleben.
Das
halte ich für völlig überzogen. Es hat auch
in der Vergangenheit überlebt, als die Zin-
sen fielen oder stark stiegen. Ein Zinsan-
stieg täte demMarkt mit allenWehklagen
grundsätzlich gut. Denn wie lange halten
die Versicherungen noch durch?
Wie bekommt man die Liquidität aus
demMarkt heraus?
Wenn Sie Krisen oder
Kriege vermeiden wollen, bleibt nur: In-
flation. Am besten gemäßigt und sechs
bis sieben Jahre in Folge. Das Geld muss
aus dem Markt verschwinden, sonst sind
unsere ungeborenen Kinder und Enkel
pleite, noch bevor sie auf der Welt sind.
Kann man Inflation kontrollieren?
Das
halte ich für eineMär. Diese Hoffnung war
in der Vergangenheit oft trügerisch. Noch
nie waren so viele Eigen- und Fremdmittel
so verflochten im Umlauf wie bisher.
Wann wird die Inflation zunehmen?
Ich
glaube, das wird eher kurz- oder mittel-
fristig als langfristig passieren. Denn ich
glaube nicht, dass der jetzige nur trüge-
risch stabile Zustand noch fünf Jahre an-
dauern kann ...
«
Dirk Labusch, Freiburg
„Das Zynische ist: Der Teil
des Systems, der es zum
Einsturz gebracht hat, die
Hedge-Fonds, sind nach
wie vor fast unberührt.
Die bereits regulierte
Bankenlandschaft wird
noch weiter reguliert.
Auch das kann system-
destabilisierend wirken.“
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